In wohl keinem anderen Sport ist die Auswahl an Möglichkeiten, das eigene Training zu gestalten, so endlos wie im Bodybuilding. Es gibt nicht den einen Trainingsplan, mit dem jeder angehende Athlet sich Stück für Stück zum Ziel kämpfen kann. Vielmehr ist die Entwicklung eines außergewöhnlichen Körpers ein dauerhafter Lernprozess, bei dem das Individuum die ihm gegebenen Ansätze für sich austesten muss. Spricht man besser auf niedrige Wiederholungszahlen an? Wie viel Volumen kann verwendet werden, bis der Körper nicht mehr schnell genug regeneriert? Nehme ich zum Aufwärmen die Blackroll oder reichen auch Therabänder? Fluch und Segen zugleich. Durch eine schier unbegrenzte Anzahl an Optionen wird man schnell dazu verleitet, auf jeder Trendwelle mit schwimmen zu wollen. Wird dann nach einiger Zeit ein Resümee gezogen, macht sich oft Enttäuschung breit!
Athleten, die eine beeindruckende Statur vorweisen können, gibt es in Hülle und Fülle. Noch größer ist aber die Zahl der Hobbysportler, die nicht danach aussehen, als ob sie jemals eine Hantel angefasst haben.
Dabei fällt auf, dass genau diese Trainierenden viel mehr Fachwissen besitzen als diejenigen, die mit einem muskulösen Körper glänzen.
Leicht könnte man dem Gedanken verfallen, dass die Optik sich antiproportional zum Wissen verhält. Natürlich ist das überspitzt. Die Tendenz zeigt aber: zu viel Analyse führt dazu, dass viele Athleten nach Jahren immer noch keine Fortschritte gemacht haben.
Dafür können diverse Schuldige verantwortlich gemacht werden.
#1 – Es wird vergessen zu trainieren
Jedes Mal, wenn ein Athlet das Drehkreuz im Studio durchquert, startet ein Timer. Einer, der vergleichbar ist mit denen, die in Filmen kurz vor einer Detonation ablaufen. Die ablaufende Zeit auf diesem Timer ist individuell und von Sportler zu Sportler unterschiedlich. Fakt ist aber, sie läuft ab, sobald man das Studio betritt.
Wie ein Athlet ab dem Zeitpunkt des Eintreffens innerhalb der ersten zehn Minuten die Zeit im Studio verbringt, legt offen, was er richtig und falsch machen wird.
Weiß er um die Bedeutung von Grundübungen und ist direkt im Squat Rack zu finden? Oder tobt er sich erst einmal mit verschiedenen Lacrosse-Bällen aus, rollt mit der Blackroll durch das ganze Studio und widmet sich dann dem dynamischen Stretch, bevor er sich an die Arbeit macht?
Tausende Trainierende haben nach einer Stunde im Studio noch nicht einen Arbeitssatz gemeistert. Dann fällt ihnen auf, dass sie keine Zeit mehr haben, weil ihr Countdown gleich abgelaufen ist und der nächste Termin schon wartet.
Verschwendet man die Zeit mit neumodischen Aufwärmprogrammen, wird die ablaufende Uhr zum Verhängnis und minimiert die Zeit, in der eigentlich trainiert werden sollte.
Auch wenn man sich durchaus körperlich bemüht hat und bestens aufgewärmt aus dem Studio marschiert, hat man am Ende nicht wirklich trainiert. Deshalb ist es wichtig, sich nicht selbst zu belügen und zu denken, man würde mit Lacrosse-Bällen und Faszienrollen einen Beitrag zum Muskelwachstum leisten.
#2 – Es entsteht ein Trainings-Aufmerksamkeit-Defizit-Syndrom
Um Nummer 1 zu eliminieren hilft ein sinnvoll geplantes Trainingsprogramm. Dafür gibt es nur eine Regel. Das Programm wird beendet. Egal welche Umstände gegeben sind. Am Ende des Trainings sind alle geplanten Übungen ausgeführt.
Ob ein Ganzkörpertraining gewählt wird oder ein Split die besseren Erfolge bringt, muss individuell entschieden werden und macht den Braten nicht fett. Unumgänglich ist aber, dass das gewählte Programm kein „Kann“, sondern ein „Muss“ ist. Starten und Beenden.
Nur weil nach der ersten Woche noch keine Erfolge sichtbar sind, muss das Programm nicht sofort gewechselt werden. Muskelaufbau benötigt Zeit und kommt nicht von heute auf morgen. Daher ist ein ständiger Wechsel zwischen neumodischen Programmen eine Blockade, wenn es um die Progression im Studio geht.
