Anfänger denken nur in Übungen, fortgeschrittene und erfahrene Lifter eher in Methoden, Techniken, Systemen und Prinzipien. Eine Wiederholung ist nicht eine Wiederholung und ein Satz nicht ein Satz. Stattdessen fragt man sich als erfahrener Athlet, wie die Wiederholung durchgeführt, wie die Sätze arrangiert und das Gewicht manipuliert werden sollen. Welche Durchführungsgeschwindigkeit und welche Kontraktionsmethode wird genutzt? Die Antworten auf diese Fragen können den Unterschied zwischen Wachstum und Stagnation ausmachen. Du solltest also in umfassenderen Kategorien denken, statt deine Aufmerksamkeit an einzelne Übungen zu heften. Im folgenden Artikel wollen wir dir sechs Trainingsmethoden nahebringen, von denen du wahrscheinlich noch nichts gehört hast.
#1 – Die 40 Reps Methode
Um kontinuierlich Fortschritte zu erzielen, musst du deinen Körper ständig dazu herausfordern, sich an neue Reize anzupassen, um größer und stärker zu werden. Um das zu bewerkstelligen, wird der Durchschnittstyp im Studio im Regelfall einfach die Übung wechseln oder das Arbeitsgewicht hochschrauben. Beide Vorgehensweisen haben auch ihre Berechtigung und sind jedem Anfänger intuitiv einsichtig, aber es gibt ausgefeiltere Methoden, die man in Anschlag bringen sollte, wenn man auf diese simple Weise nicht mehr weiterkommt.
Denkt der erwähnte Durchschnittstyp und/oder Anfänger an Reps und Sätze, dann denkt er in der Regel an so ein einfaches Standardschema wie drei Sätze à zehn Wiederholungen. Stattdessen solltest du einfach mal versuchen, die Gesamtzahl der Reps, die du in einer Einheit absolvieren willst, in den Blick zu nehmen. Nehmen wir als Beispiel 40 Wiederholungen: Das bedeutet nun nicht, dass du 40 Reps in einem Satz machen solltest (wobei auch ultrahohe Repzahlen bei bestimmten Isolationsübungen Sinn machen können), sondern einfach 40 Wiederholungen in einer beliebigen Anzahl an Sätzen abarbeitest. Um es kurz zu machen: Vergiss einfach die Satzzahl komplett!
Die erste Sache, die du in Angriff nehmen musst, ist die Wahl eines Arbeitsgewichts bei einer bestimmten Übung. Um das zu machen, solltest du erst einmal dein Maximum für acht Wiederholungen herausfinden. Das ist dann das Gewicht, das du für die ganze Übung nutzen solltest. Wenn du im ersten Satz über acht Reps hinausgehen kannst, ist das Gewicht zu leicht. Wenn du die acht nicht packst, ist es zu schwer. Die Vorbereitungen sind demnach ganz einfach.
Mit dem ermittelten Gewicht zielst du nun darauf, die 40 Wiederholungen zu machen, ohne dabei irgendeine Rücksicht auf die Zahl der Sätze zu nehmen, die du dafür brauchst. Du benutzt einfach dasselbe Gewicht, bis du die 40 vollgemacht hast. Wenn du zusehends erschöpfst bist und nicht mehr dieselbe Anzahl Reps pro „Satz“ oder „Cluster“ hinbekommst, ist das vollkommen in Ordnung, denn die Satzzahl spielt keine Rolle!
