In der Trainingswissenschaft unterscheiden wir grundsätzlich zwei verschiedene Arten der Hypertrophie. Während bei der häufigeren Form, der myofibrillären Hypertrophie, die Anzahl kontraktiler Elemente in der Muskelzelle ansteigt und so gleichzeitig ein Aufbau von Kraft die Folge ist, bedeutet die sarkoplasmatische Hypertrophie, dass die Zelle aufgrund der Vergrößerung des Volumens an Zellflüssigkeit und der darin gelösten Substanzen, wie beispielsweise Glykogen, anwächst. Jahrelang behauptete eine Vielzahl von Menschen jedoch, dass diese zweite Art im Grunde so marginal ausfällt, dass sie keine Relevanz besitze oder gar überhaupt nicht auftreten würde. Eine aktuelle Studie bietet nun weitere Beweise, dass die sarkoplasmatische Hypertrophie tatsächlich existiert.
Jahrelang war die sarkoplasmatische Hypertrophie ein Mysterium der evidenzbasierten Fitnesswelt. Eine aktuelle Untersuchung trug jedoch weitere Beweise für die Existenz dieses Phänomens zusammen [1]. „Weitere Beweise“ deshalb, weil die erste Studie, die darüber berichtete, bereits 50 Jahre alt ist, aber aussagekräftige Referenzen über all die Jahre dennoch spärlich gesät waren und man diese Art der Hypertrophie deshalb vielerorts nicht richtig ernst nahm.
Bevor wir in die Materie abtauchen, sollten wir allerdings kurz erklären, was der Begriff der „sarkoplasmatischen Hypertrophie“ eigentlich bedeutet. Einfach ausgedrückt bestehen Muskelfasern hauptsächlich aus den kontraktilen Elementen Aktin und Myosin. Den Rest der Muskelzelle macht das Sarkoplasma aus, welches neben der Zellflüssigkeit mit darin gelösten Nährstoffen wie Glykogen und Proteinen auch die restlichen Zellorganellen sowie einige nicht-kontraktile Elemente beinhaltet.
Wenn eine Faser wächst, geht man im Grunde davon aus, dass der relative Anteil der Myofibrillen entweder gleich bleibt oder ansteigt. Man würde dies als „myofibrilläre Hypertrophie“ bezeichnen. Wenn die Faser jedoch wächst und sich dabei der relative Anteil der Myofibrillen reduziert, weil der Anteil des Sarkoplasmas stärker ansteigt, würde man dies als „sarkoplasmatische Hypertrophie“ bezeichnen.
Die Studie
Die vorliegende Untersuchung fand im Nachgang an eine vorherige Studie statt, in der anhand fortgeschrittener Athleten der Einfluss von einem sehr hohen Trainingsvolumen und einer Nahrungsergänzung mit Wheyprotein untersucht wurde [2]. Wir haben sie am Rande bereits in einem anderen Artikel angesprochen. Das Teilnehmerfeld bestand aus 31 jungen Männern mit mindestens einem Jahr Trainingserfahrung. Für die vorangegangene Studie mussten sie ein Trainingslevel erreicht haben, auf dem sie mindestens das eineinhalbfache ihres Körpergewichts in der Kniebeuge bewältigen konnten. Für die vorliegende Untersuchung hinsichtlich der sarkoplasmatischen Hypertrophie zog man jene 15 Teilnehmer aus diesem Feld heran, die einen deutlichen Zuwachs des Muskelfaserquerschnitts aufweisen konnten.
Das Trainingsprogramm der vorangegangenen Studie bestand über sechs Wochen hinweg aus wöchentlich drei Trainingseinheiten mit fünf verschiedenen Übungen. Im Anschluss wurden die Daten anhand von Biopsien, vorrangig aus dem Vastus lateralis, also dem äußeren Oberschenkel, erhoben. Für den Zweck dieses Artikels werden wir uns daher auf das Training der Kniebeuge konzentrieren. Dies bestand aus zehn Sätzen mit einer Intensität von 60 Prozent der Kraft, die die Teilnehmer für maximal für eine saubere Wiederholung bewältigen konnten. In der ersten Woche führten die Probanden insgesamt zehn Sätze aus, davon vier am ersten Tag, zwei am zweiten Trainingstag und erneute vier Sätze am letzten Trainingstag. Das Volumen stieg dabei von Woche zu Woche, sodass es in Woche sechs ganze 32 Sätze umfasste. Davon zwölf am ersten Trainingstag, acht am zweiten Trainingstag und erneut zwölf Sätze Kniebeugen am dritten Trainingstag.
