Es ist die Zeit der guten Vorsätze und viele von uns nehmen sich für das bevorstehende Jahr viele Dinge vor. Die Erfahrung zeigt uns jedoch, dass es den wenigsten gelingt, langfristig an den Zielen zu arbeiten. Oftmals lautet die Ausrede dann, dass man einfach nicht das Zeug dazu hat beziehungsweise die Genetik einen Strich durch die Rechnung macht. Eventuell ist es aber viel mehr das Mindset, mit dem man an die Sacher herangeht. Eine aktuelle Studie fand nun heraus, wie sehr die Erwartungshaltung an die eigenen Erbanlagen die Ergebnisse im Gym beeinflussen kann.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Firmen auf dem Markt, die Gentests für jedermann anbieten und sie erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Man schickt einfach eine Speichelprobe ins Labor und innerhalb von ein paar Tagen bekommt man die Ergebnisse gemeinsam mit einer Handvoll Trainings- und Ernährungsempfehlungen in sein E-Mail-Postfach geliefert. Da sich die genetischen Codes für all die Proteine, die uns Menschen individuell machen, von Person zu Person unterscheiden, erscheint es nur allzu verständlich, dass die Leute einen Einblick in ihre ganz eigene Physiologie gewinnen möchten. Trotz dessen kann selbst ein kleines bisschen Wissen gefährlich sein und deine Erwartungshaltung dir selbst gegenüber beeinflussen.
Die Studie
In einem aktuellen Review aus zwei Studien, die zusammen 233 Personen umfassten, wurde er Einfluss dieser Erwartungshaltung auf die Ergebnisse im Gym überprüft [1]. Beide Untersuchungen teilten ihre Teilnehmer in zwei Gruppen ein und sagten einer von ihnen, sie hätte eine „gute“ oder eine „schlechte“ Version der beiden Gene CREB1 und FTO. Während das zuerst genannte Gen ein Allel darstellt, welches die aerobe Leistungsfähigkeit beeinflusst, steuert FTO den Hunger, die Sättigung und das Risiko für Diabetes.
#sciencebased? – Das ist das Problem mit wissenschaftlichen Studien!
Science hier, evidenzbasiert da. Die Fülle an Informationen, die uns so mancher Influencer aus der wissenschaftlichen Literatur übermitteln will, können für viel Verwirrung sorgen und sind teilweise sogar widersprüchlich. In vielen Fällen scheint es, als würde die Forschung all die Prinzipien anfechten, die sich in Jahrzehnten der natürlichen Evolution des Sports herauskristallisiert haben. Somit passiert […]
Wichtig hervorzuheben ist, dass die Teilnehmer nicht darüber informiert wurden, welche Genvariante sie tatsächlich besaßen. Der Hälfte der Personen, die tatsächlich „gute“ Gene hatten, sagte man, dass sie die „schlechte“ Variante hätten und andersherum sagte man der Hälfte der Teilnehmer mit in Wirklichkeit „schlechten“ Genen, dass ihre Erbanlagen „gut“ seien. In der ersten Studie ließ man die Probanden einen aeroben Leistungstest durchführen, bevor man sie darüber informierte, welche Variante des CREB1-Gens sie besitzen würden. Anschließend ließ man sie den gleichen Test noch einmal durchführen. Die zweite Studie besaß im Grunde denselben Aufbau, doch wurde hier das FTO-Gen anhand der Sättigung in Reaktion auf eine standardisierte Mahlzeit untersucht.
Beide Experimente zeigten klare Unterschiede zwischen den Konditionen. Die Probanden, denen man sagte, sie hätten „schlechte“ Versionen des CREB-Gens, schnitten im zweiten Test durchschnittlich schlechter ab als im ersten. Sie wiesen eine geringere Austauschrate zwischen Kohlendioxid und Sauerstoff (CO2:02), eine niedrigere maximale Atemflussrate sowie eine geringere Zeit bis zur Erschöpfung im Rahmen des Belastungstests auf. In der Gruppe, der gesagt wurde, sie hätt eine „gute“ Version des Gens, gab es in diesen Parametern keine signifikanten Änderungen. Allerdings gaben die Teilnehmer dieser Gruppe an, einen langsameren Anstieg der wahrgenommenen Ermüdung während des zweiten Tests bemerkt zu haben und es dauerte deutlich länger, bis sie angaben, dass ihnen heiß wird.
Im zweiten Experiment führte die Information über eine „schlechte“ Variante des FTO-Gens zu keiner Verringerung des Sättigungshormons GLP-1 oder in der wahrgenommenen Sättigung, die die Teilnehmer berichteten. In der Gruppe, der man sagte, sie hätten eine „gute“ genetische Ausstattung, stieg dagegen sowohl GLP-1 als auch die wahrgenommene Sättigung deutlich an. Interessanterweise veränderte sich ein anderer Marker für den Hunger, das Acyl-Ghrelin, in keiner der Gruppen signifikant. Trotzdem konnte eine signifikante Reduktion dieses Hormons in den Personen beobachtet werden, die tatsächlich „gute“ Gene hatten, wohingegen bei den Teilnehmern, die in Wahrheit „schlechte“ Gene aufwiesen, eine Steigerung stattfand.
