Die meisten Laien in der Welt der leistungssteigernden Medikamente sind sich dessen nicht bewusst, dass anabole Steroide im Grunde genommen allesamt verschiedene Versionen von Testosteron sind. Selbstverständlich gibt es Unterschiede, wie androgen sie sind (sprich wie groß der Einfluss auf die physikalischen Geschlechtsmerkmale des Mannes ist) oder wie groß ihr anaboler Effekt ist (beziehungsweise wie sehr sie sich auf den Muskelaufbau auswirken), doch letzten Endes handelt es sich mehr oder weniger um Testosteron mit anderen „chemischen Kleidungsstücken“!
Wie offensichtlich sein sollte, gibt es eine beträchtliche Menge an Athleten – für gewöhnlich Bodybuilder – die Testosteron und dessen verwandte Substanzen über einen längeren Zeitraum in hohen Dosierungen zu sich nehmen und auch Ärzte sind mittlerweile auf diese Personen aufmerksam geworden.
Die Erkenntnisse sind aber nicht wirklich gut. Gemäß einer Studie von amerikanischen Kardiologen, können große Mengen an Steroiden, die über längere Zeit konsumiert werden, dem Herzen scheinbar verheerenden Schaden zufügen. Paradoxerweise können sich aber niedrige Testosteronwerte diesbezüglich ebenfalls negativ auswirken!
Anabole Steroide bringen Muskeln zum Wachsen und das Herz ist, obwohl es sich von der Skelettmuskulatur unterscheidet, auch ein Muskel. Deshalb kann es ebenfalls zum Wachstum angespornt werden, wenn man sich leistungssteigernden Substanzen bedient.
Während sich das Wachstum des Herzens instinktiv nicht prinzipiell schlecht anhören mag, so können sich dadurch die Herzwände in größerem Ausmaß verdicken, was darin resultiert, dass sie eventuell die Biegsamkeit verlieren und nur noch schwer das Blut durch den Körper pumpen können. Man stelle sich nur einmal vor, wie schwierig es wäre, Ketchup aus einer vergleichsweise dicken Plastikflasche herauszupressen.
Zudem wurde die länger währende Verwendung von anabolen Steroiden in Zusammenhang mit koronarer Arterienverkalkung gebracht.
Amerikanische Ärzte spürten also 86 männliche Steroidkonsumenten auf, von denen alle durchschnittlich sieben Jahre die illegalen Substanzen einnahmen. Die besagten Probanden waren überzeugte Bodybuilder. Die Mediziner rekrutierten ebenfalls 54 Kraftsportler, die keine anabolen Steroide konsumierten. Daraufhin wurden die kardiovaskulären Systeme beider Gruppen analysiert und miteinander verglichen.
Im weiteren Verlauf ermittelten die Forscher sowohl wie gut das Herz der Probanden das Blut durch den Körper pumpte als auch den Grad, zu dem Plaque deren Blutgefäße befallen hatte.
Es gab vier primäre Erkenntnisse:
- Die Konsumenten anaboler Steroide zeigten eine wesentliche Beeinträchtigung der systolischen Funktion ihrer linken Herzkammer.
- Die Konsumenten anaboler Steroide zeigten ebenfalls eine Beeinträchtigung der diastolischen Funktion ihrer linken Herzkammer.
- Die Konsumenten anaboler Steroide hatten im Vergleich zu Personen, die keine leistungssteigernden Medikamente einnahmen, eine signifikant vergrößerte linke Herzkammer.
- Der Konsum anaboler Steroide wurde mit einem erhöhten Risiko für koronare Arterienverkalkung gebracht und das Ausmaß der Krankheit korrelierte mit der Länge der Einnahme. Die Menge an Plaque, die im Herzen gefunden werden konnte, soll sogar beängstigend gewesen sein.
Die Gruppe ohne Steroiderfahrung erzielte in allen Tests normale Ergebnisse. Je länger allerdings die Steroidkonsumenten die illegalen Substanzen zuführten, desto schlimmer wurde es. Trotz der Tatsache, dass die Blutgefäße in den ersten sechs bis sieben Jahren wohl nicht allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen wurden, eskalierte das Ganze in der nachfolgenden Zeit zusehends.
Wenn es etwas Gutes an dieser Studie gab, dann dass die linke Herzkammer der Probanden, die zum Zeitpunkt der Durchführung des Experiments keine Steroide konsumierten, das Blut besser aus dem Herz pumpen konnte. Das könnte darauf hindeuten, dass zumindest ein Teil der Schädigungen reversibel ist.
Es wirkt sich zwar durchaus negativ aus, wenn man größere Mengen an synthetischen Hormonen exogen zuführt, doch auch wenn die natürliche Testosteronproduktion zu gering ist, bedeutet es voraussichtlich nichts Gutes. Eine große Meta Analyse im Journal of the American Medical Association untersuchte die Ergebnisse von über 100 Studien über Testosteron und kam zu dem Schluss, dass niedrige Testosteronwerte die Herzgesundheit ebenfalls negativ beeinflussen können.
Ein derartiger Missstand manifestiert sich oftmals wie folgt:
- Höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen
- Verengung der Halsschlagadern
- Erhöhtes Vorkommen von Angina pectoris
- Anormale EKGs
- Häufigere Herzinsuffizienz
Wenn man den Berichten etwas entnehmen kann, dann wohl dass Mäßigung das clevere Mittel der Wahl ist. Solltest du dich für den Steroidkonsum entscheiden, wovon wir an dieser Stelle dringlichst abraten, dann wohl am besten für eine kürzere und vorbestimmte Zeit. Wer mit den Symptomen eines niedrigen Testosteronspiegels zu kämpfen hat, sollte einen Endokrinologen aufsuchen und dort gegebenenfalls per Blutanalyse kontrollieren lassen, ob man tatsächlich niedrige Werte aufweist. Selbst wenn man innerhalb der Referenz liegt, muss das nicht unbedingt etwas Positives bedeuten, doch ein guter Facharzt sollte sich hinlänglich mit diesem Thema auskennen!
Anabole Steroide, Wachstumshormone und ähnliche Stoffe sind entweder verschreibungspflichtig oder überhaupt nicht mehr aus einer Apotheke zu beziehen. Derartige Substanzen ohne Rezept zu erwerben oder zu besitzen ist strafbar. Zudem kann die Verwendung sowohl kurzfristige als auch dauerhafte körperliche Schäden mit sich bringen!
Quelle: t-nation.com/pharma/tip-steroids-vs-your-heart
Referenzstudien:
Aaron L. Baggish, Rory B. Weiner, Gen Kanayama, James I. Hudson, Michael T. Lu, Udo Hoffmann, Harrison G. Pope, “ Cardiovascular Toxicity of Illicit Anabolic-Androgenic Steroid Use,“ Circulation, 2017;135:1991-2002.
Rebecca Vigen, MD, MSCS1, et al., „Association of Testosterone Therapy With Mortality, Myocardial Infarction, and Stroke in Men With Low Testosterone Levels.“ JAMA. 2013;310(17):1829-1836