Neben den Gewebeproben wurden vor sowie nach drei und sechs Wochen der Intervention Blutanalysen durchgeführt. Die Biopsien wurden 24 Stunden nach der letzten Trainingseinheit in Woche drei und sechs entnommen. Bei sieben Probanden entnahm man zusätzliche Proben am siebten Tag nach der letzten Biopsie am Ende des Trainingsprogramms. Diese Teilnehmer sollten zwischen der letzten Trainingseinheit und der letzten Biopsie kein Training mehr ausführen. Die Forscher untersuchten den prozentualen Gehalt und die Dichte von Aktin und Myosin in den Fasern, die Glykogenkonzentration, die Aktivität des Enzyms Citratsynthase als Marker des Mitochondrienvolumens, einige Marker der muskulären Schäden und des Proteinabbaus sowie Veränderungen im prozentualen Gehalt von sarkoplasmatischen Proteinen.
Die Forscher gingen im Vorfeld davon aus, dass die Konzentration von Aktin und Myosin sowie die der Citratsynthase sinkt, was auf eine Verringerung der Mitochondriendichte hinweisen würde. Sie erwarteten dagegen entweder keine Veränderung oder eine Steigerung des prozentualen Glykogengehaltes und des prozentualen Gehaltes von sarkoplasmatischen Proteinen.
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Die Ergebnisse
Während sich die Konzentrationen von Glykogen, Flüssigkeit und sarkoplasmatischen Proteinen zwischen dem Start der Studie und dem Ablauf des sechswöchigen Trainingsprogramms nicht signifikant veränderten, sank die Konzentration von Aktin und Myosin in diesem Zeitraum dagegen deutlich (p=0,035), genauso wie die Aktivität der Citratsynthase. Auch wenn die Veränderung des prozentualen Gehaltes sarkoplasmatischer Proteine eine statistische Signifikanz nur knapp verfehlte, stieg er im Schnitt um 23 Prozent und stellt damit eine deutliche Variable dar. Der p-Wert dieses Unterschiedes lag bei 0,065.
„Statistische Signifikanz“ bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit für ein zufälliges Ergebnis (p) bei unter fünf Prozent beziehungsweise unter einem Wert von 0,05 liegt. Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, schau dir unseren Artikel „Das ist das Problem mit wissenschaftlichen Studien!“ bezüglich der Interpretation von wissenschaftlichen Studien an.
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Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass der absolute Gehalt kontraktiler Elemente pro Faser nicht abnahm. Eine Veränderung der Anzahl von Aktinfilamenten in Kombination mit einem gesteigerten Querschnitt der Fasern führt zu einer Abnahme des prozentualen Gehaltes in der Zelle. Weiterhin sollte man anmerken, dass vor dem Trainingsprogramm sowie nach drei Wochen noch eine enge Korrelation zwischen dem Aktingehalt und des Querschnitts der Muskelfasern bestand. Diese Beziehung konnte jedoch nach Beendigung der Studie nicht mehr beobachtet werden. Dies deutet darauf hin, dass der enge Zusammenhang mit steigendem Trainingsvolumen abnimmt und dadurch das Volumen des Sarkoplasmas stärker stieg als die Anzahl der Myofibrillen.
Trotz der Abnahme des prozentualen Aktin- und Myosingehalte konnte keine signifikante Veränderung der Marker des Proteinabbaus und der muskulären Schäden beobachtet werden. Beim Überfliegen der Graphen kann man sagen, dass die Creatinkinase, der Marker für Muskelschäden, insgesamt eventuell leicht angestiegen ist. Die Veränderung war jedoch sehr unterschiedlich zwischen den Teilnehmern, weshalb keine statistische Signifikanz abgeleitet werden konnte.
Wenngleich der Gehalt sarkoplasmatischer Proteine allgemein betrachtet nicht anstieg, erhöhte sich der Anteil bestimmter Proteine, darunter diejenigen, die mit der Glykolyse (Abbau von Kohlenhydraten) und der Glukoneogenese (Herstellung von Kohlenhydraten aus Protein, Laktat oder Glycerin) in Verbindung gebracht werden.
