Seit Monaten kommt More Nutrition nicht zur Ruhe. Nach dem Skandal um den Firmengründer Christian Wolf und der breitangelegten Berichterstattung von Jan Böhmermann und anderen großen Medien folgte eine Großrazzia durch den Zoll, bei der unter anderem Schwarzarbeit und Lohndumping aufgedeckt wurden. Jetzt wurde die Supplementmarke wegen irreführender Werbung abgemahnt. Foodwatch hat sich mit More auseinandergesetzt.
Abmahnung wegen irreführender Werbung: Diese Posts sind betroffen
Anfang der Woche hat die Verbraucherorganisation foodwatch e. V. More, genauer gesagt der übergeordneten Quality Group, wegen irreführender Werbung eine schriftliche Abmahnung zukommen lassen. Dabei bezieht sich der Verein auf zwei beispielhaft ausgewählte Werbeposts, die auf dem Instagram-Profil von More zu finden sind.
Die Reels sind Teil einer Serie von Erfahrungsberichten aus der More-Community. Ein Clip vom 6. September 2023 zeigt eine Kundin namens Lena, die davon berichtet, wie sie mit den Proteinen und Flavour-Produkten der Marke ihren Heißhunger besiegt und erfolgreich abnehmen konnte.
Flying Uwe nennt Details zum Investoren-Deal von More
Nachdem die Thematik Christian Wolf in den vergangenen Tagen insbesondere auf der Plattform Instagram stattgefunden hatte, holte Flying Uwe die Angelegenheit jetzt auf YouTube. In einem knapp zehnminütigen Video führt der Hamburger seine Sicht zu den aktuellen Entwicklungen aus. Dabei gibt er einige interessante Details bezüglich der wirtschaftlichen Situation von Christian Wolf und dem Investoren-Deal […]
In einem weiteren Video berichtet eine gewisse Eva davon, wie sie dank More Supplementen ihre zuvor ausgebliebene Menstruation zurückerlangt hätte und schließlich schwanger geworden war. Außerdem hätte sie mit More-Produkten nach der Schwangerschaft 17 Kilogramm abgenommen. Diese Inhaltsangaben stützen sich auf Pressemitteilungen. Die Videos sind auf Instagram nicht mehr zu finden.
Wogegen hat More verstoßen?
Die Posts stellen einen Verstoß gegen die europarechtlichen Health Claims dar. More trifft mit der Werbung unzulässige gesundheitsbezogene Aussagen, indem suggeriert wird, dass ein Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel oder einer Lebensmittelkategorie und der Gesundheit des Konsumenten besteht, bzw. dass sich der Gesundheitszustand mit dem Verzehr eines Lebensmittels verbessern ließe.
Beispielsweise vermittelt die Geschichte der More-Kundin Lena, dass Produkte mit dem Kernbestandteil Zuckerersatzstoff – in dem Post ging es insbesondere um die bekannten Chunky Flavours und Zerups – ihren Abnehmerfolg veranlasst hätten. Laut EU-Verordnung dürfen diese Ersatzstoffe jedoch nur damit werben, dass sie den Blutzuckerspiegel weniger stark ansteigen lassen als zuckerhaltige Lebensmittel.
Zoll führt Razzia bei More und ESN durch
Mit der Führungsetage von More Nutrition möchte in diesen Tagen wirklich niemand tauschen. Nach dem großen Skandal um den Firmengründer Christian Wolf haben sich nicht nur zahlreiche Influencer aus den Nischen des Web 2.0 kritisch zu Wort gemeldet – durch die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Medienstars Jan Böhmermann sind die düsteren Seiten der Supplement-Marke deutschlandweit bekannt […]
Noch offensichtlicher fällt der Verstoß im zweiten Video aus, in dem zusätzlich das Wiedereinsetzen und sogar die Schwangerschaft der Protagonistin auf ein More-Produkt zurückzuführen ist, das hauptsächlich L-Carnitin, Mönchspfeffer, Magnesium und einige weitere unspektakuläre Mikronährstoffe und Spurenelemente enthält. Für keinen dieser Stoffe ist eine Werbeaussage hinsichtlich der Steigerung der Fruchtbarkeit erlaubt. Solche Aussagen sind Arzneimitteln vorbehalten, die im Gegensatz zu Nahrungsergänzungsmitteln aufwendige und teure Zulassungsverfahren durchlaufen müssen.
Verstoß gegen das Lebensmittel- und Wettbewerbsrecht
Die beanstandeten Posts verstoßen durch die irreführende Werbung automatisch auch gegen das Lebensmittelrecht. Dieses untersagt, Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, bzw. zum Verkauf anzubieten, deren Produktbeschreibung und Werbung den Health Claims zuwiderlaufen.
Hieraus ergibt sich wiederum ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, da Marktbegleiter, aber auch die Verbraucher durch die irreführende Werbung benachteiligt werden können.
Welche Konsequenzen hat das für More Nutrition?
Der Verein foodwatch verfügt über die sogenannte Verbandsklagebefugnis und kann daher als gemeinnütziger Verein zivilrechtliche Klagen erheben. Zur Verhinderung eines gerichtlichen Verfahrens hat More jetzt bis zum 30. Januar 2024 Zeit, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Dabei handelt es sich um eine außergerichtliche Einigung zwischen zwei Parteien, bei der die eine, die zuvor eine Rechtsverletzung begangen hat, der anderen zusichert, künftig solche Verstöße zu unterlassen. Dadurch entsteht ein rechtssicherer, unbefristet gültiger Vertrag.
Im vorliegenden Sachverhalt fordert foodwatch eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung. Diese fordert eine festgelegte Strafe, die bei Vertragsbruch gezahlt werden muss, um die Wiederholungsgefahr zu minimieren. Wie hoch diese Vertragsstrafe ausfällt, muss individuell festgelegt werden und ist abhängig von der Schwere der Verstöße und den finanziellen Mitteln des Vertragspartners. Das bloße Löschen der Postings ist jedenfalls nicht ausreichend.
STRG_F Doku: Insider-Infos aus dem More Nutrition Kundensupport
Innerhalb der Fitnessszene hat sich die Aufregung um Christian Wolf in den vergangenen Wochen merklich gelegt. Schließlich hat der Influencer nach seinem Rückzug aus den sozialen Medien dem Gossip auch kein neues Futter mehr geboten. Mit etwas Verzögerung sind nun die öffentlich-rechtlichen Medien auf den Zug aufgesprungen. Direkt im Anschluss an Jan Böhmermanns Beitrag im […]
Die Abmahnung durch foodwatch ist nicht der erste Fall, in dem More Nutrition in den Fokus der Verbraucherschützer geraten ist. So hat etwa die Verbraucherschutzzentrale NRW e. V. die Werbung für das Produkt „Pregnancy Support oder unklare Aussagen zur Wirkung von Chunky Flavour kritisiert. Auch das Journalistennetzwerk MedWatch hat unter anderem Heilsversprechen für Arthrose beanstandet. More ist geübt darin, aus Skandalen aller Art aufzuerstehen, ohne auch nur einen Kratzer davonzutragen. Daran wird auch foodwatch wohl wenig ändern können. Respektabel ist jedes Engagement gegen irreführende Werbung dennoch.
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