Die Regeneration stellt für den Muskelaufbau einen essenziellen Faktor dar, der neben Training und Ernährung jedoch häufig vernachlässigt wird. Schon oft haben wir über ihren essenziellen Stellenwert gesprochen, wenn es darum geht, Muskelmasse und Kraft aufzubauen sowie Körperfett zu verlieren. Allerdings stellt dieser Faktor aufgrund seiner Passivität für viele eher ein langweiliges Thema dar. Immerhin ist es nicht gerade sehr spannend, mehr Zeit in seinen Schlaf und die Erholung zu investieren. Einige aktive Mechanismen können dennoch dabei helfen, die Zeit der muskulären Adaptation zu beschleunigen, Schmerzen loszuwerden oder die Leistung zu verbessern. Massagepistolen werden in diesem Zusammenhang als sinnvolles Tool vermarktet.
In einigen unserer Artikel zum Thema Regeneration haben wir bereits über Massagen gesprochen. Sie gehören in vielen Profisportarten zum Tagesablauf der Athleten dazu wie das Training selbst. Ein aktuelles Review, welches die besten Strategien gegen Muskelkater und für eine bessere Regeneration verglich, kam zu dem Schluss, dass Massagen nicht nur die beste Maßnahme sind, um den Muskelkater nach einem Training zu bekämpfen, sondern auch die Regeneration und damit den Muskelaufbau zu fördern [1]. Allerdings sind regelmäßige Massagen nicht für jedermann erschwinglich, weshalb sich die Frage stellt, ob wir den Effekt beispielsweise durch die Verwendung von Massagepistolen nachahmen können.
Was sind Massagepistolen?
Massagepistolen gibt es schon seit rund einem Jahrzehnt auf dem Markt. Dank modernem Design und Marketing haben sie jedoch besonders in den letzten Jahren einen wahren Aufschwung erlebt. Sie bestehen im Grunde aus einem Motor, einem Akku und einem meist wechselbaren Aufsatz, mit dem man sie auf die jeweilige Muskelgruppe einwirkt. Durch Klopfen, Hämmern und Rütteln in unterschiedlichen Intensitäten und mit verschiedenen Aufsätzen sollen sie so die zeit- und kostenintensive Arbeit einer therapeutischen Massage nachahmen.
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Welche Vorteile haben Massagepistolen?
Trotz ihrer Beliebtheit haben sich bisher nur wenige Studien mit der Effektivität von Massagepistolen beschäftigt. Eine von ihnen stammt aus dem Jahre 2018 und untersuchte den Einfluss der Gerätschaft auf den Muskelkater von Athleten [2]. Die Forscher unterzogen die Sportler einer Reihe von Tests, um Körperhaltung, Gleichgewicht und subjektiv wahrgenommenen Muskelkater zu messen. Weiterhin wurden ihnen Blutproben entnommen, um darin Marker für Muskelschäden zu analysieren. Anschließend mussten sie ein exzentrisches Beintraining ausführen, welches dafür designed war, so viel Muskelschäden und somit Muskelkater wie möglich auszulösen.
Anschließend wurden die Sportler in zwei Gruppen eingeteilt:
- Massagepistolen-Gruppe: 15 Minuten Therapie mit einer Massagepistole direkt nach dem Training sowie 24 und 48 Stunden später
- Kontrollgruppe: Keine Therapie
Die angesprochenen Tests und Blutanalysen wurden jeweils direkt nach dem Training, nach der ersten Therapie sowie 24, 48 und 72 Stunden nach dem Training wiederholt, um zu sehen, welche Gruppe sich schneller von dem Training erholte. Dabei beobachtete man, dass die Massagepistolen-Gruppe nach 24 Stunden 33 Prozent weniger Muskelkater aufwies als die Kontrollgruppe. Nach zwei vollen Tagen waren es bereits 43 Prozent und zum letzten Test nach drei Tagen 50 Prozent weniger Muskelkater gegenüber der Kontrollgruppe. Ebenfalls konnte man beobachten, dass die Kontrollgruppe im Vergleich zur Interventionsgruppe eine signifikante Veränderung der Körperhaltung und Biomechanik aufwies, welche wiederum ein Anzeichen für eine Schonhaltung aufgrund der Muskelschmerzen ist.
Eine weitere Untersuchung an körperlich aktiven Männern kam zu ähnlichen Ergebnissen nach einem anstrengenden Training des Bizeps [3]. In diesem Fall erhielten die Probanden eine 15-minütliche Therapie nach dem Training mit einer vibrierenden Manschette sowie nach einem, zwei und drei Tagen im Anschluss ans Workout. Die Forscher verwendeten hier ein sehr cleveres Studien-Design, indem jeder Teilnehmer seine eigene Kontrolle darstellte. Sie trainierten zwar beide Arme gleich, doch erhielt nur einer der Arme die Therapie. Das Prozedere wurde im Abstand von zwei Wochen wiederholt und der Arm getauscht.
