Wir alle kennen die Behauptungen, dass unser Stoffwechsel nach einem Training nur so auf Hochtouren läuft und wir noch Stunden nach dem Workout unzählige Kalorien verbrennen. Alles, was der abnehmwilligen Bevölkerung einen Vorteil in Sachen Fettabbau geben könnten, zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich, seien es magische Supplements, Trainingsprogramme, Diäten oder der sogenannte „Nachbrenneffekt“. Doch selten basieren diese vermeidlichen Abkürzungen auf waren Tatsachen oder haben einen tatsächlich signifikanten Effekt. Schauen wir uns heute also an, was der Nachbrenneffekt eigentlich ist und welchen Stellenwert er besitzt.
Was ist der Nachbrenneffekt
Was passiert mit einem Motor nach einer langen Autofahrt? Man muss kein Fachmann sein, um zu wissen, dass der Motor noch eine Weile warm bleibt und sich erst nach und nach abkühlt. Etwas Vergleichbares passiert mit dem Körper nach einem Training. Er verbrennt auch in der anschließenden Ruhephase noch mehr Energie. Mit wissenschaftlichem Namen bezeichnen wir diesen Nachbrenneffekt als „Excess Post Exercise Oxygen Consumption“ (EPOC) oder zu Deutsch „Erhöhter Sauerstoffverbrauch nach dem Training“. Er beschreibt die Menge an Sauerstoff, die benötigt wird, um den Körper nach der Belastung auf seinen Normalzustand zurückzubringen und zu regenerieren [1].
Die ultimative Energiequelle des Körpers stellt das Adenosintriphosphat, kurz ATP, dar. Es wird aus der aufgenommenen Energie der Makronährstoffe Kohlenhydrate, Fette, Proteine und gegebenenfalls Alkohol produziert. Dafür sind entweder aerobe Stoffwechselwege verantwortlich, die Sauerstoff benötigen, oder anaerobe Prozesse ohne Sauerstoff. Da sich bei einem anaeroben Stoffwechsel Laktat ansammelt und nur bei kurzzeitigen, hoch intensiven Belastungen auftritt, besitzt der aerobe Stoffwechsel in Ruhe eine deutlich höhere Relevanz.
Mit zunehmender Belastungsintensität nimmt folglich der anaerobe Stoffwechsel zu. Wenn daraufhin die Belastung wieder abnimmt, wird Sauerstoff dafür verwendet, das angefallene Laktat in Glukose und dann in ATP zu regenerieren. Somit ist der Verbrauch nach einem solchen Training erhöht. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb körperliche Belastung zu einer erhöhten Sauerstoffaufnahme führt.
Die vollständige Liste umfasst:
- Die Wiederherstellung der ATP-Speicher
- Die Umwandlung von Laktat zu Glukose
- Die Wiederauffüllung der Sauerstoffspeicher im Blut (Hämoglobin) und in den Muskeln (Myoglobin)
- Die Wiederherstellung der Creatin-Speicher in den Muskeln
Wie hoch ist der Nachbrenneffekt?
Ein erhöhter Kalorienverbrauch, der über die Menge hinaus geht, die das Training selbst erzeugt, klingt nach einer geeigneten Möglichkeit, auch beim Nichtstun weiterhin Fett zu verbrennen, richtig? Bezüglich der Dauer des Nachbrenneffektes kommen verschiedene Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen. Sie zeigen Werte zwischen zehn und 72 Stunden [1]. Offensichtlich wird das Phänomen also von verschiedenen Faktoren beeinflusst.
Dazu zählen:
- Art der Belastung (Cardio oder Krafttraining)
- Trainingsintensität
- Dauer der Trainingseinheit
- Muskelmasse
- Trainingsstatus
Wie viele Sätze pro Muskelgruppe und Woche sind optimal für das Muskelwachstum?
Das Thema Trainingsvolumen ist im Moment ein heiß debattiertes Feld, nicht nur unter Trainierenden, sondern tatsächlich auch in der aktuellen Trainingswissenschaft. Die Anzahl der Sätze pro Muskelgruppe und Woche wird als die wichtigste Variable in jedem Trainingsprogramm angesehen. Ihr Stellenwert ist vergleichbar mit der Kalorienzufuhr in einem Ernährungsplan, also fundamental wichtig. Doch bisher gibt es […]
Wie hoch ist der Nachbrenneffekt beim Steady-State-Cardio?