In der Untergruppe von sieben Probanden, denen man acht Tage nach Beendigung der letzten Trainingseinheit eine erneute Biopsie entnahm, ging der Querschnitt der Muskelfasern auf das Ausgangsniveau zurück, sodass er sich nicht mehr signifikant vom Querschnitt vor beziehungsweise direkt nach dem Training unterschied. Anders als bei der Gesamtheit der 15 Teilnehmer erreichte der Anstieg der sarkoplasmatischen Proteine eine statistische Signifikanz und neigte dazu, innerhalb der einen Wochen Pause im Anschluss an die Intervention weiter anzusteigen. Dementsprechend sank auch der prozentuale Gehalt von Aktin und Myosin in den Zellen zwischen Woche sechs und sieben weiter ab.
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Interpretation der Ergebnisse
Im Grunde kann man die Ergebnisse dieser Studie auf zwei Arten interpretieren. Der konservative Ansatz wäre, sehr skeptisch dem gegenüber zu sein. Ein Teilnehmer besaß schon vor der Intervention einen sehr hohen Aktin- und Myosingehalt. Genauer genommen lag sein Wert bei über 150 Einheiten pro Milligramm, wohingegen alle anderen Teilnehmer bei unter 100 Einheiten je Milligramm lagen. Innerhalb der ersten drei Wochen sank der prozentuale Gehalt kontraktiler Einheiten abrupt ab. Wenn wir diesen Teilnehmer herausnehmen, der sehr deutlich aus der Reihe fällt, ist der Rückgang der Aktin- und Myosinkonzentration nicht mehr statistisch signifikant (p=0,053 statt 0,035). Sollte es sich bei diesem Probanden um einen abnormalen Fall handeln, dann können wir uns hinsichtlich der sarkoplasmatischen Hypertrophie freuen, während wir in der Realität wahrscheinlich auf etwas sehr Banales schauen, nämlich auf ein falsch positives Ergebnis in einer kleinen Stichprobe.
Der liberalere Interpretationsansatz wäre, die Ergebnisse zu nehmen, wie sie sind und wir würden an dieser Stelle auch genau dazu tendieren, da es auch nicht die erste Untersuchung ist, die auf eine Existenz der sarkoplasmatischen Hypertrophie hindeutet [3, 4, 5, 6, 7]. Daher sollte man hier nicht vollkommen überrascht sein. Egal, ob man den einen Ausreißer jetzt hinzuzählt oder nicht, deutet die knappe statistische Signifikant oder das knappe Verfehlen derselbigen besonders auf die geringe statistische Power hin, die aufgrund der kostenintensiven biochemischen Analysen in dieser Studie nur sehr gut nachvollziehbar ist. Man müsste entsprechend mehr Probanden analysieren, was wiederum die Kosten immens steigern würde.
Sarkoplasmatische Hypertrophie kann also definitiv stattfinden und wir können diese Aussage nicht nur auf Grundlage der angesprochenen Studie treffen, sondern auch basierend auf mehreren vorherigen Studien mit ähnlichen Beobachtungen.
Allerdings ergeben sich daraus einige Fragen:
- Was ist ihr Zweck?
- Wie häufig tritt sie auf?
- Wissen wir, wie wir sie durch das Training beeinflussen können?
Der Zweck der sarkoplasmatischen Hypertrophie
Vor einigen Jahren stellte man die Hypothese auf, dass die Steigerung von Proteinen, die mit dem anaeroben Stoffwechsel zusammenhängen, die treibende Kraft dieses Phänomens darstellen. Krafttraining ist metabolisch gesehen sehr aufwendig, aber der aerobe Stoffwechsel wird mit zunehmender Größe der Muskelfasern immer ineffizienter, besonders wenn man kein separates aerobes Training ausführt. Grund dafür ist, dass die Dichte der Mitochondrien oftmals abnimmt und die Diffusionsdistanz für Sauerstoff bis zur Zielfaser größer wird, sofern sich der Querschnitt erhöht. Wenn Muskelfasern wachsen, werden sie folglich mehr und mehr vom anaeroben Stoffwechsel abhängig und produzieren mehr Proteine des anaeroben Stoffwechsels, die Wasser in die Muskelfaser ziehen und dadurch das Volumen des Sarkoplasmas erhöhen.