Vor sowie nach jedem Training erfragten die Forscher den Grad des Muskelkaters und analysierten den Bewegungsradius, die Kraft sowie den Gehalt von Kreatinkinase im Blut, welches einen Marker für Muskelschäden darstellt. Man beobachtete, dass die Massagetherapie nach einem Tag nur zu einem geringfügigen Rückgang des Muskelkaters gegenüber der Kontrolle führte. Allerdings erreichte der Unterschied nach jeweils zwei und drei Tagen ein statistisch signifikantes Ausmaß. Weiterhin reduzierte die Therapie den Kreatinkinase-Spiegel und verbesserte den Bewegungsradius schneller als die Kontrolle. Dennoch konnte kein statistisch signifikanter Unterschied in der Regeneration der Muskelkraft festgestellt werden.
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Während die beiden Studien überzeugend klingen, sollten wir nicht zu vorschnell urteilen. Mit 30 und 13 Probanden umfassten sie nur eine relativ geringe Teilnehmerzahl und mit drei Tagen auch nur eine geringe Dauer. Es ist möglich, dass größere und längere Studien zu weniger imposanten Ergebnissen kommen, zumal es in diesen Studien auch unmöglich ist, ein Placebo anzuwenden. Die Probanden wussten, ob die eine Massage-Therapie erhalten haben beziehungsweise an welchem Arm und könnten somit über eine stärkere Reduktion des Muskelkaters berichtet haben, als es tatsächlich der Fall war. Ebenfalls wurde nur in einer der beiden Studien von Massagepistolen Gebrauch gemacht.
Zwar ist die Datenlage zu Massagepistolen als solches bisher sehr dünn besiedelt, doch verwenden sie eine Technik, die schon länger untersucht wird. Der Begriff Tapotement leitet sich von „tapping movement“, zu Deutsch klopfende Bewegung, ab und wird von einigen Therapeuten für Sportmassage praktiziert. 2011 beobachtete eine Studie, dass fünf Minuten dieser Therapie die Agilität von Athleten im Vergleich zu passiver Ruhe signifikant verbessern [5]. In diesem Fall stellten sich zwei Minuten im Vergleich zu einer fünfminütigen Therapie sogar als effektiver heraus, was darauf hindeutet, dass eine höhere Dosis beziehungsweise Dauer nicht zwangsweise besser ist. Dies könnte daher auch auf Massagepistolen zutreffen.
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Sollten Massagepistolen gewisse Vorteile liefern, ist es schwer festzumachen, worauf diese genau zurückzuführen sind. Ist es der Druck, die Vibration, die Vor- und Zurückbewegung oder eine Kombination aus den genannten? Mit dieser Frage hat sich auch eine Gruppe Forscher befasst und dafür 24 Hobbysportler untersucht [6]. Nach einem Warmup sollten sie so viele Ausfallschritte machen, wie sie konnten.
Anschließend teilten sie die Forscher in drei Gruppen ein:
- Selbsttherapie eines Beines mit Muskelkater mithilfe einer normalen Faszienrolle für zwei Runden à 60 Sekunden pro Muskelgruppe und 30 Sekunden Pause zwischen den Runden.
- Selbsttherapie eines Beines mit Muskelkater mithilfe einer vibrierenden Faszienrolle für zwei Runden à 60 Sekunden pro Muskelgruppe und 30 Sekunden Pause zwischen den Runden.
- Kontrolle ohne therapeutische Maßnahme
Jeder Teilnehmer absolvierte das Training insgesamt drei Mal und wurde dafür von den Forschern jedes Mal einer anderen Gruppe zugeteilt, sodass von jedem Teilnehmer anschließend Daten zu jeder Behandlung zur Verfügung standen. Die Therapien mit einer der beiden Faszienrollen verbesserten die Mobilität und Stabilität stärker als das Auslassen der Behandlung. Allerdings stellte sich heraus, dass die vibrierende Rolle nicht besser abschnitt als die normale Faszienrolle. Dies deutet darauf hin, dass Vibration wahrscheinlich nicht der ausschlaggebende Punkt für die Effekte von Massagepistolen und anderen Regenerationstechniken ist, sondern wahrscheinlich eher der generelle Druck, mit dem sie arbeiten.
