Testosteron ist das primäre männliche Geschlechtshormon und unter anderem dafür verantwortlich dass Männern ein Bart wächst, manche von ihnen Haarausfall bekommen und sie mehr Muskelgewebe haben als Frauen. Damit ist es ein wichtiges anaboles Hormon, wenn nicht sogar das wichtigste Hormon für den Muskelaufbau. Im Alter bauen die meisten Männer an Muskulatur ab, was mit einer sinkenden Produktion dieses Hormons zusammenhängt. Naturale Athleten sind daher oft bestrebt, den körpereigenen Testosteronspiegel möglichst hoch zu treiben und dort zu halten. Neue Studienergebnisse aus Dänemark deuten allerdings darauf hin, dass das nicht-steroidale, entzündungshemmende Schmerzmittel Ibuprofen den Testosteronstoffwechsel erheblich stören kann!
Zwar produzieren Frauen ebenfalls Testosteron und benötigen es für ihren Stoffwechsel, doch steht außer Frage, dass Männer im Schnitt wesentlich mehr davon haben. Auch ist der Ort der Produktion bei Männern und Frauen unterschiedlich. Während weibliche Personen Testosteron vorrangig in den Eierstöcken produzieren, geschieht die Synthese beim Mann in den Hoden, genauer genommen in den Leydigzellen.
Die Steuerung des Testosteronspiegels ist ein kleines bisschen komplexer, als das der ein oder andere vielleicht glaubt. Um zu verstehen, warum Ibuprofen den Testosteronstoffwechsel stört, wäre dieses Wissen jedoch wichtig. Aber keine Sorge, wir erklären euch jetzt kurz wie das Ganze abläuft.
Der Körper ist bestrebt, einen gewissen Testosteronspiegel im Blut aufrecht zu erhalten. Bei jedem Menschen ist dieser „Normal-Spiegel“ unterschiedlich, bei Männern aber generell höher als bei Frauen. Als normal gilt beim Mann ein Testosterongehalt von 3,5–10 ng/ml im Serum. Im Gehirn, genauer gesagt im Hypothalamus, sitzen Rezeptoren, die ständig den Gehalt an Testosteron und anderen Hormonen im Blut messen. Sinkt der Testosteronspiegel, wird das vom Hypothalamus registriert, woraufhin er das Hormon GnRH (Gonadotophes Freisetzungshormon) ausschüttet.
Der Blutspiegel an GnRH wiederum wird in der Hypophyse registriert, die auch „Hirnanhangdrüse“ genannt wird. Ist der GnRH Spiegel hoch genug, schüttet die Hypophyse daraufhin zwei Hormone aus – das Luteinisierende Hormon (LH) und das Follikelstimulierende Hormon (FSH). Bis jetzt sind alle Schritte bei Mann und Frau identisch. Auch diese beiden Hormone schwimmen frei im Blut herum.
Die entsprechenden Rezeptoren beim Mann sitzen aber hauptsächlich in den Leydigzellen der Hoden. Kommt dort genug LH und FSH an, wird die Produktion von Testosteron angekurbelt und der Spiegel steigt. Dieser Kreislauf, umgangssprachlich auch als „Achse“ bezeichnet, wird so lange fortgeführt, bis im Hypothalamus genügend Testosteron ankommt und daraufhin die Produktion erstmal wieder gedrosselt werden kann.
Führt man beispielsweise von Außen Testosteron zu, wie es beispielsweise zu Dopingzwecken gemacht wird, kommt im Hypothalamus ständig das Signal an, dass der Testosteronspiegel zu hoch beziehungsweise hoch genug ist. Deshalb besteht nicht die Notwendigkeit, weiter Testosteron zu produzieren und die Achse wird eingestellt.
Die dänischen Forscher haben nun 31 gesunden Männern im Alter von 18 bis 35 Jahren 44 Tage lang 600 mg Ibuprofen verabreicht. Gemessen wurden unter anderem der Testosteronspiegel sowie LH und FSH. Am Ende des Studienzeitraumes war der Testosteronspiegel fast identisch mit dem vor der Studie, doch LH und FSH stiegen deutlich an. Wenn wir uns die Achse noch einmal vor Augen führen, heißt das, dass der Körper versucht, über eine erhöhte LH- und FSH-Ausschüttung den Testosteronspiegel oben zu halten. Die Forscher nehmen an, dass Ibuprofen die Funktion der Leydigzellen stört und daher mehr LH und FSH nötig sind, um die Testosteronproduktion dennoch am Laufen zu halten. Ein Marker für die Funktion dieser Zellen ist das Testosteron/LH-Verhältnis, welches am Ende der Studie um 23 Prozent höher lag als vorher. Interessant ist dabei auch, dass je mehr Ibuprofen im Blut vorhanden war, umso höher auch die Gehalte der beiden Hypophysenhormone waren. LH ist insbesondere auch für die Reifung der Spermien verantwortlich.
Zwar konnte über den Zeitraum von 44 Tagen keine signifikante Reduktion des Testosteronspiegels gezeigt werden, doch die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass der Körper mehr Mühe hat seinen Spiegel zu halten. Er muss den negativen Effekt des Ibuprofens auf die Leydigzellen durch LH und FSH kompensieren. Auf lange Sicht könnte es sein, dass der Körper diese Kompensation nicht mehr schafft und daher ein Testosteronmangel entstehen kann, so die Vermutung der Forscher. Nicht nur aus diesem Grund sollte man Schmerzmittel nur dann einsetzen, wenn es unbedingt nötig ist und dann auch nicht länger als nötig. Weniger ist in dem Fall mehr!
Quelle:
aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/urologische-krankheiten/article/956716/fertilitaetsprobleme-ibuprofen-stoert-testosteronstoffwechsel-maennern.html
Referenzstudie:
pnas.org/content/115/4/E715
Wer frisst denn 6 Wochen lang täglich 600mg Ibuprofen? (#128580#)