Wer Muskeln aufbauen will, sollte auf eine ausreichende Proteinzufuhr achten. Aber nicht nur die Menge kann dabei eine Rolle spielen, sondern auch die Qualität. Um diese zu beurteilen, gibt es verschiedene Ansätze und Skalen, die sich nach ihrer Bioverfügbarkeit und dem Aminosäurenprofil richten. Basierend auf diesen Informationen können wir eventuell bessere Entscheidungen über die Auswahl unserer Quellen treffen. Deshalb schauen wir uns heute an, was Proteinqualität bedeutet und wie sie bewertet wird.
Das Thema Ernährung kann sicherlich sehr kompliziert werden, wenn wir uns tiefer in die Materie begeben. Erst sollst du darauf achten, genug Eiweiß zu dir zu nehmen, und jetzt auch noch darauf, dass es eine hohe Qualität aufweist? Und was bedeutet Proteinqualität überhaupt? Fragen über Fragen. Um sie zu beantworten, hat die Wissenschaft verschiedene Versuche unternommen und die Proteinqualität anhand verschiedener Kriterien bewertet.
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Die Bioverfügbarkeit von Proteinen
Die Bioverfügbarkeit, die Netto-Protein-Ausnutzung und die Stickstoffbilanz bewerten Proteine basierend auf der Messung von Stickstoff. Dieses Element kommt in jeder einzelnen Aminosäure genau einmal und in seltenen Fällen auch zweimal vor und ist damit charakteristisch für jedes Protein. Oft wird Stickstoff daher im Labor als Stellvertreter für Proteine gemessen. Diese Methoden analysieren, wie viel Stickstoff der Mensch aus einer Proteinquelle aufnimmt, rechnen aus, welcher Proteinmenge das entspricht, und vergleichen somit, wie viel Protein unter dem Strich aus einer Quelle aufgenommen wurde.
Jede dieser drei Verfahren liegen zwei Annahmen zugrunde, die streitbar sind. Zum einen, dass Proteine die einzige Aufnahmequelle des Körpers für Stickstoff darstellen, und zum anderen, dass jegliches Protein, das vom Körper nicht wieder ausgeschieden wird, auch in körpereigenes Protein umgewandelt wird. Tatsächlich können Proteine im Körper jedoch auch in Glukose umgewandelt werden. Besonders dann, wenn die Aufnahme sehr schnell vonstattengeht und die Glykogenspeicher des Körpers niedrig sind. Auch kann eine gewisse Menge von der Darmflora fermentiert werden, was gerade dann auftritt, wenn die Verdaubarkeit der Proteine niedrig ist [1].
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Bekannte Profibodybuilder machen es vor und verzehren täglich bis zu mehrere Kilogramm Tatar, Steaks und Co. Während man sicherlich Befürworter und Gegner einer sehr hohen Proteinaufnahme sein kann, gibt es ebenso viele Behauptungen und Gegenbehauptungen, dass rotes Fleisch prinzipiell ungesund sei. Lassen wir die ethischen Aspekte einmal außen vor, zeigen die Untersuchungen der letzten Jahre […]
Die Skala der Bioverfügbarkeit wird bis heute verwendet, speziell in der Werbung und den Medien. Aus diesem Grund haben wir sie hier erwähnt, trotz der Tatsache, dass sie heute aus wissenschaftlicher Sicht veraltet ist. Der Maßstab, der aktuell von offiziellen Institutionen wie der FDA verwendet wird, ist der nach der Protein-Verdaubarkeit korrigierte Aminosäure-Score (Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score – PDCAAS). Dieser berücksichtigt nicht nur die Bioverfügbarkeit eines Proteins, sondern auch dessen Aminosäurenprofil.
Das Aminosäurenprofil
Proteine bestehen aus Aminosäuren. Einige davon kann der Körper selbst aus anderen Aminosäuren herstellen, einige andere dagegen nicht. Die Aminosäuren, die wir nicht selbst synthetisieren können, werden „essenzielle Aminosäuren“ genannt, im Englischen auch abgekürzt als EAAs bekannt.
