Vorab: Wir sind keine Befürworter des Steroidkonsums. Der durchschnittliche Studiogänger sollte in der Lage sein, mit Hilfe von intelligentem Training auch ohne Steroide gute Resultate zu erbringen. Die gesundheitlichen und auch rechtlichen Risiken werden dem Nutzen in den meisten Fällen nicht gerecht. Zumindest solange du kein Schauspieler oder Profisportler bist, bei denen große Geldbeträge auf dem Spiel stehen.
Nandrolon Decanoat, besser bekannt unter dem Markennamen Deca Durabolin oder „Deca“, ist seit jeher eines der beliebtesten anabolen Steroide im Bodybuilding. Während Generationen von Athleten aufgrund des günstigen Verhältnisses aus anaboler und androgener Wirkung auf die injizierbare Lösung zum Muskelaufbau schwören, kommt auch dieses Steroid nicht ganz ohne Nebenwirkungen aus. Neben der erhöhten Einlagerung von Wasser unter der Haut, was viele Bodybuilder insbesondere in der Aufbauphase weniger stört, kann es zum Phänomen des „Deca Dicks“ kommen.
Doch was ist das genau und wie entsteht es?
Dr. Thomas O’Connor, besser bekannt als „Anabolic Doc“, ist ein amerikanischer Arzt, der als einer der führenden Experten im Bereich anaboler Steroide betitelt wird. Seit über 20 Jahren arbeitet er in diesem Feld und soll der einzige zertifizierte Internist der USA sein, der seine Arbeit auf Männer und Frauen fokussiert, die anabole Steroide nutzen oder genutzt haben. Auf seinem YouTube Kanal behandelt er regelmäßig die Wirkungen und potenziellen Nebenwirkungen beliebter leistungssteigernder Mittel, so auch den „Deca Dick“.
Doch was genau ist das überhaupt? Nun, die wohl bildlichste Beschreibung für das Phänomen lieferte IFBB Pro Seth Feroce im dritten Teil seiner „Steroids, Drugs, and Life“ Reihe. Demnach würde man beim Liebesspiel zwar eine Erektion bekommen, doch bereits vor dem Orgasmus könne diese unwillkürlich erschlaffen. Da Thomas O’Connor in seinem Beitrag auf genaue eine Beschreibung verzichtet, blenden wir an dieser Stelle das Video des ehemaligen Wettkampfathleten der 212 Klasse ein.
Mit seinem Hintergrund als anerkannter Internist kann der Anabolic Doc jedoch weitaus mehr über die zugrundeliegenden Mechanismen dieser Potenzstörung erzählen. Das Verhältnis aus anaboler zu androgener Wirkung von Nandrolon Decanoat ist im Vergleich zum natürlichen männlichen Sexualhormon sehr hoch. Während Testosteron mit einem Wert von 1:1 den Standard vorgibt, an dem sich alle weiteren Stoffe messen lassen, bringt es Deca auf einen Wert von etwa 1:4. Das bedeutet, dass das Nandrolon-Derivat im Vergleich zu Testosteron bei gleicher anaboler Wirkung weniger vermännlichend wirkt und dadurch auch weniger Nebenwirkungen in Bezug auf Körperhaarwuchs, Ausfall des Kopfhaares oder die Vergrößerung der Prostata mit sich bringt.
Doch genau diese geringere androgene Aktivität ist es auch, die maßgeblich für den Deca Dick verantwortlich sein soll. Jedes anabole Steroid, das dem Körper von außen zugeführt wird, hemmt die körpereigene Produktion vom natürlichen männlichen Sexualhormon, dem Testosteron. Dieses ist es aber auch, das im Normalfall für eine normale Sexualfunktion und damit auch die Erektion verantwortlich ist. Im Körper wird Testosteron durch das Enzym 5-Alpha-Reduktase in Dihydrotestosteron (DHT) umgewandelt, welches besonders stark androgen wirkt und damit auch maßgeblich den Sexualtrieb steuert. Wird nun der Testosteronspiegel durch Deca gesenkt, ist die gesamte androgene Wirkung im Organismus verringert.
Als zweiten Grund für das peinliche Problem im Bett gibt Thomas O’Connor an, dass Nandrolon durch das Enzym 5-Alpha-Reduktase zu einem Molekül namens Dihydronandrolon (DHN) umgewandelt wird. Anders als beim Testosteron wird die androgene Aktivität dadurch nicht etwa gesteigert, sondern tatsächlich noch zusätzlich verringert. Das ist zwar positiv in Betracht auf androgene Nebenwirkungen, allerdings wird die männliche Libido im Zuge dessen weiter reduziert.
Auch eine dritte Begründung liefert der amerikanische Internist. Demnach habe Nandrolon Decanoat eine progesteronähnliche Wirkung im Körper. Progesteron ist eines der Hormone, die maßgeblich an der Regulation des weiblichen Menstruationszyklus beteiligt sind. Laut O’Connor hemmt diese Wirkung den Sexualtrieb des Mannes zusätzlich und ist damit ein Auslöser für die Erektionsstörung.
Um das Problem zu umgehen, wird Deca in der Regel nicht als einziges Steroid beim Mann verwendet. Durch die Kombination mit Testosteron stehen dem Organismus genügend Hormone mit höherer androgener Aktivität zur Verfügung, sodass die erektile Funktion aufrechterhalten werden kann. Klassischerweise wird dabei mindestens genauso viel, wenn nicht mehr Testosteron verwendet als vom Nandrolon-Abkömmling, wie sowohl Thomas O’Conner als auch Seth Feroce beschreiben. Weiterhin könne man Stoffe verwenden, die die Aktivität der 5-Alpha-Reduktase hemmen, um somit die Umwandlung in DHN zu umgehen.