Ein Beispiel für Trizeps-Pushdowns am Kabelzug könnte so aussehen:
- Wiederholungen: 40
- Gewicht: 8RM im ersten Satz
- Pause: ca. 45 Sekunden zwischen den Sätzen oder Clustern
Wahrscheinlich wird dann etwa folgende oder ähnliche Satz- und Wiederholungsserie dabei herauskommen:
- Satz 1: 8 Wiederholungen
- Satz 2: 8 Wiederholungen
- Satz 3: 6 Wiederholungen
- Satz 4: 5 Wiederholungen
- Satz 5: 4 Wiederholungen
- Satz 6: 4 Wiederholungen
- Satz 7: 3 Wiederholungen
- Satz 8: 2 Wiederholungen
- Gesamtzahl an Reps: 40
Vergleiche das einmal mit einem 3×10: Du hast auf diese Weise mehr Wiederholungen mit schwererem Gewicht gemacht! Denke immer daran, dass es sich hierbei nur um ein Beispiel handelt. Es könnte ebenso gut sein, dass du zehn Sätze brauchst, bei denen du einige Singles machst. Oder du schaffst es in nur sechs oder sieben Sätzen. Letztlich spielt es keine Rolle, solange du die Vorgaben zum Gewicht und zu den Pausenzeiten berücksichtigst.
#2 – 100 Wiederholungen Beinpresse in jeder Einheit
Coach Florian Bianchi ist dafür bekannt, Athleten zu trainieren, die exorbitante Erfolge beim Muskelaufbau in den Beinen feiern. Einer seiner „Tricks“ ist dieser: Beginne jedes (und zwar wirklich jedes, nicht nur die Bein-Einheiten) Workout mit 100 Reps an der Beinpresse.
Nutze dafür ein sehr leichtes Gewicht. Vielleicht fängst du sogar mit dem leeren Schlitten an, bevor du Scheiben draufpackst. In jedem Fall solltest du die 100 Reps ohne Unterbrechung bei moderatem Tempo durchziehen. Führe sie nicht zu langsam aus, aber auch nicht zu schnell. Rhythmische Wiederholungen sollten es werden. Du kannst zwar kurz pausieren, musst aber dabei darauf achten, nicht den Schlitten einrasten zu lassen und so das Gewicht von deinen Beinen zu nehmen. Wenn du pausieren willst, dann am besten am Beginn der Amplitude mit den gestreckten Beinen im Lock.
Im Grunde ist das ein Warmup für jede deiner Einheiten. Du kannst bei dieser Methode auch das Gewicht sukzessive steigern, aber es ist nicht das Ziel, 100 schwere Reps zu machen! Der Sinn besteht darin, die Durchblutung zu steigern und einen ordentlichen Pump zu erzeugen. Wenn du diese Methode regelmäßig anwendest, werden sich deine Beine nach ein paar Wochen optisch deutlich verändert haben. Dabei braucht dieses Vorgehen nur ein paar Minuten pro Einheit.
Die Effektivität der Methode besteht in einer Erhöhung der Anzahl der Kapillaren in deinen Beinmuskeln. Dein Unterkörper wird so gewissermaßen „vaskulärer“, indem die Durchblutung gesteigert wird. So kann mehr Sauerstoff aufgenommen sowie Nährstoffe und Aminosäuren leichter in die Muskulatur transportiert werden. Auch Laktatsäure kann infolgedessen schneller abgebaut werden. Letztlich verbessert sich demzufolge deine muskuläre Regenerationsfähigkeit und der Hypertrophieprozess geht schneller vonstatten.
Für Frauen eignet sich diese Methode auch besonders gut, um Fett abzubauen. Frauen haben nämlich im Schnitt einen weniger gut durchbluteten Unterkörper und einen geringeren Vaskularisierungsgrad. Das ist auch der Grund, weshalb es Frauen schwerer haben, die Fettdepots im Unterkörper abzubauen. Mehr Vaskularität macht es einfacher, das Fett in den entsprechenden Regionen zu mobilisieren.
#3 – Das Prinzip der ersten Anspannung
Wenn es darum geht, den Bizeps zum Wachsen zu bringen, dann funktioniert das nach diesem Ansatz besser, wenn der Fokus auf die muskuläre Rekrutierung und Kontraktion gelegt wird und nicht so sehr auf schweres Gewicht, denn dadurch wird unter Umständen der Fokus vom Bizeps auf andere, größere Muskelgruppen verlagert. Eine intensive Muskelanspannung auszuüben, ist deutlich schwieriger, wenn man schwere Gewichte verwendet.