Der zu erwartende Nachbrenneffekt von Cardiotraining wird vorrangig durch seine Intensität und die Dauer beeinflusst. Mit zunehmender Intensität steigt der Verbrauch von ATP sowie die Produktion von Laktat, welche wie oben beschrieben maßgeblich zum EPOC beitragen. Eine norwegische Studie ließ die Teilnehmer bei einer Intensität von 29, 50 und 50 Prozent ihres VO2max für 80 Minuten auf einem Fahrradergometer trainieren [2].
Die Forscher beobachteten dabei den größten und längsten Nachbrenneffekt, wenn die Probanden mit der höchsten Intensität radelten. In insgesamt 10,5 Stunden nach der Einheit verbrannten die durchschnittlich 75 Kilogramm schweren Männer zusätzliche 150 Kilokalorien. Bei drei solcher Einheiten pro Woche würde man rund 450 Kilokalorien zusätzlich verbrauchen. Bei ansonsten ausgeglichener Kalorienbilanz würde dies einer Körperfettabnahme von rund 3,3 Kilogramm pro Jahr entsprechen.
Klingt nicht schlecht, aber 80 Minuten bei einer Intensität von 75% des VO2max zu radeln ist viel. Zum einen werden die wenigsten von uns täglich so viel und so intensiv Cardio betreiben und zum anderen dürften die Männer allein während dieser Einheit rund 1000 Kilokalorien allein durch das Training verbraucht haben. Nicht selten wird daher behauptet, dass hoch intensives Intervall-Training (HIIT) eine deutlich größere Wirkung auf den Nachbrenneffekt entfaltet. HIIT besteht aus abwechselnden Intervallen mit sehr hoher Intensität gefolgt von Intervallen mit niedrigerer Intensität.
Wie hoch ist der Wert beim HIIT-Cardio?
Tatsächlich ist der Einfluss von HIIT auf den Kalorienverbrauch nach dem Training höher als bei einem Cardiotraining mit gleichbleibender Intensität, aber der Unterschied erscheint unbedeutend gering. Um diesen Einfluss zu messen, teilte eine Studie ihre Probanden in zwei Gruppen ein, die beide 30 Minuten lang laufen sollten. Während die eine Hälfte durchgängig bei 70 Prozent ihres VO2max lief, führte der andere Teil der Probanden zehn Sprints bei 105 Prozent des VO2max aus, gefolgt von zwei Minuten Pause [3].
Der Nachbrenneffekt der HIIT-Gruppe betrug innerhalb von neun Stunden im Anschluss an den Lauf durchschnittlich 69 Kilokalorien, wohingegen es die andere Gruppe auf etwa die Hälfte schaffte. Das bedeutet, dass man durch drei 30-minütige HIIT-Einheiten pro Woche in etwa 200 Kilokalorien durch den Nachbrenneffekt verliert. In Anbetracht der Anstrengung während dieses Trainings erscheint die Menge verschwindend gering. Bei ansonsten ausgeglichener Kalorienbilanz würde dies einer Körperfettabnahme von rund 1,5 Kilogramm pro Jahr entsprechen.
Was sind Kalorien, wie entstehen sie und was machen sie in unserem Körper?
Wie die meisten von uns sicherlich wissen, stellen Kalorien eine Einheit dar, in der Wärmeenergie gemessen wird. Laut Definition ist eine Kilokalorie die Energiemenge, die nötig ist, um einen Liter Wasser um ein Grad Celsius zu erwärmen. Wir verwenden den Terminus umgangssprachlich jedoch eher zur Bemessung, wie viel Energie wir unserem Körper über die Nahrung […]
Wie hoch ist der Wert beim Krafttraining?
Wie beim Cardio auch hängt der Nachbrenneffekt beim Krafttraining von der Art der Belastung und dem Trainingsstatus des Athleten ab. Studien zeigen, dass die Dauer des Phänomens nach dem tendenziell anaeroben Training mit Gewichten im Vergleich zum Cardio deutlich länger ist. Werte zwischen 15 und 38 Stunden wurden gemessen. Die zusätzliche Steigerung des Grundumsatzes beträgt dabei rund 15 Prozent des Energieverbrauches während des Trainings [4].
