Der Vergleich zwischen den gegenwärtigen Bodybuildern und der Elite der vergangenen Ära ist ein beliebtes Format unter Fitnessinfluencern. Mit Tim Gabel hat sich jetzt ein Urgestein der Szene der Konfrontation mit der nachrückenden Generation gestellt. Auf dem YouTube-Kanal von Paul Unterleitner kam es so zu einer interessanten Zeitreise durch das naturale Bodybuilding.
Was macht Tim Gabel heute?
Tim Gabel zählte in den Anfangsjahren der deutschen Fitness-YouTuber-Szene zu den absoluten Größen. Als Bestandteil der Gym Aesthetic Crew brachte er es bereits mit 18 Jahren zu großer Bekanntheit. Die Truppe sollte später bekanntlich im Streit auseinandergehen. Tim, von schweren Verletzungen geplagt, zog sich schließlich ganz aus dem Bodybuilding zurück. Auf der Bühne hat der Stuttgarter mit der Ausnahmegenetik nie gestanden.
Heute ist Tim Gabel in den für ehemalige Influencer typischen Sektoren aktiv: Bekleidung, Trainingsprogramme, Apps und Content-Creation. In seinem erfolgreichen Podcast „Inside Brain“ beweist er im Gespräch mit A-Promis und Experten aus allen Sachgebieten wahren Tiefgang.
War Tim Gabel natural?
In Paul Unterleitner hat Tim Gabel einen Gastgeber gefunden, der hauptsächlich im Zusammenhang mit Zweifeln an seinem Natural-Status in der Öffentlichkeit thematisiert wird. Nicht erst seit dessen erfolgreichem Auftritt im ungetesteten IFBB muss sich der Rocka-Nutrition-Athlet immer wieder gegen Stoffvorwürfe verteidigen. Ein Schicksal, das auch Tim Gabel zu aktiven Zeiten verfolgte.
Da ist es umso amüsanter, dass Tim Gabel seinen Host gleich zu Beginn des Videos fragt, ob er ihm abnimmt, auf den gezeigten Aufnahmen von 2017 natural gewesen zu sein. Das bejaht dieser und sagt auch offen: „Heute gibt es auf jeden Fall krassere Leute, muss man ehrlich sagen.“
Tim Gabel schaut zurück
Im weiteren Verlauf spricht Tim Gabel über seine Vorgehensweise zu der Zeit, in der er noch als Fitnessinfluencer und Geschäftspartner von Karl Ess auftrat. Es hätte Phasen gegeben, in denen er exzessiv trainierte und sein Essen bis zum Salzkorn abwog. Er habe aber auch zu sportlich aktiven Zeiten die Zügel die meiste Zeit lockerer gelassen. Es war ihm schließlich um die „Aesthetics“, damals ein geflügeltes Wort, und nicht um eine bühnenreife Form gegangen.
Der Vergleich zu heutigen Natural-Athleten
Wie groß der Unterschied zur Wettkampfform ist, wird deutlich, als Paul Unterleitner Videos seines eigenen Formchecks mit Johannes Luckas am Ende einer Diät zeigt. Auch Aufnahmen von GNBF-Athlet Daniel Kubik zeigen, wie hoch der Standard im heutigen Naturalbodybuilding ist.
Der Vergleich zwischen dem Fitnessmodell Tim und Wettkampfbodybuildern kurz vor der Show hinkt natürlich. Doch auch als Paul die Instagram-Profile von reinen „Social-Media-Athleten“ wie Alex Eubank, Jesse James West oder Onome Egger zeigt, wird deutlich: Der Tim Gabel aus den 2010er-Jahren würde heute in den sozialen Medien gnadenlos untergehen. Zu groß ist die Konkurrenz aus zumindest offiziell naturalen Sportlern, die in puncto Form in einer ganz anderen Liga spielen.
Tim zeigt aber keinerlei Groll oder Neid. Zum einen hätten die heutigen Nachwuchsathleten ganz andere Möglichkeiten, sich über die optimale Vorgehensweise zu informieren, während man sich zu seiner Zeit noch auf die „Gym Bros“ verlassen musste. Zum anderen war es ihm vor allem um ästhetische Fotos gegangen und darum, noch Raum für andere Dinge im Leben zu lassen. Dies wäre ihm als Wettkampfbodybuilder nicht möglich gewesen.
„Wir haben beide Body Dysmorphia“
Heute beschränkt sich Tim Gabel auf ein gesundheitsorientiertes Training und kann auch damit gut leben. Es ginge ihm mittlerweile um die allgemeine Leistungsfähigkeit und vor allem die Freiheit von Schmerzen. Mit Ende 20 habe er seine natürlichen Grenzen erkannt.
Er bescheinigt Paul und sich selbst eine Body Dysmorphia, also eine Körperbildstörung, die dazu führt, dass sich die Betroffenen entgegen allen objektiven Tatsachen immer zu dünn fühlen. Auch der siebenfache Mr. Olympia Phil Heath leidet unter der Körperschemastörung. Das Streben nach dem ultimativen Endziel bleibt also ein Kampf gegen Windmühlen.
Fazit: Das naturale Bodybuilding hat in den vergangenen Jahren eine im Vergleich zum unterstützten Sport rasante Entwicklung hingelegt. Die steigende Popularität und die Möglichkeit der Selbstvermarktung in den sozialen Medien hat auch dazu geführt, dass immer mehr Megatalente sichtbar werden. Dass ein Tim Gabel von 2017 heute sowohl auf der Bühne als auch im Kampf um die Follower chancenlos wäre, ist unbestreitbar.
Tim hat dennoch die Pioniervorteile zur rechten Zeit abgeschöpft und ist heute geschäftlich so breit aufgestellt, dass ihm weder eine Rückenverletzung noch der nächste undurchsichtige Algorithmuswechsel etwas anhaben können. Zu Recht wirkt er daher mit seinem neuen Leben mehr als zufrieden.
(uh) | Titelbild: Youtube