Die Erkenntnisse der vorliegenden Studie stützen diese Hypothese, da die Aktivität der Citratsynthase als Marker für die Mitochondriendichte abnahm und der Gehalt sarkoplasmatischer Proteine anstieg, speziell jene, die mit dem anaeroben Stoffwechsel zusammenhängen. Für die meisten Gewebe in unserem Körper besteht die oberste Priorität darin, die Energiehomöostase aufrechtzuerhalten. Wenn wir hart trainieren und dies unseren Stoffwechsel beansprucht, wird die Bedrohung für diese Homöostase als größere Gefahr interpretiert als die bewegte Last an sich. Daher versucht der Körper, den Pool an Proteinen zu erhöhen, die für eine schnelle Produktion von ATP sorgen können. Die Vermehrung kontraktiler Elemente erscheint erst später auf der Prioritätenliste und erfolgt dann, wenn die Kapazität dafür gegeben ist. Dieses Modell schlagen jedenfalls auch die Autoren als Erklärung vor und behaupten quasi, die sarkoplasmatische Hypertrophie könnte so womöglich den Weg für die Zunahme kontraktiler Elemente ebnen.
Wie häufig tritt die sarkoplasmatische Hypertrohie auf?
Leider sind die meisten Labore nicht so gut ausgestattet wie das, in der die vorliegende Studie durchgeführt wurde. Daher haben einige Paper lediglich die myofibrilläre Dichte gemessen und darüber auf das sarkoplasmatische Volumen geschlossen. Dennoch können wir aus Studien, die funktionale Eigenschaften einzelner Muskelfasern erforscht haben, einige Hinweise ableiten. Die Kraft, die eine Faser pro Einheit des Querschnitts aufbringen kann, auch bekannt als „spezifische Spannung“, sollte einen linearen Zusammenhang mit ihrer myofibrillären Protein-Dichte aufweisen. Wenn die Kraft einer einzelnen Faser also stärker steigt als ihr Querschnitt, können wir davon ausgehen, dass die myofibrilläre Dichte sich erhöht. Wenn im Gegensatz dazu die Kraft langsamer steigt als der Querschnitt der Faser, sinkt die myofibrilläre Dichte wahrscheinlich, wohingegen der Anteil an Sarkoplasma wahrscheinlich ansteigt.
Gemäß einer aktuellen Meta-Analyse von Dankel et al. steigt die spezifische Spannung allgemein mit dem Training, was bedeutet, dass die Kraftaufwendung schneller wächst als der Querschnitt [8]. In der Zusammenfassung der Studien stieg die Kraft um 17,5 Prozent in Typ I Muskelfasern, wohingegen sich ihr Querschnitt um nur 6,7 Prozent steigerte. Im Falle von schnellzuckenden Typ II Fasern stieg die Kraft um 17,7 Prozent und der Querschnitt um 12,1 Prozent, wobei dieser Unterschied nicht signifikant war. Es scheint also klar zu sein, dass die sarkoplasmatische Hypertrophie zwar stattfinden kann, die myofibrilläre Hypertrophie jedoch die mit Abstand häufigere Art darstellt, auf die der Querschnitt der Muskelfasern ansteigt.
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Wissen wir, ob wir die sarkoplasmatische Hypertrophie durch das Training beeinflussen können?
Zum jetzigen Zeitpunkt lautet die konservative Antwort auf diese Frage „nein“. Allerdings haben wir bereits einige Hinweise. Wenn das Phänomen hauptsächlich durch die Steigerung von Proteinen, die im anaeroben Stoffwechsel von Bedeutung sind, stattfindet, dann sollte ein höherer metabolischer Stress eine größere sarkoplasmatische Hypertrophie zur Folge haben. Mit anderen Worten: Ein hohes Volumen von acht oder mehr Wiederholungen wird wahrscheinlich dabei behilflich sein. Zum Vergleich, die vorliegende Studie nutzte ein extrem hohes Volumen mit vielen Sätzen je zehn Wiederholungen und verursachte ein vergleichsweise hohes Maß an sarkoplasmatischer Hypertrophie.
