Die Optimierung des eigenen Testosteronspiegels steht für jeden motivierten Athleten ganz oben auf der Prioritätenliste. Während viele Hobbysportler das Wort „optimieren“ oft mit „substituieren“ verwechseln und gerne ohne diagnostizierten Mangel zur Spritze greifen, versuchen gerade Trainierende, die natural das größtmögliche Potenzial ihres Körpers ausschöpfen wollen, ihren Testosteronspiegel mit kleinen Anpassungen im Alltag zu steigern. Hier reichen die Ansätze von der Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln wie Vitamin D3 oder Zink über die Beachtung regelmäßiger Schlafzeiten bis hin zur Verringerung von Stress im Alltag. Neben diesen kleinen altbekannten Helfern ist es jedoch in erster Linie die Ernährung, die wesentlichen Einfluss auf die Testosteronproduktion haben kann.
Auch wenn viele Sportler es nicht gerne hören: Die Ernährung spielt neben dem Training die wohl größte Rolle, wenn es darum geht, seinen Körper zu entwickeln. Ist man wirklich am Kraftsport interessiert, wird das keine neue Erkenntnis sein. In diesem Fall wird man auch wissen, dass Fette und Cholesterin wichtig für die Hormonproduktion sind.
Testosteron wird, wie viele andere Hormone auch, aus Pregnenolon gebildet. Dieses Pregnenolon wird auf der Grundlage von Cholesterol synthetisiert. Führt man eine Diät durch, bei der das Fett extrem niedrig angesetzt ist, kann man sich gut vorstellen, wie der Verzicht auf das Nahrungsfett sich auf die Testosteronproduktion auswirkt. Man verweigert seinem Körper quasi die Bausteine für den chemischen Prozess, der zur Produktion des männlichen Sexualhormons führt.
Wie sieht es aber bei den Kohlenhydraten aus? Ist es möglich, dass eine der am wenigsten beachteten Strategien zur Erhöhung des Testosteronspiegels sich in der Ernährung rund um das Training versteckt? Die Antwort darauf ist ein eindeutiges „Ja!“.
Obwohl Fett das Rohmaterial für die Produktion durch Cholesterin liefert, sind es die Kohlenhydrate, die die Produktion von Testosteron sicherstellen, indem sie durch den Ausstoß von Insulin den Cortisolspiegel in Schach halten.
Warum Insulin und Testosteron sehr gute Freunde sind
Geht man ins Studio, bewegt schwere Gewichte und überschreitet dabei seine Grenzen, wird automatisch eine Cortisolantwort getriggert, die zur Folge hat, dass Muskelprotein abgebaut wird. Während ein wenig Cortisol sogar erwünscht ist, wird es sehr schnell kritisch, wenn man es nicht sinnvoll verwaltet. Warum?
Bei gesteigertem Cortisolspiegel bleibt der Körper in einem katabolen Zustand, in dem erhöhte Alarmbereitschaft und Aufmerksamkeit die Situation bestimmen. Dieser Zustand ist als „Fight or Flight“ bekannt.
Wird dieser katabole Zustand aufrechterhalten, beginnt der Körper damit, sich auf die Produktion von Cortisol zu konzentrieren, während weitere Hormone, auch das Pregnenolon, vernachlässigt werden.
Ruft man sich jetzt ins Gedächtnis, dass Pregnenolon im Prozess der Testosteronproduktion essentiell ist, wird deutlich, dass hohe Cortisolspiegel automatisch gegen die natürliche Testosteronproduktion des Körpers arbeiten.
Als wäre das nicht genug, wird die ganze Situation verschlimmert, indem Cortisol das StAR Protein – also das Steroidogenic acute regulatory protein – unterdrückt, dessen Aufgabe darin besteht, den Transfer von Cholesterin in die Mitochondrien zu regulieren.
In einfachen Worten ausgedrückt, regelt StAR genau das, was der Name schon vermuten lässt. Es aktiviert die Synthese von Steroidhormonen in den Leydig-Zellen, die der limitierende Faktor ist, wenn es um die Produktion von Hormonen geht.
Folglich entsteht eine einfache Rechnung: Weniger Behinderung des Transfers von Cholesterin bedeutet weniger Unterdrückung der eigenen Testosteronproduktion, wodurch automatisch mehr Leistungsfähigkeit und Potenzial für den Muskelaufbau entsteht.
Nun ist es so, dass wir weniger Cortisol ausschütten, um Energie freizusetzen, wenn ausreichend Kohlenhydrate und Insulin während des Trainings im Blut vorhanden sind. Indem man die Cortisolausschüttung beschränkt und eine dauerhafte Erhöhung verhindert, wird eine funktionierende Testosteronproduktion gewährleistet.
Wem das zu theoretisch und komplex war, der kann sich folgende Punkte merken:
- Erhöhtes Cortisol zwingt den Körper dazu, einen „Fight or Flight“ Zustand einzunehmen.
- Cortisol und Testosteron beeinflussen sich entgegengesetzt – sie sind gegenregulierende Hormone. Das liegt in erster Linie daran, dass Cortisol das Rohmaterial raubt, welches sonst für die Produktion von Testosteron genutzt werden würde.