Wenn du also einen hinterherhinkenden Bizeps hast, den du gerne „aufmöbeln“ willst, solltest du zuerst an der Aufrechterhaltung einer konstanten Spannung im Muskel arbeiten, um die Mind-Muscle-Connection, sprich die willkürliche Muskelansteuerung zu verbessern. Die Zeit, die du damit verbringst, ist eine wertvolle Investition in dein zukünftiges Bizepstraining.
Führe jede Wiederholung deiner Bizepsarbeit wie folgt aus:
- Bevor du überhaupt anfängst, Gewichte zu stemmen, spanne den Bizeps so fest wie möglich an. Das ist das Prinzip der ersten Anspannung – der Muskel, der zuerst am stärksten kontrahiert, ist derjenige, der während des Satzes am stärksten stimuliert werden wird.
- Bei der Durchführung der Übung solltest du dann darauf achten, während der exzentrischen oder negativen Phase das Gewicht betont langsam abzusenken.
Das ermöglicht es dir, auf jedem Zentimeter der Amplitude den Bizeps so fest wie möglich zu kontrahieren. Wenn du eine schnellere Ausführung wählst, ist es schwieriger, die maximale Spannung aufrechtzuerhalten. Während der negativen Phase solltest du dann tatsächlich auch auch den Trizeps anspannen, um die Ausführung zu verlangsamen.
Die Vorteile dieser Methode liegen vor allem in einer Muskelstimulation durch Akkumulation von Wachstumsfaktoren und durch mTOR-Aktivierung, während zugleich kaum Muskeltraumata ausgelöst werden. Aus diesem Grund kannst und solltest du diese Form der Bizepsarbeit auch drei- bis viermal die Woche anwenden.
Denke immer daran, dass die Häufigkeit des konditionierenden Stimulus‘ der Schlüssel zum Erfolg beim motorischen Lernen ist. Wenn du erst einmal einige Zeit deinen Bizeps auf diese Weise trainiert hast, wird es dir auch möglich sein, schwerere Gewichte unter Aufrechterhaltung der Spannung im Bizeps zu bewegen, ohne dass der Fokus vom Bizeps auf andere Muskeln verlagert wird.
#4 – Die Methode der Muskelfasermanipulation
Eine Methode, die Muskeln wirklich zum Wachsen zu zwingen, ist die Rekrutierung der widerspenstigen Typ-II-Fasern, die normalerweise nur bei sehr schwerem Gewicht jenseits des im Bodybuilding üblichen Bereich von drei Reps und weniger (oder mehr als 90 Prozent des 1RM) beansprucht werden. Diese weißen und schnell zuckenden Typ-II-Fasern sind aber nicht nur für Maximalkraftanstrengungen erforderlich, sondern besitzen auch ein enormes Hypertrophiepotenzial. Das Problem dabei liegt aber darin, dass du erst einmal die Typ-I-Fasern ermüden musst. Nur dann kannst du die Typ-II-Fasern erreichen. Viele Leute schaffen das nie, sodass ihr Muskelwachstum irgendwann stagniert.
Hier ist die Lösung: Bevor du mit deinem regulären Workout beginnst, führe einen superleichten Satz bis zum Versagen durch. Das Gewicht sollte nur ca. 20 Prozent deines 1RM betragen. Damit erreichst du eine Erschöpfung der Typ-I-Fasern, sodass die Bedingungen für eine effektive Aktivierung der Typ-II-Fasern gegeben sind. Das Resultat ist ein ordentlicher Kraft- und Muskelzuwachs.
Nehmen wir als Beispiel den Bizeps-Curl. Um es einfach zu machen, sagen wir, dass dein 1RM beim Curl bei 50 Kilo liegt, 20 Prozent davon sind zehn Kilo.
Du gehst dann wie folgt vor:
- Du nimmst dir eine zehn Kilo schwere Hantel und machst so viele Wiederholungen, bis du versagst. Das ist kein einfaches Warmup, sondern ein extrem harter Satz im ultrahohen Wiederholungsbereich, der durchgezogen wird, bis du keine einzige Wiederholung mehr hinbekommst!
