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Behindert Krafttraining das Wachstum von Kindern und Jugendlichen?

Das Krafttraining zum Muskelaufbau hat in den letzten Jahren immer mehr an Popularität gewonnen und auch Altersgruppen erfasst, die man früher nur selten im Gym antraf. Scheinbar immer älter, aber auch jünger werden die Menschen, die man in den Fitnessstudios auf der Hantelbank und unter dem Squatrack antreffen kann. Die Behauptung, dass das Krafttraining die Wachstumsfugen von Heranwachsenden schließt und somit die Entfaltung der vollen Körpergröße hemmt, bereitet jedoch nicht nur Eltern, sondern auch vielen Jugendlichen trotz des Wunsches nach mehr Muskeln Sorgen. Doch was ist dran? Behindert Krafttraining das Wachstum?

Schon immer wollten junge Menschen schnell erwachsen werden und dementsprechend auch wie erwachsene Menschen aussehen. Mit dem Vorbild von Schauspielern und Superhelden wollen Jungen heutzutage schon im Kindesalter dicke Muckis haben und Mädchen weibliche, trainierte Kurven. So kommt es, dass immer mehr Jugendliche nach der Schule nicht nur vor der Konsole hocken oder an öffentlichen Plätzen abhängen und Drogen oder Alkohol konsumieren, sondern sich ins Fitnessstudio begeben. In vielen Gyms ist es gestattet, mit Einwilligung der Eltern ab dem 15. Lebensjahr zu trainieren, noch weit vor Ende der Wachstumsphase.

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Wie geht das Längenwachstum vonstatten?

Kinder und Jugendliche besitzen Wachstumsfugen an den Enden der großen Röhrenknochen, die zum größten Teil aus Knorpel bestehen. Wenn Kinder wachsen, verlängert sich der Knochen in diesem Bereich, sodass in diesen Knorpel Stück für Stück Calcium eingelagert und er allmählich zum festen Knochen wird. Knochen bestehen allgemein aus Bindegewebe, in das dieses und andere Mineralien eingelagert werden. Am Ende der Wachstumsphase schließen sich die Fugen. Sie sind dann völlig mit fester Knochensubstanz zugewachsen [1, 2].

Sobald dieser Prozess beendet ist, können wir nicht mehr in die Höhe wachsen. Er endet bei Mädchen in der Regel zwischen dem zwölften und 16. Lebensjahr, wohingegen Jungen für gewöhnlich zwischen dem 14. und 19. Lebensjahr aufhören zu wachsen [3]. In Ausnahmefällen kann das Längenwachstum auch bis zum Alter von 24 Jahren anhalten, aber der Durchschnittsmensch sollte mit Beginn des Erwachsenenalters ausgewachsen sein.

Wachstumsfuge
Der Knochenaufbau eines heranwachsenden Menschen

Wie Krafttraining das Wachstum beeinflusst

Tatsächlich kann das Krafttraining das Wachstum von Kindern unter bestimmten Voraussetzungen erheblich beeinträchtigen. Allerdings muss dafür die Wachstumsfuge beziehungsweise die darüberliegende Epiphyse maßgeblich verletzt werden. Studien zeigen, dass das beim Krafttraining mit sauberer Technik nicht passiert [4]. Stattdessen ist das Risiko bei anderen Sportarten, besonders bei Sprungdisziplinen in der Leichtathletik oder beim Basketball, um ein Vielfaches höher, da die Knochen dort Kräften von bis zum Fünf- bis Siebenfachen des eigenen Körpergewichts ausgesetzt sind [4].

Basketballspieler springen in einem Spiel dutzende Male und landen manchmal mit all dem Gewicht auf einem Bein. Zusätzlich kommen Kräfte durch das Laufen und den Kontakt mit anderen Spielern zustande. Wenn wir uns die Rate an Verletzungen ansehen, dann liegen das Gewichtheben mit 2,4 bis 3,3 Verletzungen pro 1000 Trainingsstunden und das Powerlifting mit 1,0 bis 4,4 Verletzungen pro 1000 Trainingsstunden weit unter dem Durchschnitt von 6,5 Verletzungen pro 1000 Belastungen bei Männern [5, 6]. Mit die höchste Rate erreichen beispielsweise American Football mit durchschnittlich 9,2 Verletzungen pro 1000 Belastungen, Basketball mit durchschnittlich 8,5 Verletzungen pro 1000 Belastungen und Fußball mit durchschnittlich 8 Verletzungen pro 1000 Belastungen. Ringer kommen sogar auf einen Wert von durchschnittlich 13,1 Verletzungen pro 1000 Belastungen