In anderen Studien, bei denen ein niedrigeres Volumen und ein Wiederholungsbereich von vier bis sechs angestrebt wurde, hatten fast alle Teilnehmer eine myofibrilläre Hypertrophie zu verzeichnen [9]. Ein schwerer Satz mit 90 Prozent des 1RM bis zum Muskelversagen führte nicht zu einer Steigerung der sarkoplasmatischen Proteinsynthese, wohingegen ein Satz mit 30 Prozent der Maximalkraft bis zum Muskelversagen die sarkoplasmatischen Proteinsynthese für mindestens 24 Stunden steigerte [10].
Eine aktuelle Meta-Analyse kam zu dem Ergebnis, dass das Training im Bereich von acht bis zwölf Wiederholungen im Vergleich mit 20 bis 30 Wiederholungen zu ähnlichen Steigerungen der isometrischen Kraft und des Muskelvolumens führte, was darauf hindeutet, dass auch das Verhältnis von myofibrillärer und sarkoplasmatischer Hypertrophie in etwa gleich war [11]. Diese Tatsache fechtet die verbreitete Meinung an, dass nur ein Training mit hohen Wiederholungszahlen die sarkoplasmatische Hypertrophie auslöst. Während bei sehr schweren Gewichten unter fünf bis acht Wiederholungen wahrscheinlich die myofibrilläre Hypertrophie die Oberhand besitzt, ist eine Steigerung des Sarkoplasmavolumens bei moderaten und leichten Gewichten wahrscheinlicher, solange bis nah am Muskelversagen trainiert wird. Auch die Anzahl der Sätze spielt eine Rolle, denn Studien zeigen, dass 20 Sätze für den Quadrizeps deutlich stärker mit einer sarkoplasmatische Hypertrophie in Verbindung stehen als zehn Sätze [12, 13].
Ein weiterer Faktor, der eine Rolle spielen könnte, ist der Trainingsstatus, denn in der hier thematisierten Studie handelte es sich um gut trainierte Athleten. Die meisten der Untersuchungen in Dankels Meta-Analyse verwendeten untrainierte Anfänger und deuten auf einen stärkeren Anteil der myofibrillären Hypertrophie hin. In einer anderen Studie beobachtete man, dass sie myofibrilläre Volumendichte bei fortgeschrittenen Bodybuildern und Kraftsportlern höher war als in der Kontrollgruppe aus untrainierten Versuchspersonen [4]. Weiterhin scheint die spezifische Spannung bei erfahrenen Bodybuildern geringer zu sein als bei Trainingsanfängern [14].
Solange alle anderen Variablen gleich sind, scheint die myofibrilläre Hypertrophie besonders zu Beginn der Trainingskarriere im Vordergrund zu stehen und mit zunehmender Trainingserfahrung in die sarkoplasmatische Hypertrophie überzugehen. Wenn wir annehmen, dass dieses Phänomen eine Anpassung darstellt, um mit dem gesteigerten anaeroben Stoffwechsel klarzukommen, da der Energieaufwand des Trainings mit dem Arbeitspensum und der Kraft steigt, ergibt diese Erklärung auch Sinn. Mit zunehmendem Energieaufwand, größerem Muskelquerschnitt und dadurch sinkender Effektivität des aeroben Stoffwechsels wird ein größerer Beitrag der anaeroben Stoffwechsel schlichtweg notwendig, der dann die sarkoplasmatische Proteinsynthese begünstigt.
Abschließende Gedanken
Wir haben in diesem Artikel einige Möglichkeiten und Ideen zusammengetragen. Dennoch müssen wir erneut festhalten, dass es sich hierbei lediglich um Vermutungen handelt. Ohne Zweifel wurde die Idee der sarkoplasmaischen Hypertrophie in der Literatur lange Zeit übersehen. Alles, was wir demnach im Moment unternehmen können, ist die spärlich gesäten direkten Daten mit indirekten Erkenntnissen zu untersetzen. Das bringt uns jedoch zu ein paar interessanten Fragen.
Beispielsweise wird allgemein angenommen, dass Training in einem niedrigen Wiederholungsbereich von fünf oder weniger pro Satz gesehen nicht so effektiv hinsichtlich des Muskelaufbaus ist wie moderate oder hohe Wiederholungszahlen bis zum Muskelversagen. Es ist jedoch möglich, dass die Zunahme myofibrillärer Proteine sogar durch schwere Singles, Doubles oder Triples noch ausgelöst wird. Trotzdem ist die Zunahme des Muskelquerschnitts höher, wenn auch das Volumen des Sarkoplasmas ansteigt.
