Eier sind generell ein kontroverses Thema. Während man früher der Meinung war, das enthaltene Cholesterin sei schädlich für das Herz-Kreislauf-System, haben Studien gezeigt, dass diese Behauptung nicht so ohne weiteres der Wahrheit entspricht. Dennoch werfen Bodybuilder schon seit Generationen das kostbare Eigelb in den Müll oder kaufen direkt Eiklar aus dem Tetrapak. Warum unser Muskelaufbau jedoch von ganzen Eiern mehr profitieren könnte als von dem nahezu fett- und cholesterinfreien Eiklar allein, zeigt eine aktuelle Untersuchung.
Zwar liegen die Gründe, weshalb Bodybuilder lieber zu purem Eiklar greifen darin begründet, dass es fast ausschließlich aus Protein besteht und somit in fast jeder sportgerechten Ernährungsform Anwendung finden kann, doch sollten wir uns überlegen, ob wir nicht hin und wieder das eine oder andere Eigelb mitessen. Forscher aus den USA und Kanada haben nämlich herausgefunden, dass der Verzehr von ganzen Eiern, inklusive dem fettreichen Eigelb, zu einer stärkeren Proteinsynthese führt als Eiklar allein.
Die Wissenschaftler rekrutierten zehn trainierte, junge Männer und verabreichten ihnen eine Infusion mit chemisch markierten Aminosäuren. Diese Methode soll Aufschluss darüber geben, zu welchem Anteil die Aminosäuren im Körper aufgenommen und zum Muskelaufbau verwendet werden und dadurch einen Überblick über die Muskelproteinsynthese (MPS) geben. Währenddessen sollten die Probanden eine kurze Trainingseinheit aus vier Sätzen zu je zehn Wiederholungen an der Beinpresse und am Beinstrecker absolvieren.
Im Anschluss an das Training erhielten die Sportler entweder 18 Gramm Protein aus Vollei, welches ebenfalls markierte Aminosäuren sowie 17 Gramm Fett enthielt, oder die gleiche Menge Protein aus nahezu fettfreiem Eiklar. Die Studie war im Cross-Over-Design aufgebaut, was bedeutet, dass alle zehn Teilnehmer beide Versuchsreihen an verschiedenen Tagen durchliefen.
Die anschließenden Blutanalysen und Muskelbiopsien zeigten auf, dass die Aminosäure Leucin nach dem Verzehr von Eiklar allein schneller ins Blut gelangte. Insgesamt aber war die aufgenommene Menge in beiden Gruppen über den Zeitraum von fünf Stunden nach der Mahlzeit identisch.
Allerdings stieg die Aktivität eines Proteins namens mTOR in der Vollei-Gruppe stärker an, welches wahrscheinlich den wichtigsten Indikator für die Steigerung der MPS darstellt. Je höher die Aktivität von mTOR, desto größer ist die Menge an Aminosäuren, die in körpereigene Eiweißstrukturen wie Muskeln eingebaut werden. Um genau zu sein lag die Ausschüttung dieses Wachstumsfaktors in der Gruppe, die die ganzen Eier aß, um ganze 45 Prozent höher als in der Eiklar-Gruppe!
Obwohl sich die Forscher nicht ganz sicher sind, warum der Verzehr des kompletten Eies effektiver in Bezug auf den Muskelaufbau ist, vermuten sie, dass es etwas mit den zusätzlichen Nährstoffen zu tun hat, die das Eigelb enthält. Neben Fettsäuren und Cholesterin befinden sich darin zahlreiche Vitamine, Mineralien und sogar Nährstoffe wie Cholin und Lecithin, die wir ansonsten nur in wenigen Lebensmitteln finden. Womöglich lag der Unterschied aber auch in dem unterschiedlichen Kaloriengehalt der beiden Mahlzeiten begründet.
Auch wenn der hauptsächliche Fokus in der Ernährung für den Muskelaufbau in den Makronährstoffen liegt und oftmals versucht wird, das Nahrungsfett vergleichsweise gering zu halten, könnte es Sinn ergeben, hin und wieder ein paar Volleier in den Ernährungsplan einzubauen. Komplett fettfrei sollte die Ernährung eines Bodybuilders oder Fitnesssportlers aufgrund der Lebensnotwendigkeit einiger essenzieller Fettsäuren ohnehin nicht sein. Das Eigelb ist sogar so wertvoll, dass wir dazu raten würden, es auf keinen Fall einfach wegzuwerfen, sondern im Zweifelsfall lieber zu purem Eiklar aus dem Groß- oder Onlinehandel zu greifen. Auch Eiklarpulver gemischt mit Wasser kann eine Alternative darstellen.
Primärquelle: www.sciencedaily.com/releases/2017/12/171220122054.htm
Literaturquelle:
van Vliet, Stephan, et al. „Consumption of whole eggs promotes greater stimulation of postexercise muscle protein synthesis than consumption of isonitrogenous amounts of egg whites in young men.“ The American journal of clinical nutrition 106.6 (2017): 1401-1412.