Verletzungsrate ausgewählter Sportarten
Im Vergleich zu Teamsportarten besitzt das Krafttraining ein verhältnismäßig geringes Verletzungsrisiko [5, 6].
Wir haben hier zwei verschiedene Studien zusammengefügt. Die Werte für die Kraftsportarten beziehen sich auf 1000 Stunden, die Werte für alle anderen Disziplinen auf 1000 Belastungen. Sicherlich sind das nicht 1:1 die gleichen Messgrößen, doch sprechen andere Quellen gar von einem um das 27-Fache größere Risiko für Muskel- und Knochenverletzungen beim American Football gegenüber dem Krafttraining [4].

Niemand zuckt auch nur mit der Wimper, wenn Kinder schon im Vorschulalter dem Fußballverein beitreten. Aber wehe ein Heranwachsender nimmt eine Hantel in die Hand. Unter der Voraussetzung einer guten Anleitung ist im Krafttraining alles skalierbar. Man kann die Gewichte den Kapazitäten des Kindes oder Jugendlichen anpassen und Übungen verwenden, die besser zur Anatomie des Sprösslings passen. In anderen Sportarten ist das nicht ganz der Fall. Man kann nicht kontrollieren, wie und wo ein Kind landet, wenn es einen Körperkontakt hat. Man kann nicht beeinflussen, wie hart und wie oft ein Kind von Mitspielern gefoult wird oder ob es einen scharf geschossenen Ball abbekommt.

Wie das Training einer Körperseite bei Verletzungen die Kraft der anderen Seite beeinflusst!

Auch wenn beim Training gilt, Verletzungen durch eine saubere Übungsausführung stets zu vermeiden, ist niemand von uns davor gefeit, sich in- oder außerhalb des Gyms eine Blessur zuzuziehen. Ist es dann einmal passiert, stellt sich die Frage, wie und ob man nun am besten weiter trainieren sollte, um möglichst wenig Muskelmasse einzubüßen. Während manche Verletzungen […]

Das soll natürlich nicht bedeuten, dass traditionelle Sportarten gefährlich für das Wachstum eines Kindes oder Jugendlichen sind. Was wir stattdessen sagen wollen ist, dass Krafttraining für das Wachstum keine größere Gefahr als Fußball und Co. darstellt. Stattdessen ist sich die Wissenschaft relativ einig darüber, dass das Krafttraining für Kinder zahlreiche Vorteile hat und das Wachstum sogar steigern kann. Ein Review kam zu dem Schluss, dass die Wirkung von mechanischer Last auf die Wachstumsfugen gesund ist und sogar dazu führt, dass das Wachstum angeregt wird, besonders in der Pubertät [7].

Eine weitere Untersuchung fand heraus, dass Krafttraining das Wachstum nicht behindert und einen positiven Einfluss auf die hormonelle Lage nimmt, welche für die Entwicklung hilfreich sein kann [8]. Das Längenwachstum scheint durch anabole Hormone beeinflusst zu sein und wir wissen, dass das Training mit Gewichten zu einer vermehrten Ausschüttung führt [2]. Auch Studien, die sich mit dem Einfluss von Krafttraining auf das Wachstum vor der Pubertät beschäftigen, kamen zu dem Ergebnis, dass es keine negative Beeinträchtigung gibt [9].

Testosteron, HGH und Co.: Wie beeinflusst die Hormonausschüttung nach dem Training unseren Muskelaufbau?

Dass unsere hormonelle Lage im Allgemeinen eine große Rolle beim Muskelaufbau spielt, ist eine hinreichend belegte Tatsache. Männer mit einem Mangel an Testosteron leiden oft unter dem Verlust von Muskelmasse, Menschen mit einem Wachstumshormondefizit sind in der Regel nicht nur klein, sondern weisen auch weniger Muskelkraft auf und bei Frauen besteht ein Zusammenhang zwischen dem […]

Tatsächlich scheint die Muskelmasse einer der wichtigsten Faktoren für die Vorhersage der Knochenentwicklung zu sein [10]. Krafttraining könnte damit sogar mit zu den besten Dingen zählen, die ein körperlich aktives Kind unternehmen kann, um die genetisch vorgegebene Körpergröße zu maximieren, denn Krafttraining baut logischerweise mehr Muskelmasse auf als konventionelle Sportarten. So ziemlich jede Studie zu diesem Thema kam zu dem Schluss, dass Krafttraining die motorischen Fähigkeiten, die Kraft und die sportliche Leistung von Kindern verbessern kann sowie protektiv gegen Verletzungen wirkt [4, 11, 12, 13]. Zu guter Letzt kam ein systematisches Review zu dem Schluss, dass die muskuläre Fitness auch bei Kindern und Jugendlichen mit weniger Körperfett, mehr Muskelmasse und einer verbesserten Knochengesundheit in Verbindung steht.