Auffallend ist, dass allein der Glaube daran, eine „gute“ oder „schlechte“ Version eines Gens zu besitzen, verschiedene Parameter beeinflusste – sowohl subjektiv als auch objektiv. Die Teilnehmer, die dachten, sie hätten „schlechte“ Gene, schnitten in einigen Messgrößen auch schlechter ab, obwohl nur die Hälfte von ihnen tatsächlich eine weniger vorteilhafte Variante besaß. Andersherum schnitten Teilnehmer besser ab, die glaubten, eine günstige Variante eines Gens zu besitzen, obwohl dies auch hier nur bei der Hälfte der Teilnehmer der Fall war.
Interpretation der Daten
Das Review der beiden Untersuchungen ist aus zwei verschiedenen Gründen interessant und bemerkenswert. Zum einen adressiert es das spezielle Problem von Empfehlungen basierend auf genetischen Tests, zum anderen wird das generelle Problem der individuellen Erwartungshaltung untersucht.
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Gentests erfahren gerade in den USA einen besonderen Aufschwung im Rahmen der „Quantified Self“ Community, in der die Menschen versuchen, ihren Körper mehr und mehr messbar zu machen, um somit das Beste aus ihm herausholen zu können. Hier bei uns sind Fitness- oder auch Schlaftracker ebenfalls schon längst angekommen, wohingegen Gentests zwar verfügbar sind, sich jedoch noch nicht ganz so weitreichender Bekanntschaft erfreuen. Die Idee, mehr und mehr über seine eigene Physiologie zu erfahren, klingt in den Ohren der meisten Menschen sicherlich extrem reizvoll und aufregend. Dennoch könnte es in manchen Fällen eventuell mehr Schaden anrichten, so viel über sich selbst zu wissen.
Wie man in den Ergebnissen dieser Untersuchungen sieht, kann der Glaube oder das Wissen um eine vorteilhafte genetischen Ausstattung für ein Merkmal die geleisteten Resultate beeinflussen. Es scheint einfacher, sich mehr Mühe bei einer Sache zu geben, wenn man weiß, dass man bessere Chancen auf Erfolg hat. Im Gegensatz dazu kann der Glaube an eine unvorteilhaftere Genausstattung aufgrund von Demotivation zu schlechteren Ergebnissen führen. Eine Studie an Elite-Sportlern fand heraus, dass etwa 50 Prozent von ihnen eine „schlechte“ Kopie des ACTN3 Gens aufwiesen, welches über den sportlichen Erfolg mitbestimmt [2].
ACTN3: Dieses Gen bestimmt deinen Muskelaufbau!
Die Art der Muskelfasern, die du hast, wird zu einem großen Teil durch das Alpha-Actinin 3 (ACTN3) Gen reguliert. Nicht nur der dominantere Typ von Muskelfasern (Typ I oder II), sondern auch die verschiedenen Qualitäten der Gewebe selbst – wie gut es mit Muskelschäden umgeht, wie stark mTOR aktiviert wird, seine Kapazität, Sauerstoff zu verwenden […]
Zumindest für die Optimisten unter uns könnte Ignoranz der Schlüssel zum Erfolg sein. Wenn du sich selbst davon überzeugen kannst, eine gute Veranlagung für dein Ziel zu haben und dem Drang widerstehst herauszufinden, ob es tatsächlich so ist, bist du wahrscheinlich besser dran, als würdest du deine Gene testen lassen und herausfinden, dass du womöglich keine guten Vorraussetzungen besitzt.
Weiterhin sollte man beachten, dass die Gentests, die man für relativ wenig Geld im Internet bestellen kann, weit weniger Aussagekraft besitzen, als man erwarten würde. In manchen Fällen haben einzelne Gene einen großen Einfluss auf deinen Phänotypen. Mutationen isolierter Allele sind Grund für Erkrankungen wie Sichelzellanämie oder Mukoviszidose. Aber in den meisten Fällen sagen die Formen einzelner DNA-Abschnitte in Isolation betrachtet relativ wenig aus. FTO ist beispielsweise das Gen, welches beim Menschen bisher am stärksten mit dem Auftreten von Fettleibigkeit in Verbindung gebracht wird. Aber wie hoch ist der unabhängige Effekt einer „schlechten“ Version dieses Allels tatsächlich? Die Antwort lautet 0,3 BMI-Punkte, was bei einem durchschnittlichen Menschen einem Gewicht von einem Kilogramm mehr auf der Waage entspricht [3].
Weiterhin scheint eine weniger vorteilhafte Version von FTO nicht den Erfolg einer Reduktionsdiät zu beeinträchtigen, da die meisten Merkmale, über die wir uns Gedanken machen, polygenetisch sind, das heißt von vielen verschiedenen Genen beeinflusst werden [4]. Das Wissen über die Qualität einer Handvoll Gene in unserem Körper, wie es ein solcher Test zutage fördert, sagt also relativ wenig über unseren Erfolg aus. Im Jahre 2011 kannten wir beispielsweise mindestens 22 Gene, die den Aufbau von Muskelmasse und Kraft beeinflussen [5]. Das Wissen über ACTN3 allein lässt den Großteil von ihnen im Dunkeln.