Ein Protein wird als „komplett“ bezeichnet, wenn es proportional zu seinem gesamten Aminosäurengehalt eine ausreichende Menge jeder essenzieller Aminosäure aufweist. Der große Vorteil tierischer Eiweißquellen ist, dass die meisten von ihnen komplett sind. Ausnahmen gibt es beispielsweise bei „Beefprotein-Pulvern“. Man würde annehmen, dass diese aus dem Muskelfleisch der Tiere extrahiert wurden, doch in Wahrheit handelt es sich dabei um das Kollagen aus Bindegewebe, Haut und Knochen, welches ausgekocht getrocknet wurde.
Kollagen ist keinesfalls nutzlos. Es hat gezeigt, dass es der Gesundheit von Gelenken und Knochen zuträglich sein kann. Doch es ist kein komplettes Protein [3]. Zwar ist es reich an Glycin und Prolin, aber arm an Leucin, Isoleucin und Valin. Zudem fehlt es Kollagen völlig an der essenziellen Aminosäure Tryptophan. Auf der anderen Seite sind die meisten pflanzlichen Proteine nicht komplett, doch gemäß der oberen Tabelle sind Reis, Erbse und Soja nah dran. Reisprotein ist arm an Lysin, Soja- und Erbsenprotein mangelt es an Methionin. Durch eine geschickte Kombination können sich die Proteinquellen jedoch ausgleichen. Erbsen- und Reisprotein im Verhältnis 70:30 ergeben ein Aminosäurenprofil, welches mit dem hochwertigen Molkenprotein, auch bekannt als Whey, vergleichbar ist.
Auch wenn Reis- und Erbsenprotein in Kombination oder allein an Beliebtheit gewinnen, ist Soja wohl bisweilen die beliebteste Proteinquelle für Veganer, nicht nur in Form von Proteinpulvern, sondern auch als Tofu, Sojaschnetzel oder in anderen Fleischersatzprodukten. Auf der PDCAAS-Skala ranken Sojaprotein-Isolate zwischen einem Wert von 0,9 und 1, weshalb sie auf den ersten Blick mit jedem tierischen Protein ebenbürtig erscheinen [4]. Allerdings liegt das daran, dass die PDCAAS-Skala jeden Wert über 1 abschneidet. Andernfalls wäre ein Wheyprotein-Isolat mit 1,12 mehr als perfekt.
Ist eine hohe Proteinzufuhr schädlich für die Nieren?
Im Kraftsport und Bodybuilding gilt laut aktuellen Erkenntnissen eine Proteinzufuhr zwischen 1,6 und 2,2 Gramm je Kilogramm Körpermasse als optimal, um den Aufbau von Muskelmasse und Kraft zu maximieren [1]. Während viele Mediziner und sogenannte Ernährungsexperten in Anbetracht der von der DGE empfohlenen Aufnahmemenge von 0,8 Gramm je Kilogramm Körpermasse für Erwachsene unter 65 Jahren […]
Die Proteinqualität in der Praxis
Die PCDAAS-Skala hat die Skala der Bioverfügbarkeit verdrängt, weil sie genauer und auch relevanter ist. Sie bewertet ein Protein nicht auf Grundlage der Bioverfügbarkeit, sondern auf seinem Aminosäurenprofil und spiegelt damit die menschlichen Bedürfnisse besser wider. Sie ist besser, aber nicht perfekt. Deshalb hat die FDA bereits angekündigt, sie mit einer weiteren Methode zu ersetzen, dem Verdaubarkeits-Score der unverzichtbaren Aminosäuren (Digestible Indispensable Amino Acid Score – DIAAS).
Die beiden Skalen unterscheiden sich in dem Ort der Probenentnahme. Während der PDCAAS eines Proteins gemessen wird, indem man den Fäzes analysiert, wird die Probe zur Ermittlung des DIAAS im Ileum, dem letzten Abschnitt des Dünndarms entnommen. Mit anderen Worten: Der PDCAAS misst, wie viele Aminosäuren aufgenommen wurden, nachdem die Nahrung den Dünn- und Dickdarm durchlaufen hat, und der DIAAS, wie viele Aminosäuren am Ende der Absorption im Speisebrei des Dünndarms verbleiben.
