Unumstritten steht ganz oben auf der Prioritätenliste eines jeden motivierten Anfängers die Entwicklung eines monströsen Oberarms. Fragt man nach dem Grund, wird der Wunsch ganz sicher mit der Annahme begründet, dass ein massiver Bizeps von Stärke und Männlichkeit zeugt. Es dauert nicht lange, bis sich die Prioritäten verschieben. Schnell wird die Erkenntnis gewonnen, dass es durchaus andere Muskelgruppen gibt, die einen wesentlichen Einfluss auf die bodybuildingtypische Optik haben. Breit will der Trainingsanfänger dann plötzlich sein und beschäftigt sich intensiver mit der Anatomie des Körpers, um nach der Sichtung einiger Blogbeiträge und Fitness YouTube Videos festzustellen, dass Bizeps und Trizeps nur eine kleine Geige spielen, wenn es um ein imposantes Erscheinungsbild geht.
In der Anfangszeit ganz nach dem Motto „Nur Muskeln trainieren, die man auch im Spiegel sieht“ ins Studio geschlendert, ist nun das Interesse für eine Muskelgruppe geweckt, die die Wenigsten zum Start ihrer Karriere auf dem Schirm haben.
Es ist der Rücken, der auch im dicken Pullover erkennen lässt, ob ein Athlet seine Hausaufgaben im Studio erledigt.
Neben dem Trapezius, den Rhomboiden und dem Erector Spinae ist hauptsächlich einer dafür verantwortlich, dass sich bei harter Kontraktion die Sonne verdunkelt und die Blicke erstarren:
Latissimus Dorsi
Der Latissimus Dorsi – in Fachkreisen auch Lat abgekürzt – hat den größten Einfluss auf die Rückenbreite und die damit verbundene, typische V-Form und das umgangssprachliche, breite Kreuz.
Er erfüllt zwei Hauptaufgaben. Die Schulteradduktion, die den Arm von der Seite aus näher zum Körper bringen soll, und die Schulterextension, die den Arm von vorne näher zum Körper bringt. Aus diesem Grund macht es Sinn, Übungen zu wählen, die diese Aufgaben imitieren.
Mind-Muscle-Connection
Oft kommt es vor, dass junge Sportler, aber auch erfahrene Athleten Schwierigkeiten damit haben, ein Muskelgefühl zu ihrem Latissimus zu entwickeln. Das liegt in erster Linie daran, dass die für den flächengrößten Muskel des Menschen verwendeten Übungen unsauber ausgeführt werden.
Schnell übernehmen Bizeps und Trapez die Arbeit, die eigentlich vom großen Rückenmuskel ausgeführt werden sollte. Für eine ausreichend große Reizsetzung muss beim Latissimus die korrekte Technik noch mehr eingehalten werden, als es bei Übungen für andere Muskelgruppen der Fall ist.
Um die Verbindung zwischen Geist und Muskel zu stärken, bevor es an die harten Arbeitssätze geht, empfiehlt es sich, eine den Latissimus aktivierende Übung mit leichtem Gewicht und extrem langsamen Wiederholungen auszuführen.
Der einarmige Latzug mit einem Einhandkabelgriff zur Körpermitte bietet einen Ansatz, mit dem der Muskel erfahrungsgemäß aktiviert werden kann. Dabei ist es durchaus sinvoll, den Latissimus mit der anderen Hand zu berühren und sich voll und ganz auf ihn zu konzentrieren.
Eine Studie aus dem Jahr 2009 zeigt, dass die Betastung und das aktive Denken an die Muskelaktivierung zu einer erhöhten Aktivität in den Arbeitssätzen führt.
Horizontal und Vertikal
Möglichst effektiv wird eine Belastung des Lats, wenn horizontale (Ruderbewegungen) und vertikale Zugübungen (Klimm- und Latzüge) in den Plan integriert werden.
Entgegen der allgemeinen Broscience im Studio, sind die vertikalen Bewegungen den horizontalen nicht überlegen. Das Gegenteil ist der Fall. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass Ruderbewegungen eine größere Latissimus-Aktivierung anstoßen können.
Die Griffweite ist in erster Linie abhängig vom generierten Muskelgefühl. Man wird zwar mit einer Griffweite, die weder zu weit noch zu eng ist, die größten Gewichte bewegen können. Davon hat man aber nichts, wenn der Muskel nicht ausreichend gespürt und aktiviert werden kann.
Frequenz & Intensität
Der flächenmäßig größte aller Muskeln ist Typ II dominant. Er spricht dadurch hauptsächlich auf schwere Wiederholungen im mittleren und niedrigen Wiederholungsbereich an. Natürlich bietet ein breit aufgestellter Mix aus niedrigen und hohen Wiederholungszahlen einen guten Mix, um alle Eventualitäten abzudecken.
Insgesamt wird man mit einer wöchentlichen Frequenz von zwei bis drei Belastungen die optimale Dichte finden. Wichtig dabei ist, dass eine gesamte Satzanzahl von 25 Arbeitssätzen nicht überschritten wird, weil es sonst schnell zu Regenerationsproblemen kommen kann.
Mit der richtigen Übungsauswahl und einer einwandfreien Technik wird man zukünftig nicht mehr so tun müssen, als ob man Rasierklingen unter den Armen hat. Das erledigt der ausgeprägte Latissimus dann von ganz alleine. Dazu bedarf es keiner Auswahl an Millionen Isolationsübungen. Wer mit horizonalen und vertikalen Zugübungen den flächenmäßig größten Muskel des Körpers mit schweren Übungen so unter Belastung setzt, dass die Arbeit im Satz nicht von Bizeps oder Trapez übernommen werden, wird schon bald eine beneidenswerte Rückenbreite vorweisen können.
Referenzstudien:
ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19826307
ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24245055
jstage.jst.go.jp/article/jspfsm/54/2/54_2_159/_article
ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC449729/
ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19197209