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Interpretation der Daten
Leider haben wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht viel mehr Daten zur Verfügung, um den Effekt von Massagepistolen zu bewerten. Ein übergreifendes Problem bei dieser Bewertung haben wir bereits angesprochen. Es ist nahezu unmöglich zu unterscheiden, welcher Effekt der Therapie selbst zuzuschreiben ist und welcher dem Placebo-Effekt. Man kann schließlich kein Gerät anwenden, welches gleich aussieht und sich gleich anfühlt, allerdings im Vergleich zur Intervention keinen physiologischen Effekt auf den Körper hat. Die Probanden könnten allein dadurch, dass es sich besser angefühlt hat, als nichts zu unternehmen, über eine Verbesserung berichtet haben und auch einen größeren Bewegungsradius zugelassen oder eine höhere Schmerztoleranz aufgewiesen haben.
Ein weiterer Punkt, der darüber entscheidet, ob die Anschaffung einer Massagepistole das Richtige für jemanden ist, stellt die Tatsache dar, dass Hersteller und Influencer oftmals pseudowissenschaftliche Gründe für die Wirksamkeit der Geräte angeben. Beispielsweise wurde behauptet, Massagepistolen würden die Verletzungsgefahr senken, da sie den Blutfluss steigern und verhärtete Muskeln lockern. Tatsächlich konnten diese Effekte jedoch selbst bei professionellen Sportmassagen nicht nachgewiesen werden [7, 8].
Das bedeutet jedoch nicht, dass Massagepistolen nutzlos sind. Allein wenn sie zu mehr Wohlbefinden verhelfen, können sie für den einen oder anderen sicherlich eine lohnenswerte Investition darstellen. Man sollte aber nicht erwarten, dass man durch den Gebrauch die Regeneration so sehr steigert, dass man davon direkt einen spürbar beschleunigten Muskelaufbau erfährt.
Fazit und Zusammenfassung
Die Datenlage über die Wirksamkeit von Massagepistolen und ähnlichen Regenerationswerkzeugen ist zwar vielversprechend, allerdings bisweilen noch sehr spärlich besiedelt. Daher ist eine Aussage über ihre positiven Effekte spekulativ. Zwar werden sie von den Herstellern damit beworben, dass sie die Regeneration und Mobilität verbessern sowie den Muskelkater reduzieren, doch gibt es nur sehr wenige Studien, die diese Auswirkungen stützen.
Insgesamt deuten die Daten darauf hin, dass der Gebrauch von Massagepistolen die körperliche Leistung nicht maßgeblich steigert. Allerdings könnten sie eventuell das Wohlbefinden steigern und die generelle Sicht auf den sonst sehr passiven Faktor der Regeneration fördern. Einen ausreichenden und erholsamen Nachtschlaf oder eine regenerationsfördernde Ernährungsweise können sie in jedem Fall aber nicht ersetzen. Möglicherweise werden in Zukunft noch weitere Studien zum Stellenwert von Massagepistolen durchgeführt. Sollten dabei neue Erkenntnisse zutage kommen, werden wir euch davon berichten.
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Primärquelle: Armistead Legge: „The Beginner’s Guide to Massage Guns (2020)“, www.legionathletics.com
Literaturquellen:
- Dupuy O, Douzi W, Theurot D, Bosquet L, Dugué B. An Evidence-Based Approach for Choosing Post-exercise Recovery Techniques to Reduce Markers of Muscle Damage, Soreness, Fatigue, and Inflammation: A Systematic Review With Meta-Analysis. Front Physiol. 2018 Apr 26;9:403. doi: 10.3389/fphys.2018.00403.
- Iodice, Pierpaolo, P. Ripari, and G. Pezzulo. „Local high-frequency vibration therapy following eccentric exercises reduces muscle soreness perception and posture alterations in elite athletes.“ European Journal of Applied Physiology 119.2 (2019): 539-549.
- Cochrane, Darryl J. „Effectiveness of using wearable vibration therapy to alleviate muscle soreness.“ European journal of applied physiology 117.3 (2017): 501-509.
- Cochrane, Darryl J. „Effectiveness of using wearable vibration therapy to alleviate muscle soreness.“ European journal of applied physiology 117.3 (2017): 501-509.
- Trachonitis, Costantinos Dan. „A Quantative Investigation on the Effects of Tapotement (Sports Massage) on Physical Performance (Agility T-Test).“ (2011).
- De Benito, Ana María, et al. „Effect of vibration vs non-vibration foam rolling techniques on flexibility, dynamic balance and perceived joint stability after fatigue.“ PeerJ 7 (2019): e8000.
- Shin, Mal-Soon, and Yun-Hee Sung. „Effects of massage on muscular strength and proprioception after exercise-induced muscle damage.“ The Journal of Strength & Conditioning Research 29.8 (2015): 2255-2260.
- Weerapong, Pornratshanee, Patria A. Hume, and Gregory S. Kolt. „The mechanisms of massage and effects on performance, muscle recovery and injury prevention.“ Sports medicine 35.3 (2005): 235-256.
Ihr müsst die Massagepistole mal an euren Schniedel halten. Ist auch recht angenehm.
just lol xD