Wie wir aus aktuellen Untersuchungen wissen, bringt es eine starke Person mit einem hohen Trainingsvolumen auf etwa 500 Kilokalorien pro Trainingseinheit [5]. Somit wäre mit einem Nachbrenneffekt von insgesamt rund 75 Kilokalorien zu rechnen. In der genannten Studie wurde ein Wert von durchschnittlich 7,43 Kilokalorien innerhalb der ersten 30 Minuten nach dem Training gemessen, was zwar statistisch signifikant, doch in Bezug auf die Praxis bedeutungslos ist.
Wenn wir davon ausgehen, dass ein ernsthaft trainierender Athlet fünf Trainingseinheiten pro Woche mit hohem Volumen durchführt, können wir etwa mit einem Wert von 375 Kilokalorien pro Woche rechnen. Bei ansonsten ausgeglichener Kalorienbilanz würde dies einer Körperfettabnahme von rund 2,8 Kilogramm pro Jahr entsprechen.
Der Nachbrenneffekt in der Praxis
Aus den vorliegenden Ergebnissen können wir festhalten, dass der Nachbrenneffekt hauptsächlich durch die Dauer, Art und Intensität des Trainings beeinflusst wird. Bei einem normalgewichtigen, ambitionierten Athleten mit einem Trainingspensum von fünfmal Krafttraining und dreimal 30 Minuten Steady-State-Cardio pro Woche ergibt sich ein durchschnittlicher Wert von zusätzlichen rund 500 Kilokalorien. Über ein Jahr hinweg würde sich so bei ansonsten ausgeglichener Kalorienbilanz eine Körperfettabnahme von rund 3,7 Kilogramm ergeben.
In der Praxis ist das jedoch recht irrelevant, da der Nachbrenneffekt zum größten Teil die Sauerstoffschuld darstellt, die durch das Training selbst hervorgerufen wird. Das bedeutet, dass wir die Kalorien, die dem Nachbrenneffekt entsprechen, bereits im Training aus unseren Reserven gezogen haben, da zwischenzeitlich nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung stand. Wenn wir bei unserer Analogie vom Beginn dieses Artikels bleiben, würden wir unser Auto nach der langen Fahrt lediglich wieder auftanken, um den Kraftstoff zu kompensieren, den der Motor für die Fortbewegung verbraucht hat. Dadurch verbraucht der warme Motor jedoch nicht mehr Sprit. Die Grafik weiter oben macht dies relativ gut deutlich.
Ein zusätzlicher Kalorienverbrauch kommt dagegen durch die Stoffwechselprozesse zustande, die für die Umwandlung von Laktat in Glukose verantwortlich sind, doch diese Menge ist gering. Anders sieht es wiederum bei der Energie aus, die unser Organismus für die Reparatur und den Aufbau von Muskelgewebe benötigt. Dies ist jedoch besonders vom Trainingsstatus, dem Grad der Muskelschäden, der Kalorienbilanz, der Rate der Muskelproteinsynthese sowie Volumen und Intensität des Trainings abhängig und wird im Nachbrenneffekt nicht mit einbezogen.
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Literaturquellen:
- Børsheim, Elisabet, and Roald Bahr. „Effect of exercise intensity, duration and mode on post-exercise oxygen consumption.“ Sports medicine 33.14 (2003): 1037-1060.
- Bahr, Roald, and Ole M. Sejersted. „Effect of intensity of exercise on excess postexercise O2 consumption.“ Metabolism 40.8 (1991): 836-841.
- Laforgia, Joseph, et al. „Comparison of energy expenditure elevations after submaximal and supramaximal running.“ Journal of Applied Physiology 82.2 (1997): 661-666.
- Laforgia, Joseph, Robert T. Withers, and Christopher John Gore. „Effects of exercise intensity and duration on the excess post-exercise oxygen consumption.“ Journal of sports sciences 24.12 (2006): 1247-1264.
- Lytle JR, Kravits DM, Martin SE, Green JS, Crouse SF, Lambert BS. Predicting Energy Expenditure of an Acute Resistance Exercise. Med Sci Sports Exerc. 2019 Feb 13.