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Wir wissen bisher weiterhin nicht, ob die Annahme der Forscher, dass die sarkoplasmatische Hypertrophie nur die Wege für die Zunahme myofibrillärer Strukturen ebnet, korrekt ist oder nicht. Wenn sie sich bewahrheiten sollte, dann stellt sie etwas dar, was man als ambitionierter Kraftsportler anstreben muss. Wenn die Vermutung falsch ist und diese beiden Prozesse vollkommen unabhängig voneinander verlaufen, dann sollte man als Powerlifter oder Gewichtheber die sarkoplasmatische Hypertrophie eher versuchen zu vermeiden, da sie nur die eigene Muskelmasse erhöht, ohne zu Kraftsteigerungen zu führen.
Eine weitere Unbekannte stellt das Limit der sarkoplasmatischen Hypertrophie dar. Eventuell kann sie unabhängig der Steigerung myofibrillärer Strukturen ein enormes Ausmaß annehmen und über Jahre ansteigen. Auf der anderen Seite könnte es Mechanismen geben, die einen unkontrollierten Anstieg in Relation zur myofibrillären Hypertrophie verhindern. Wir benötigen schlichtweg mehr Studien, die verschiedene Trainingsarten hinsichtlich dieser histologischen Parameter vergleichen und herausfinden, wie wir die sarkoplasmatische Hypertrophie steigern können.
Schlussendlich wollen wir noch darauf hinweisen, wie unterschiedlich die Ausgangslagen und Veränderungen der einzelnen Teilnehmer dieser Studie waren. Beispielsweise reichte die Myosinkonzentration vor dem Training von 17 Einheiten pro Milligramm bis 170 Einheiten pro Milligramm, wohingegen die Veränderung der myofibrillären Dichte von einem Anstieg um 58 Prozent bis zu einer Verringerung um 59 Prozent reichte. Glücklicherweise haben die Forscher in ihrem Paper die Reaktionen jedes einzelnen Teilnehmers grafisch festgehalten. Damit sollte klar sein, dass die Durchschnittswerte der Gruppen nicht für jeden gelten und das Verhältnis von sarkoplasmatischer und myofibrillärer Hypertrophie sehr individuell sein kann.
Zusammenfassung und Fazit
Obwohl einige Personen in der Fitnessindustrie etwas anderes behaupten, kann es mittlerweile als bewiesen angesehen werden, dass die sarkoplasmatische Hypertrophie kein Mythos ist. Der Grad, in dem sie stattfindet, hängt von dem Wiederholungsbereich ab, in dem du trainierst und die Wahrscheinlichkeit für ihr Auftreten ist ab einer Zahl von acht bis zehn Wiederholungen erhöht. Auch die Anzahl der Sätze trägt zu diesem Phänomen bei. Wahrscheinlich steigt die Chance auf eine sarkoplasmatische Volumenvergrößerung mit steigender Trainingserfahrung, was auf der Vermutung basiert, dass mit steigender Muskelmasse und Kraft im genannten Wiederholungsbereich eine stärkere anaerobe Energiebereitstellung nötigt ist. Dennoch bleibt zu betonen, dass noch sehr viel mehr Forschung nötig ist, um die Details abschließend zu klären.
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Primärquelle:
Greg Nuckols: „Sarcoplasmic Hypertrophy is Real, but is it Relevant?“, Monthly Applications in Strength Sport (MASS), Volume 3, Issue 8
Literaturquellen:
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Ich denke die Differenzierung ist unnötig. Wissenschaftlich betrachtet macht die Differenzierung Sinn, um die Prozesse besser verstehen und beschreiben zu können. Praktisch gesehen weniger, weil wir bereits wissen (seit Jahrzehnten) welche Widerholungsbereiche, und Intensitäten zu welchen Anpassungen führen. Ein Powerlifter wird nicht über 10 Wiederholungen trainieren, zumindest nicht dauerhaft. Ein Bodybuilder wird nicht 3 x 3 mit 95% 1RM trainieren, zumindest nicht dauerhaft. Ein sehr langer, ausführlicher Artikel, der nicht viel neues zu Tage bringt und meiner Meinung nach in fünf Zeilen zusammenfassbar wäre.