- Mach‘ eine Pause von 30 Sekunden.
- Jetzt schnappst du dir dein übliches Arbeitsgewicht, das vermutlich so bei 75 Prozent deines 1RM oder bei 37,5 Kilo angesiedelt sein wird. Zieh‘ deine übliche Routine mit 60 Sekunden langen Pausen zwischen den Sätzen durch.
Einige wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass man auf diese Weise mehr Hypertrophie und Kraft erzeugen kann.
#5 – Die Technik der regressiven Range of Motion
Diese Methode funktioniert wie folgt:
- Fange mit einer Übung an, indem du sie über die ganze ROM und bis zum Versagen ausführst.
- Reduziere die ROM um die Hälfte und mache Teilwiederholungen. Wenn du das Gefühl hast, ans totale Versagen heranzukommen, dann…
- … reduziere die ROM wieder um die Hälfte (Viertelwiederholungen), bis du schließlich zum Versagen gelangst. Je nach Übung werden die Teilwiederholungen entweder am oberen Ende der Amplitude oder am unteren ausgeführt.
Für Muskelzuwächse kannst du acht bis zehn volle Wiederholungen machen, bevor du zu den halben und schließlich zu den Viertelwiederholungen übergehst. Wenn Kraftsteigerungen ebenfalls dein Ziel sind, solltest du das Ganze mit vier bis sechs vollen Wiederholungen beginnen.
Einige Beispiele:
- Kniebeuge: Volle Reps, dann Teilwiederholungen im oberen Bereich der ROM, dann Viertelwiederholungen.
- Beinbizepscurls: Volle Wiederholungen, dann halbe Reps im unteren Bereich der ROM, dann Viertelwiederholungen.
- Bizepscurls am Kabelzug: Volle Wiederholungen, dann halbe im unteren Bereich, dann Viertelwiederholungen.
- Beinpresse: Volle Reps, dann halbe im oberen Bereich, dann Viertelwiederholungen.
- Seitheben: Volle Wiederholungen, dann halbe Reps im unteren Bereich der Amplitude, dann Viertelwiederholungen.
- Bankdrücken: Volle Wiederholungen, dann halbe Wiederholungen im oberen Bereich, wenn du dich auf den Trizeps und die Schultern konzentrieren willst, und Viertelwiederholungen im unteren Bereich, wenn du die Brust attackieren willst.
#6 – Die Mr. Olympia Routine
Diese Methode ist nicht wirklich neu, aber wahrscheinlich neu für dich. Oldschool Bodybuilding Coach Vince Grironda nannte sie die Mr. Olympia-Routine, weil er sie bei Larry Scott anwandte, dem ersten Mr. Olympia. Der Gedanke dahinter ist, möglichst viel Arbeit innerhalb möglichst wenig Zeit zu verrichten. Wir nennen das heute auch teilweise „High Density Training“.
Und so geht es:
- Such‘ dir eine Übung aus.
- Belade die Hantel mit einem Gewicht, das du zehnmal bewältigen kannst.
- Stemme es aber nicht zehnmal, sondern nur sechsmal.
- Pausiere für 30 Sekunden und wiederhole das ganze fünfmal.
Man kann das auch so zusammenfassen: Führe ein 6×6 mit ca. 70 Prozent deines 1RM mit nur 30 Sekunden Pause zwischen des Sätzen durch. Gironda ließ seine erfahreneren Bodybuilder sogar nur 15 Sekunden pausieren, aber fange erst einmal mit 30 Sekunden an. Wenn du jedoch nicht alle sechs Sätze mit 30 Sekunden-Pausen durchführen kannst, solltest du das Gewicht sogar noch einmal reduzieren. Bedenke immer, dass es um die Spannung und nicht um das Gewicht geht!
Quelle: t-nation.com/training/6-new-ways-to-turn-on-muscle-growth