- Insulin verhält sich ebenfalls umgekehrt zum Cortisol und man weiß, dass die gezielte Zufuhr von Kohlenhydraten eine der besten Möglichkeiten ist, um Insulin dafür zu nutzen, den Cortisolspiegel zu senken.
- Kohlenhydrate versetzen den Körper in einen Zustand, indem er sich erholen und Muskeln aufbauen kann.
- Ein Cortisolmanagement durch die Zufuhr von Kohlenhydraten erlaubt es, Cholesterin und Pregnenolon in ausreichender Menge bereitzustellen, um Baustoff für das Testosteron zu liefern.
Wie geht man nun möglichst klug vor, um sein Cortisol zu verwalten?
#1 – Zyklische Zufuhr von Dextrin und Aminosäuren
Der beste Weg, um das Cortisol zu kontrollieren, ist die periodische Zufuhr von Dextrin, essentiellen Aminosäuren und Leucin im Speziellen. Dadurch wird die Cortisolantwort des Körpers in Schach gehalten und es findet keine Überproduktion statt, die dem Körper Rohmaterialien raubt, welche für die Produktion von Testosteron bereitstehen sollten.
Ausschließlich feste Nahrung ergibt in diesem Fall weniger Sinn. Diese sollte eher dazu genutzt werden, Effekte der verwendeten Nahrungsergänzungsmittel vor und nach dem Training zu optimieren.
#2 – Individualisierte Dosierung
Essentielle Aminosäuren und Leucin können mTOR, Insulin und die Muskelproteinsynthese stimulieren. Trotzdem gibt es ab einer bestimmten Menge an Kohlenhydraten keine weiteren Vorteile. Der durchschnittliche Athlet kann über den Daumen gepeilt mit 25 bis 35 Gramm Dextrin starten und sich langsam hocharbeiten.
Die Dosierung sollte dabei individuell angepasst werden und ist abhängig von Körpergewicht, Periodisierung des Trainingsplans und dem Anteil der Kohlenhydrate an der gesamten täglichen Kalorienzufuhr. Wenn sie sinnvoll um den Zeitpunkt des Trainings integriert werden, sorgen diese Kohlenhydrate dafür, dass die Leistung gesteigert und die Hormonproduktion optimiert wird.
Mehr Trainingsvolumen bedeutet natürlich auch mehr Kohlenhydrate. Es ist demnach durchaus sinvoll, einen Überblick über durchgeführte Sätze und Wiederholungen während des Workouts zu haben. Daneben ist natürlich auch der Trainingsstand entscheidend. Für weit fortgeschrittene Sportler ist es nicht unüblich, bis zu 75 Gramm vor und nach dem Training zu verwenden.
#3 – Zusätzliches Leucin
Für optimale Resultate können neben einer ausgewogenen Aufteilung der anderen essentiellen Aminosäuren ein paar Gramm Leucin zusätzlich verwendet werden. Mindestens drei Gramm sollten es sein.
Hydrolysierte Peptide und essentielle Aminosäuren sind die beste Investition, wenn man der International Society of Sports Nutrition glauben darf. Schnell verdauliche Proteine, die einen hohen Anteil an essentiellen Aminosäuren aufweisen, haben den größten Einfluss auf die Stimulation der Muskelproteinsynthese – das zeigt eine Studie von Jager aus dem Jahr 2017.
#4 – Konservative Herangehensweise
Zu viele Kohlenhydrate führen zu einer sinkenden Insulinsensitivität. Auch wenn sie einen positiven Effekt auf die Testosteronproduktion haben, dürfen dabei andere hormonelle Prozesse – wie die Insulinsensitivität oder der Blutzuckerspiegel – nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.
Man macht nicht viel verkehrt, wenn man mit 25 Gramm startet und die Dosierung erst erhöht, wenn es Regeneration und die tägliche Kalorienaufnahme erfordern. Ein Kalorienüberschuss, selbst wenn er richtig getimed wird, kann immer zu Problemen führen.
Selbst 25 Gramm machen bereits 100 Kalorien aus. Aus diesem Grund muss genau überlegt werden, wie viele Kohlenhydrate vom täglichen Bedarf in der Ernährung rund um das Training integriert werden.
Seit vielen Jahren weiß man schon, dass die gezielte Zufuhr von Nährstoffen einen entscheidenden Einfluss auf die Regeneration und das Muskelwachstum hat – von der Muskelproteinsynthese über die Vermeidung von Muskelkater bis hin zur Unterdrückung einer exzessiven Cortisolausschüttung. Der Wert einer gezielten Zufuhr von Kohlenhydraten ist dadurch unbestreitbar. Wenn man dementsprechend das nächste Mal seine Bestellung im favorisierten Online-Shop zusammenstellt, sollte man die Effekte von Kohlenhydraten im Hinterkopf behalten. So kann das endokrine System gezielt manipuliert werden, ohne direkt leistungssteigernde Substanzen in Erwägung ziehen zu müssen.
Quelle: t-nation.com/supplements/keep-your-carbs-raise-your-testosterone
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