Selbst wenn ein Programm nicht die gewünschten Erfolge bringt, sollte es bis zum Ende durchgezogen werden. Die meisten Programme belaufen sich auf einen Zeitraum von vier bis acht Wochen, nicht auf das ganze Leben.
Maximal wird man also zwei Monate ein suboptimales Programm verfolgen, hat aber dann viele Erfahrungen gesammelt, die man für die Zukunft nutzen kann. Hat man erst einmal zehn Jahre trainiert, werden sechs Wochen einen verschwindend geringen Anteil ausmachen.
Egal wo der aktuelle Fokus liegt. Ist es ein brachialer Bizeps? Monströse Kraftverbesserung in der Beuge? Oder die Ausmerzung einer individuellen Schwachstelle? Für alle Ziele gibt es gut ausgearbeitete Programme, die nur darauf warten, ausgewählt und bis zum Ende ausgeführt zu werden.
Ziel festlegen. Programm auswählen. Durchziehen.
#3 – Es fehlen die großen Lifts
In jedem Training steht man vor der Wahl: Schleppt man sich halbherzig von Übung zu Übung, weil es der Plan so vorsieht? Oder strebt man danach, die Übung zu dominieren und in jedem Satz mehr Kontrolle über sie zu erlangen?
Natürlich ist es verlockend, 300 Kilogramm auf die Beinpresse zu laden und dann mit tosendem Gebrüll die Cardiohäschen zu beeindrucken. Dass bei den Damen dadurch wirklich Interesse geweckt wird, ist ein Trugschluss.
Viel mehr Aufsehen würde erregt werden, wenn man eine schwere Kniebeuge mit angemessener Tiefe und perfekter Technik präsentieren könnte. Oder den Rücken beim Kreuzheben mit 200 Kilogramm dauerhaft in gerader Position halten kann.
Heutzutage findet man unzählige Workshops, die auf die individuelle Biomechanik eingehen und die Übungsausführung in den wichtigen Grundübungen verbessern.
Wer wachsen will, kommt nicht an den großen Drei vorbei. Beuge tief, Drücke regelkonform und hebe mindestens dein doppeltes Körpergewicht mit perfekter Technik.
#4 – Die Ernährung vereitelt alle Trainingserfolge
Exzessives Cardiotraining kompensiert keine überschüssigen Kohlenhydrate oder Junkfood-Eskalationen.
Leider ist die Preisgestaltung der Lebensmittelindustrie nicht darauf bedacht, den Menschen gesund und fit zu halten.
Gemüse, Obst und hochwertiges Protein haben ihren Preis, während Weißmehlprodukte und schnelle Kohlenhydrate zum Spottpreis an die unwissende Masse verteilt werden. Wer unwissend kauft und isst, wird aber fett.
Insgesamt hat die Woche 168 Stunden. Angenommen man trainiert fünf davon, bleiben 163 Stunden, in denen man zahlreiche Möglichkeiten vorgesetzt bekommt, seinen Trainingserfolg zu vernichten.
Warum diese Gefahr nicht minimieren, indem man sich anständig ernährt und lernt zu kochen?
Niemand muss dabei zum 5-Sterne-Koch mutieren, aber die aktive Auseinandersetzung mit der Ernährung und ein zielgerichteter Einkauf werden viel mehr Benefits für den Erfolg bringen, als es jedes „geheime Trainingsprogramm“ kann.
#5 – Die Pausenzeiten werden verschwendet
Wer sich in Nummer 1 wiederfinden kann, muss seine Einstellung zu den Pausenzeiten überdenken. Zwischen den Sätzen ist genügend Zeit, um an Mobilität und Flexibilität zu arbeiten.
Moderne Studios verleiten gerne durch Flatscreens zu einer Atmosphäre, die zum Verweilen und Luft holen einlädt. Auch das Smartphone steht als Störfaktor ganz oben auf der Liste. Diese Dinge haben keinen Vorteil. Sie machen nur eins: sie lenken vom Training ab.
Im Studio wird trainiert, nicht mehr und nicht weniger. Keine Ablenkung, nur schwere Gewichte.
Häufig fragt man sich, warum man eigentlich so wenig Fortschritte macht, obwohl die Ansätze, die man verfolgt, so vielversprechend sind. Die Erkenntnis, dass eben nicht alles Gold ist, was glänzt, schmerzt oft. Sich einzugestehen, dass nicht alles optimal läuft, ist aber ein Schritt, der gegangen werden muss. Erst wenn man das verstanden hat, können weitere Erfolge gefeiert werden. Mit Grundlagen, die über Jahre hinweg funktioniert haben, legt man den Grundstein für dauerhafte Progression in der Zukunft!
Quelle: t-nation.com/training/5-reasons-you-dont-look-like-you-lift