Schaut man zurück auf die Anfänge des Bodybuildings und analysiert die Entwicklung der aufgebauten Körper im Verlauf der Jahre, wird man unweigerlich feststellen müssen, dass die einstigen Ideale heute wohl keine Chance mehr auf einer Bühne hätten. Der moderne Fan des Bodybuilding ist es gewohnt, Jahr für Jahr neue Monster auf der Bühne zu sehen. Wer nicht genug Masse abliefert, muss die Bühne gar nicht erst betreten. Das Volk möchte nichts sehen, was es schon gab. Das ist zu langweilig. Abweichend von den ursprünglichen ästhetischen Ansprüchen an einen Bodybuilder, wird man sich heutzutage im Wettkampf nur behaupten können, wenn man ein Freak ist. Besonders schwer ist es für Athleten, die von Natur eher klein sind. Im direkten Vergleich gehen sie gegen größere Sportler unter und werden die Anforderungen an den heutigen Mr. Olympia so nie erfüllen können. Das war aber nicht immer so.
Die Aufteilung in verschiedene Klassen – ob Classic Physique, 212 oder die Men’s Physique – macht es in der heutigen Zeit so gut wie unmöglich, kleinere Athleten dazu zu motivieren, in der offenen Klasse antreten.
Viel sinnvoller erscheint es für die Sportler, die nicht von Natur aus in die Höhe gewachsen sind, sich in Klassen zu duellieren, die neben purer Masse und Größe auch weitere Bewertungskriterien einbeziehen.
Freiwillig wagt sich im Augenblick niemand, auf einer Bühne mit einem Kai Greene oder einem Phil Heath zu stehen, wenn er zwei Köpfe kleiner ist und entsprechend optisch untergeht.
Blättert man aber ein paar Kapitel in der Geschichte zurück, gibt es gerade in der goldenen Ära des Bodybuilding den einen oder anderen Athleten, der es mit den ganz Großen aufgenommen hat.
Franco Columbo
Wahrscheinlich ist Franco nicht zuletzt durch „Pumping Iron“ einer der bekanntesten Athleten, die es geschafft haben, mit einer geringen Körpergröße riesige Erfolge zu feiern.
Der in Sardinien geborene Italiener konnte in seinen ruhmreichen Zeiten mit einer Größe von 165 Zentimetern und einem Wettkampfgewicht von 84 Kilogramm den ganz großen die Stirn bieten.
Seine ersten großen Titel erreicht er in den Jahren 1974 und 1975, als er die „Under 200lbs“ für sich entscheiden konnte.
Nachdem er schließlich im Jahr 1976 neben der „Under 200lbs“ auch den Sieg im Overall einfuhr und damit über Ken Waller und Mike Katz triumphierte, wusste man, dass Franco das Zeug hat, um „Riesen zu besiegen“.
Die Schmach für die Großen blieb kein Einzelfall. Erneut entschied der Italiener im Jahr 1981 das Overall für sich und lässt Chris Dickerson und Tom Platz hinter sich.
Neben der Optik konnte der heutige Chiropraktiker und Buchautor in seinen besten Zeiten auch mit monströsen Kraftleistungen glänzen. Seine Kraftleistungen überstiegen sogar die seines engsten Trainingspartners – Arnold Schwarzenegger.
Mit 155 Kilogramm auf der Bank und 340 Kilogramm im Kreuzheben ist der 1,65m große Sardinier ein einziges Kraftbündel.
Danny Padilla
Mit nur 1,57 Metern und einem Wettkampfgewicht von 74 Kilogramm überzeugte der leidenschaftliche Athlet in erster Linie mit einer Form, die an Proportionen und Symmetrie bis heute ihresgleichen sucht.
Danny trug den Spitznamen „The Giant Killer“ und das nicht ohne Grund. Seine große Karriere startete im Jahr 1975, als er das Overall beim „Mr. USA“ gewinnt. Zwei Jahre später dominierte er den Mr. America und sicherte sich ebenfalls den Sieg im Overall.
Seine wohl beste Form lieferte der New Yorker im Jahr 1981 ab. In dem Jahr, in dem Franco Columbo sich den Titel holte. Es gibt viele Stimmen, die behaupten, dass Danny den Sieg mehr verdient gehabt hätte und wenn man sich die Bilder des Wettkampfs ansieht, ist das durchaus verständlich.
Bis ins Jahr 2000 hat seine Leidenschaft ihn immer wieder zu Wettkampfteilnahmen bewegt. Mit 49 Jahren belegte er den zehnten Platz bei der „Mr. Olympia Masters“.
Rich Gaspari
Etwas größer als die ersten beiden Athleten, mit 1,73 Metern aber immer noch sehr klein. Das Wettkampfgewicht der amerikanischen Legende lag bei 102 Kilogramm.
Seinen Spitznamen „The Dragon Slayer“ trug Rich nicht ohne Grund. Er war bekannt für seine messerscharfe Form und seine extreme Vaskularität. In Wettkämpfen dominierte er durch extreme Definition und Schärfe.
So war Gaspari auch der erste Athlet, der jemals nachweislich mit Streifen im Gluteus auf der Bühne stand und damit die Messlatte für die Zukunft sehr hoch legte.
Außerdem konnte der heutige Geschäftsführer von „Gaspari Nutrition“ als erster Athlet die Arnold Classic für sich entscheiden.
Es gab sie also wirklich. Die Ausnahmeathleten, die sich trotz ihrer geringen Körpergröße gegen hochgewachsene Athleten beweisen konnten und damit gezeigt haben, dass Riesen bezwungen werden können. Leider wird es zu solchen Showdowns vorerst nicht mehr kommen. Den veränderten Anforderungen geschuldet, wird man lange auf jemanden warten müssen, der sich trotz fehlender Größe in der offenen Klasse behaupten will.
Dafür, das kleine Athleten die Anforderungen bei Mr. Olympia angeblich nicht erfüllen können ist Phil Heath (175m) doch relativ erfolgreich.