Fazit und Zusammenfassung

Die Frage, ob Krafttraining das Wachstum von Kindern und Jugendlichen per se behindert oder beeinträchtigt, können wir mit einem klaren Nein beantworten. Solange der heranwachsende Mensch mit einer sauberen Technik und einer angepassten Übungsauswahl trainiert, sollte das Training zum Muskelaufbau sogar positive Einflüsse auf die Entwicklung der Körpergröße haben. Eine negative Auswirkung hätte lediglich eine Verletzung der Wachstumsfugen. Dieses Risiko ist in traditionellen Sportarten jedoch deutlich größer.

Als Elternteil sollte man also keine Angst um sein Kind haben, solange man es in gute Hände gibt. Als Jugendlicher, der mehr Muskeln aufbauen will, sollte man darauf achten, das Ego vor der Tür zu lassen und sich zunächst auf das Erlernen der richtigen Technik fokussieren, bevor man nur daran denkt, die Gewichte zu steigern. Das ist vielleicht besonders für diese Personengruppe mental gesehen nicht einfach, doch es wird langfristig nicht nur vor Verletzungen bewahren, sondern auch mehr Muskelmasse und Kraft bringen. Wir können am Ende nur befürworten, dass Jugendliche eine gesunden, aktiven Lebensstil pflegen, anstatt ihre Zeit an Konsolen oder gar mit dem Konsum von Alkohol und Drogen verbringen. 

https://www.instagram.com/p/B8l0HybghPm/


Primärquelle:
Calvin Huynh: „Does Weight Training Stunt a Child’s Growth?“ awesomefitnessscience.com

Literaturquellen:

  1. Falk, Bareket, and A. Eliakim. „Resistance training, skeletal muscle and growth.“ Pediatric endocrinology reviews: PER 1.2 (2003): 120-127.
  2. Behringer, Michael, et al. „Effects of resistance training in children and adolescents: a meta-analysis.“ Pediatrics 126.5 (2010): e1199-e1210.
  3. Crowder, Christian, and Dana Austin. „Age ranges of epiphyseal fusion in the distal tibia and fibula of contemporary males and females.“ Journal of Forensic Science 50.5 (2005): JFS2004542-7.
  4. Faigenbaum, Avery D., and Gregory D. Myer. „Resistance training among young athletes: safety, efficacy and injury prevention effects.“ British journal of sports medicine 44.1 (2010): 56-63.
  5. Kerr, Zachary Y., et al. „College sports–related injuries—United States, 2009–10 through 2013–14 academic years.“ Morbidity and Mortality Weekly Report 64.48 (2015): 1330-1336.
  6. Aasa, Ulrika, et al. „Injuries among weightlifters and powerlifters: a systematic review.“ Br J Sports Med 51.4 (2017): 211-219.
  7. García-Hermoso, Antonio, Rodrigo Ramírez-Campillo, and Mikel Izquierdo. „Is muscular fitness associated with future health benefits in children and adolescents? A systematic review and meta-analysis of longitudinal studies.“ Sports Medicine (2019): 1-16.
  8. Lloyd, Rhodri S., et al. „Position statement on youth resistance training: the 2014 International Consensus.“ Br J Sports Med 48.7 (2014): 498-505.
  9. Malina, Robert M. „Weight training in youth-growth, maturation, and safety: an evidence-based review.“ Clinical Journal of Sport Medicine 16.6 (2006): 478-487.
  10. Mirtz, Timothy A., Judy P. Chandler, and Christina M. Eyers. „The effects of physical activity on the epiphyseal growth plates: a review of the literature on normal physiology and clinical implications.“ Journal of clinical medicine research 3.1 (2011): 1.
  11. Nilsson, Ola, et al. „Endocrine regulation of the growth plate.“ Hormone research in paediatrics 64.4 (2005): 157-165.
  12. Pines, M., and S. Hurwitz. „The role of the growth plate in longitudinal bone growth.“ Poultry science 70.8 (1991): 1806-1814.
  13. Sander, André, et al. „Influence of a 2-year strength training programme on power performance in elite youth soccer players.“ European journal of sport science 13.5 (2013): 445-451.
  14. Vicente-Rodríguez, German. „How does exercise affect bone development during growth?.“ Sports Medicine 36.7 (2006): 561-569.
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