Bei der Verdauung von Nahrung findet die Spaltung und Aufnahme der Nährstoffe durch den Körper vor allem im Dünndarm statt, bevor der restliche Speisebrei in den Dickdarm gelangt, wo die Darmflora sitzt. Die sich dort befindenden Bakterien nutzen die Reste, um ihren eigenen Stoffwechsel durchzuführen, wodurch auch Aminosäuren weiter zerlegt und umgewandelt werden. Die Mikrobiota kann also Aminosäuren und Peptide nutzen, die der Mensch selbst nicht aufgenommen hätte, weshalb der PDCAAS die Bioverfügbarkeit eines Proteins überschätzt [5]. Dieses Problem wird durch den DIAAS gelöst.
Die DIAAS-Skala zur Bewertung der Proteinqualität löst jedoch nicht das Problem, welches alle Bewertungsmaßstäbe gemeinsam haben. Auch wenn sie die Bioverfügbarkeit, das Aminosäurenprofil, die Aufnahme im Dünndarm und selbst die Glukoneogenese, Verdauungsgeschwindigkeit und den Einfluss von Training auf körpereigene Proteine wie Muskeln berücksichtigen würden, wäre es keine Repräsentation des wahren Lebens.
Der Grund dafür ist, dass diese Versuche alle Störfaktoren eliminieren müssen, sodass eine Versuchsperson immer nur eine Proteinquelle verabreicht bekommt und das in einem absolut nüchternen Zustand. Was passiert aber, wenn du mehrere Lebensmittel auf einmal isst? Beispielsweise Fleisch mit Reis. Oder verschiedene Proteinquellen über den Tag, die sich dann im Verdauungstrakt mischen? Andere Nahrungsbestandteile wie Ballaststoffe oder Antinährstoffe beeinflussen die Verdaubarkeit zusätzlich. Somit können sich diese Bewertungsmethoden der Proteinqualität immer nur auf ein einzelnes Lebensmittel beziehen, nie aber auf die gesamte Ernährung.
Hinsichtlich des Muskelaufbaus spricht sich die aktuelle Literatur auf eine optimale Proteinzufuhr zwischen 1,6 und 2,2 Gramm Eiweiß je Kilogramm Körpergewicht aus, unabhängig von der Proteinqualität. Da die Verdaubarkeit pflanzlicher Proteinquellen aufgrund des Gehaltes an Antinährstoffen wie Trypsininhibitoren oder Phytaten geringer ist und diese ebenfalls ein suboptimaleres Aminosäurenprofil aufweisen, sollten sich insbesondere Veganer am oberen Ende dieses Spektrums bewegen.
Wirklich relevant ist die Proteinqualität nur, wenn aufgrund von Knappheit oder Krankheiten lediglich sehr geringe Proteinmengen aufgenommen werden können und deshalb darauf geachtet werden muss, dass das, was gegessen wird, auch optimal verwertet werden kann. Je mehr Protein insgesamt konsumiert wird und je größer die Vielfalt der aufgenommenen Quellen, desto weniger relevant ist also die Proteinqualität.
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Primärquelle: Alex Leaf: „How can you assess protein quality?“, examine.com
Literaturquellen:
- Macfarlane, George T., and Sandra Macfarlane. „Bacteria, colonic fermentation, and gastrointestinal health.“ Journal of AOAC International 95.1 (2012): 50-60.
- MacLean, D. A., T. E. Graham, and B. Saltin. „Branched-chain amino acids augment ammonia metabolism while attenuating protein breakdown during exercise.“ American Journal of Physiology-Endocrinology And Metabolism 267.6 (1994): E1010-E1022.
- Eastoe, J. E. „The amino acid composition of mammalian collagen and gelatin.“ Biochemical Journal 61.4 (1955): 589.
- Rutherfurd, Shane M., et al. „Protein digestibility-corrected amino acid scores and digestible indispensable amino acid scores differentially describe protein quality in growing male rats.“ The Journal of Nutrition 145.2 (2015): 372-379.
- Mathai, John K., Yanhong Liu, and Hans H. Stein. „Values for digestible indispensable amino acid scores (DIAAS) for some dairy and plant proteins may better describe protein quality than values calculated using the concept for protein digestibility-corrected amino acid scores (PDCAAS).“ British Journal of Nutrition 117.4 (2017): 490-499.
- Rutherfurd, Shane M., et al. „Protein digestibility-corrected amino acid scores and digestible indispensable amino acid scores differentially describe protein quality in growing male rats.“ The Journal of Nutrition 145.2 (2015): 372-379.