Die Erwartungshaltung kann dementsprechend einen messbaren Einfluss auf deinen Körper nehmen. In einer Studie beispielsweise tranken die Teilnehmer einen Milchshake, der in Wahrheit 380 Kilokalorien enthielt [6]. Allerdings versahen die Forscher die Getränke der beiden Gruppen mit verschiedenen Beschriftungen. Während die Shakes der einen Hälfte der Probanden mit 680 Kilokalorien beschriftet und als „köstlich“ und „vollmundig“ beschrieben wurden, ließ man die andere Gruppe glauben, der Shake würde lediglich 140 Kilokalorien enthalten und sei eine figurbewusste Wahl. Nachdem die Teilnehmer ihre Gläser geleert hatten, maß man ihren Ghrelinspiegel, ein Hormon, welches den Hunger steigert, und fragte sie, wie gesättigt sie sich fühlten.
In einer weiteren Studie, die diese Beobachtung untermauert, rekrutierten die Forscher 15 erfahrene Kraftsportler und ließen sie sieben Wochen lang trainieren [7]. Die Forscher sagten ihren Testpersonen, dass diejenigen, die am Ende die besten Fortschritte aufweisen können, kostenlose Steroide bekommen würden. In diesem Zeitraum steigerten sich die Teilnehmer im Bankdrücken, der Military Press, dem sitzenden Überkopfdrücken und der Kniebeuge zusammengerechnet im Schnitt um etwa zehn Kilogramm. Anschließend wurden sechs von ihnen ausgewählt, um am zweiten Teil der Untersuchung teilzunehmen, in dem man ihnen täglich eine Tablette verabreichte und behauptete, sie würde zehn Milligramm Dianabol enthalten. In Wahrheit enthielten die Pillen jedoch keinerlei Wirkstoffe.
In den weiteren vier Wochen steigerten sich die Teilnehmer in den genannten vier Übungen zusammengerechnet im Schnitt um weitere 45 Kilogramm, was bedeutet, dass die Rate der Kraftsteigerung um etwas das Achtfache anstieg, nur weil sie dachten, sie würden Steroide konsumieren und daher mit einer anderen Erwartungshaltung an das Training herangehen. Diese Studie ist ein wirklich beeindruckendes Beispiel, um die Kernaussage dieses Artikel zu untermauern: Die Erwartungshaltung beeinflusst die Ergebnisse!
Fazit und Zusammenfassung
Obwohl Gentests für den Hausgebrauch auch hierzulande immer beliebter werden, könnte es riskant sein, sich dieser Verführung hinzugeben. Solltest du dabei herausfinden, dass deine Erbanlagen vorteilhaft für deine Trainingsergebnisse sein sollen, werden sich deine Resultate dadurch wahrscheinlich verbessern. Auf der anderen Seite könnten sie dich demotivieren und dazu führen, dass du aufgrund dieses Wissens nie dein volles Potenzial ausschöpfst, sollte der Test ergeben, dass deine DNA weniger vorteilhaft ist. Weiterhin analysieren diese Tests nicht genügend Gene, die relevant für deinen Muskel- und Kraftaufbau sind, weshalb sie schon von vornherein wenig Nutzen haben. Daher könnte es die beste Strategie für dich sein, mit einer möglichst positiven Erwartungshaltung an deine Gene zu trainieren und einfach anzunehmen, du seist mit guten Erbanlagen gesegnet. Alternativ könntest du dagegen auch ein paar Tic-Tacs einwerfen und annehmen, es seien Steroide.
Cremig, kräftig, lecker
Primärquelle:
strongerbyscience.com/genetics-expectations
Literaturquellen:
- Turnwald, Bradley P., et al. „Learning one’s genetic risk changes physiology independent of actual genetic risk.“ Nature human behaviour 3.1 (2019): 48.
- Yang, Nan, et al. „ACTN3 genotype is associated with human elite athletic performance.“ The American Journal of Human Genetics 73.3 (2003): 627-631.
- Qi, Qibin, et al. „FTO genetic variants, dietary intake and body mass index: insights from 177 330 individuals.“ Human molecular genetics 23.25 (2014): 6961-6972.
- Livingstone, Katherine M., et al. „FTO genotype and weight loss: systematic review and meta-analysis of 9563 individual participant data from eight randomised controlled trials.“ bmj 354 (2016): i4707.
- Hughes, David C., et al. „Genetics of muscle strength and power: polygenic profile similarity limits skeletal muscle performance.“ Journal of sports sciences 29.13 (2011): 1425-1434.
- Crum, Alia J., et al. „Mind over milkshakes: mindsets, not just nutrients, determine ghrelin response.“ Health Psychology 30.4 (2011): 424.
- Ariel, Gideon, and WILLIAM SAVILLE. „Anabolic steroids: the physiological effects of placebos.“ Medicine and Science in Sports 4.2 (1972): 124-126.