Mit Blick auf die verschiedenen Typen der Muskelkontraktion gibt es vier, die die meisten Leute kennen: Konzentrisch, exzentrisch, isometrisch und isotonisch. Während jeder dieser Kontraktionstypen verschiedene Muskelwachstums- und Anpassungsprozesse auslösen kann, konzentrieren sich die meisten Athleten jedoch auf die positive oder konzentrische Kontraktion (d.h. der Typ muskelverkürzender Kontraktion) und die negative oder exzentrische Kontraktion (d.i. Der Typ muskelverlängernder Kontraktion) bei den meisten ihrer Übungen.
Um dein volles Potenzial auszuschöpfen, sollte jeder Kontraktionstyp in irgendeiner Form einbezogen werden. Im folgenden werden wir uns jedoch nur auf die exzentrische Kontraktion beschränken, deren fundamentale Mechanismen erläutern und zeigen, wie man diese Kontraktionsform am besten in das Training integriert.
Grundlagen der Muskelkontraktion
Bevor wir in die Details eintauchen, sollten wir zunächst einmal genau verstehen, womit wir es hier zu tun haben. Die Muskelkontraktion kann als die krafterzeugende Aktivierung von Spannungselementen innerhalb unserer Muskulatur definiert werden. Diese kontraktilen Elemente können verlängert bzw. gedehnt, verkürzt oder isometrisch (d.h. statisch, ohne Verlängerung oder Verkürzung) kontrahiert werden.
Die „Sliding Filament“ Theorie ist einer der hauptsächlichen Theorien, auf die die meisten Menschen Bezug nehmen, wenn sie von Muskelkontraktion sprechen oder davon hören. Diese Theorie besagt, dass es zwei grundlegende Proteine in unseren Sarkomeren gibt, die gleiten und sich miteinander verbinden können, um „Brücken“ zu bauen und zu kontrahieren. Diese Proteine nennt man Aktin und Myosin.
Natürlich spielen noch weit mehr Details eine Rolle, als hier dargestellt werden können. Für nähere Information haben wir unten ein kurzes Video verlinkt.
https://youtu.be/ousflrOzQHc
Exzentrische Belastung in der Literatur
Innerhalb der letzten 80 Jahre wurden diverse Untersuchungen zu den verschiedenen Kontraktionstypen durchgeführt. Mit Blick auf die exzentrische Kontraktion ist diese Studie aus dem Jahre 2017 besonders aufschlussreich. Sie gibt eine erhellende Erklärung der mechanischen Unterschiede zwischen konzentrischer und exzentrischer Kontraktion. Außerdem werden dort auch die unterschiedlichen Modi der skelettalen Umformung, also Adaptionsweisen des Körpers auf Trainingsreize diskutiert.
In der Forschung wird die maximale Kraftentfaltung als die größtmögliche, durch einen Muskel produzierte Überlappung von „Brücken“ („cross-bridges“) zwischen Aktin und Myosin bestimmt. Diese größtmögliche Überlappung der kontraktilen Gewebeelemente entsteht, wenn die Muskeln aktiv verlängert werden. Die Autoren nehmen an, dass die Ursache hierfür in einer im Vergleich zu schnelleren (konzentrischen) Bewegungen längeren Periode der aktiven Verbindung der Filamente liegt.
Bei diesen Analysen wurden diverse andere Studien berücksichtigt, die das konzentrische und exzentrische Kontrahieren mit Blick auf eine Vielzahl verschiedener Parameter wie Muskelgröße, Muskelquerschnitt, Muskeltraumata, Muskelrestrukturierung, Hypertrophie etc. untersucht hatten. Die Autoren argumentieren, dass negative Kontraktion im Vergleich zur positiven zwar mehr Vorteile bezüglich Hypertrophie aufzuweisen scheint, der Forschungsstand aber insgesamt keine eindeutigen Ergebnisse geliefert habe.
Außerdem weisen die Forscher darauf hin, dass bei Konstanthaltung der Variablen der mechanischen Last und des Volumens in Bezug auf beide Kontraktionsformen meist ähnliche Resultate beobachtet werden konnten. Zugleich wird aber auch die unterschiedliche muskuläre Stimulierung beider Formen hervorgehoben.
Es wird auch darauf hingewiesen, dass durch exzentrische Kontaktionen verursachtes Muskelwachstum mechanische Differenzen auf myogener und molekularer Ebene aufweist. Die Mittel, mit welchen das Ziel der Hypertrophie erreicht werden kann, sind also unterschiedlich. Exzentrisches Training ist folglich durchaus wichtig.
Exzentrische Belastungsmethoden und ihre Vorzüge
Exzentrische Belastungsbewegungen werden von Trainern und Athleten aus unterschiedlichsten Gründen und in unterschiedlichsten Situationen durchgeführt. Im folgenden führen wir drei Beispiele auf:
- Überbelastung: Oftmals ist der Sinn dahinter eine Überbelastung während der Phase der Muskelverlängerung herbeizuführen. Sie kann dabei helfen, das Nerven- und Muskelsystem eines Athleten an einen stärkeren Stimulus zu gewöhnen, ohne bei der Wiederholung zu versagen, wie es bei einer vollständigen Bewegung mit entsprechendem Gewicht der Fall wäre. Der Körper kann so daran gewöhnt werden, eine größere Last zu absorbieren, bevor der gesamte Bewegungsablauf bewältigt werden kann.
- Kontrolle: Ähnlich wie bei der Überbelastung kann exzentrisches Training nützlich in Hinsicht auf die Konditionierung des Athleten im kontrollierten Umgang mit schwereren Lasten sein. Das geht Hand in Hand mit dem vorigen Punkt; der Unterschied liegt hier nur in der Anwendung unterschiedlicher Mittel (wie z.B. Bändern statt Ketten).
- Stabilität: Dieser Aspekt ist fast oder nach Meinung Vieler sogar völlig identisch mit dem der Kontrolle. Wir sind aber der Ansicht, dass es hier einen Unterschied geben kann, berücksichtigt man die jeweils individuelle Trainingshistorie des Athleten und die jeweils angewandten Methoden exzentrischer Kontraktion. Wenn jemand etwa an seiner Stabilität arbeitet, wird er oder sie eher eine exzentrische Methode wählen, die eine Instabilität bei der Bewegung erzeugt, gegen die „angekämpft“ werden muss. Bei der Verbesserung der Kontrolle hingegen wird eher eine methodische Verlangsamung eingesetzt. Das Gewicht ist außerdem meist leichter und Stabilitätstraining insgesamt vor allem beim Wiedereinstieg nach Verletzungen geeignet.
Kommen wir im folgenden nun zu den verschiedenen exzentrischen Übungen.
1 – Bänder
Wenn man eine systematische Überbelastung herbeiführen will, kann dies mit Bändern entweder am Ende der Bewegungsamplitude oder eben in der negativen Phase des Heruntergehens geschehen. Denke immer daran, dass diese Methode nur dann zusätzliche Spannung am oberen Ende der Bewegung erzeugt, wenn du die Bänder unten befestigst. Entsprechend verringert sich der Widerstand beim Herablassen der Hantel.
Wenn du eine Überbelastung im oberen Drittel der Amplitude und während des ersten Drittels des „Abstiegs“ erzeugen willst, dann musst du die Bänder oberhalb der Hantel fixieren. Wenn du zum Beispiel 105 Prozent deines RM1 beim Beugen bewegen willst, dann nehmen dir die Bänder auf dem Weg nach unten kontinuierlich Last ab, wenn du sie oben am Rack befestigst.
Wenn du die Bänder unten befestigst, dann hast du die Überbelastung nur am oberen Ende der Bewegung.
2 – Ketten
Eine weitere Belastungsmethode, die dem Training mit Bändern sehr ähnlich ist, sind Ketten. Ketten produzieren ebenfalls einen zusätzlichen Widerstand am oberen Ende der Amplitude und bringen außerdem ein Moment der Instabilität herein, weil sie manchmal eine krumme Linie bilden, wenn sich die Glieder der Kette auf dem Boden beim Herablassen der Hantel stapeln.
Wenn du an deiner Kontrolle während des Herablassens der Hantel arbeiten willst oder ein Stabilitätsproblem hast, dann können Ketten ein großartiges Instrument für ein exzentrisches Training sein. Zudem hilft das Kettentraining bei der Bekämpfung von „Sticking Points“ am oberen Ende der Bewegung.
3 – „Releaser“
Leider haben die meisten Gyms dieses nützliche Trainingsgerät nicht, aber ein „Releaser“ kann eine ausgezeichnete Methode sein, um die exzentrische Belastung zu fokussieren. Wenn du nicht weißt, wovon wir gerade sprechen, schau‘ die den kurzen Clip unten an:
https://www.instagram.com/p/Blv0z6XhnyG/?taken-by=davidwoolson
Es ist also im wesentlichen ein Gerät, mit dem sich ein Zusatzgewicht an der Hantel anbringen lässt, dass sich am Totpunkt bzw. am unteren Ende der Bewegung selbständig von der Hantel löst, sodass die positive oder konzentrische Phase ohne Zusatzgewicht absolviert werden kann.
Der „Releaser“ ist ein großartiges Stück Ausrüstung, welches die Kontrolle und die Stabilität trainiert und ein Überbelastungsszenario schaffen kann. Außerdem ist es wenig sicherer als Bänder und Ketten, die sich nicht von alleine von der Hantel lösen, wenn du mit mehr als 100 Prozent drückst oder beugst.
4 – Tempo
Wenn du keine anderen Trainingsgeräte zur Verfügung hast, dann kannst du immer noch mit einer bewussten Verlangsamung der Bewegung ein effektives exzentrisches Training durchführen. Du musst nicht einmal wesentliche Änderungen an den zu verwendende Lasten vornehmen. Wenn überhaupt, dann wird weniger Gewicht verwendet bei dieser Methode.
Das Tempo ändert die jeweils für die spezifischen Phasen des Bewegungsablaufs aufgewendete Zeit. Klarerweise sollte das im Falle des in diesem Artikel betrachteten Gegenstands die exzentrische Phase sein. Typischerweise wird zudem entweder am untersten Punkt der Bewegung oder am untersten und am obersten Punkt der Bewegung innegehalten.
Eine verlangsamte Ausführungsgeschwindigkeit ist ein ausgezeichnetes Instrument zur Verbesserung der Kontrolle und Stabilität, weil sie mehr Konzentration und Koordination in der negativen Phase erfordert.
5 – Gewichte oder Kettlebells an die Hantel hängen
Eine andere Methode zur Verbesserung der Stabilität und Kontrolle während der exzentrischen Phase, ist die Nutzung von frei an die Langhantel gehängten Kettlebells, Scheiben oder Kurzhanteln. Die angehängten Elemente erzeugen so eine Instabilität, die eine Verbesserung der motorischen Kontrolle erzwingen.
Oftmals wird diese Trainingsmethode mit leichterem Gewicht angewandt, weil eine erhöhte Instabilität auch erhöhtes Verletzungsrisiko mit sich bringt. Bei der Berechnung des Gewichts musst du stets das Eigengewicht der Langhantel, der angehängten Elemente sowie auch der zum Anhängen verwendeten Bindeglieder berücksichtigen.
6 – Stopp am unteren Ende der Bewegung
Die letzte Methode der exzentrischen Belastung, die wir hier vorstellen möchten, ist der Stopp am unteren Ende der Amplitude bzw. am Tot- oder Umkehrpunkt. Diese Methode kann mühselig in der Umsetzung sein und ihr Anwendungsbereich beschränkt, aber zur Anpassung des Nervensystems und Vorbereitung des Körpers auf ein höheres Gewicht kann sie durchaus nützlich sein.
Im Wesentlichen geht es darum, die Langhantel mit deinem 1RM oder mehr zu belasten, um dann mit dieser Last bis zum Totpunkt hinabzugehen. Dabei sollten Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, die es dir ermöglichen, das Gewicht am untersten Punkt abzulegen, sodass du danach das Gewicht „reracken“ und anschließend die nächste exzentrische Teilwiederholung einleiten kannst. Der Pin Press oder die Pin Squat sind dafür gute Beispiele.
Zusammenfassung
Ein Training mit Fokus auf exzentrischen Kontraktionen kann sehr nützlich sein, um etwa den Körper neural für schwerere Gewichte vorzubereiten, den Hypertrophieprozess voranzutreiben und die motorische Kontrolle der Bewegung zu verbessern. Zwar kann immer noch nicht auf der Basis der gegenwärtig vorliegenden sportwissenschaftlichen Daten entschieden werden, ob exzentrisches Kontraktionstraining tatsächlich effektiver ist als konzentrisches, aber man ist in jedem Fall gut beraten, dieses Element in sein Training einzubauen. Man sollte allerdings gerade bei der systematischen Überbelastung mit Gewichten jenseits des 1RM darauf achten, das zentrale Nervensystem nicht zu überlasten und diese Methode dementsprechend moderat dosiert anwenden.
Quelle: https://barbend.com/6-ways-eccentric-load-exercises/