Die Lernkurve zum Trainingsbeginn ist steil. Weil der Muskelaufbau im Studio aus unzähligen Prozessen besteht, sieht man sich gerade zum Start seiner Trainingskarriere vor einem riesigen Berg an Informationen, die erhalten, verstanden, gefiltert und ausgewertet werden müssen. Es ist nicht damit getan, den Vertrag zu unterschreiben und sich auf das Gerät seiner Wahl zu setzen, um ein wenig Gewicht zu bewegen. Vielmehr ist es für den Erfolg im Studio notwendig, sich mit Trainings- und Ernährungskonzepten auseinanderzusetzen. Das ist heutzutage durch das Internet nicht mehr so zeitaufwendig wie früher, birgt aber auch Gefahren. So werden veraltete Glaubenssätze weitergetragen, ohne dass sie nach aktuellen Erkenntnissen noch Gültigkeit besitzen. Das erkennt man ganz gut am Beispiel Muskelkater.
Egal, ob man über Jahre hinweg trainiert hat oder gerade erst startet, mit Muskelkater wird man immer wieder konfrontiert. Es ist dieses Gefühl, das dafür sorgt, dass man 24 bis 72 Stunden nach einem harten Beintraining eher wie ein zerbrechlicher Rentner als wie ein durchtrainierter Athlet die Treppen im Hausflur erklimmt.
Gerade wenn man noch nie trainiert oder aber über einen längeren Zeitraum pausiert hat, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass kurze Zeit nach einer erfolgten Einheit der Muskelkater einsetzen wird. Es wirkt fast so, als wenn der Körper einer rachsüchtigen Frau gleicht, die ihren Frust über die dreiwöchige Trennung nun voll und ganz ablassen möchte.
Man sollte nie den Fehler machen und den Muskelkater unterbewerten oder – wie auch häufig zu erkennen – als Erfolgsfaktor für den Muskelaufbau sehen. Er kann zukünftige Trainingseinheiten negativ beeinflussen und das Leistungspotenzial um bis zu 50 Prozent reduzieren.
Obwohl der Muskelkater allgegenwärtig ist und so gut wie jeder Sportler darüber spricht, ist es atemberaubend, wie wenig Athleten darüber wissen. Immer noch gehen Trainierende dieser Welt davon aus, dass Muskelkater durch eine übermäßige Laktatansammlung entsteht.
Kein Sauerstoff!
Unterschiedliche Arten der körperlichen Betätigung, unter ihnen auch das Krafttraining, benötigen mehr Sauerstoff als unser Körper liefern kann, sodass wir dazu gezwungen werden, Energie unter Abwesenheit von Sauerstoff zu produzieren, beispielsweise anaerobisch.
In dieser Situation produziert der Körper weiter Glukose durch die Metabolisierung von Pyruvat, weil aber der Sauerstoff fehlt, wird das Pyruvat kurzzeitig in Laktat konvertiert, das der Glukose dabei hilft, herunterzubrechen und Energie zu generieren.
Unglücklicherweise kann jener aufwendige Prozess nur zwei bis drei Minuten erfolgen, in denen eine riesige Ansammlung an Laktat entsteht. Natürlich trägt diese Anhäufung dazu bei, dass die Muskelzellen übersäuern und ruft das brennende Gefühl hervor, das jeder Athleten kennen wird.
Trotzdem hat diese temporäre Anhäufung – wie oft geglaubt und gepredigt – keine Verbindung zu einem entstehenden Muskelkater. Laktatlevel sinken innerhalb von wenigen Stunden wieder auf ihren Ausgangswert.
Die Hintergründe sind komplex
Während man mit Sicherheit sagen kann, dass die Laktatansammlung nicht für den auftretenden Muskelkater verantwortlich ist, besteht aktuell noch keine Einigkeit darüber, welche Ursache letztendlich dazu führt. Höchstwahrscheinlich hat es etwas mit der durch die im Training entstandenen Muskelschäden zu tun, aber auch diese Ansicht ist etwas zu wirr.
Über einen langen Zeitraum ist man davon ausgegangen, dass insbesondere exzentrisch ausgeführte Bewegungen starkes Katerpotenzial besitzen. Das langsame senken extrem schwerer Gewichte und der daraus resultierende Muskelschock sollte dazu führen, dass ein extremer Stretch entsteht, der Muskelfasern dehnt, reizt und vielleicht sogar zum Reißen bringt.
Diese Schäden würden dann dazu führen, dass unzählige Metaboliten entstehen, die Entzündungen und Schmerzen hervorrufen, welche ursprünglich als Muskelkater charakterisiert wurden.
Das Mikroskop und die Magnetresonanztherapie sprechen aber eine andere Sprache. Blickt man auf Bilder aus der MRT, sehen beschädigte Muskeln in vielen Fällen ausgezeichnet aus, selbst wenn der Athlet, der untersucht wird darauf schwört, dass er sich fühlt, als wäre er von einem LKW überfahren worden.
Auch gibt es Läufer, die praktisch keine Berührungspunkte zu exzentrischen Bewegungen haben. Trotzdem erfahren auch sie immer wieder einen Muskelkater, wenn sie über eine längere Zeit pausieren.
Nozizeptoren kommen nicht aus dem Jurassic Park
Es ist sicher, dass Training für die Freisetzung von Metaboliten verantwortlich ist. Diese Metaboliten führen zu Entzündungen, Schwellungen und Übersäuerung. Alle von ihnen tragen zum Muskelkater bei.
Weiter kann ein Muskelkater aber auch mit speziellen Schmerzrezeptoren – genannt Nozizeptoren – in Verbindung gebracht werden. Diese Nozizeptoren liegen zwischen den Muskelzellen und werden durch trainingsinduzierte Metaboliten aktiviert, egal ob das Gewebe unter dem Mikroskop gesund auszusehen scheint oder nicht.
Unnütze Taktiken, die bei einem Muskelkater nicht helfen
Erfahrungsgemäß greifen Athleten, die vom Muskelkater geplagt sind, gerne zur altbewährten Ibuprofen und wissen nicht, dass sie damit einen negativen Einfluss auf die Muskelproteinsynthese und den Stoffwechsel ausüben können.
Andere verwenden Eis, um den Kater in Schach zu halten, bedenken dabei aber nicht, dass ein geringer Anteil an Entzündungen für den Prozess der Heilung erforderlich ist. Die Verwendung von Kälte scheint im Fall einer akuten Entzündung die Heilung zu verlangsamen.
Neuerdings ist besonders in den sozialen Netzwerken und Internetforen auch die Selbstmassage mit dem Foam Roller ein ganz großer Trend, wenn es um die Bekämpfung von Muskelkater geht. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen aber hier, dass es unterschiedliche Ergebnisse gibt und man bisher keine eindeutige Bestätigung für einen positiven Einfluss auf die Regeneration finden kann.
Natürlich wird die Selbstmassage zu einer verminderten Muskelspannung führen, was letztendlich dafür sorgen wird, dass man sich besser fühlt. Trotzdem wird der Kater nicht vollkommen beseitigt.
Auch oft gepredigte Präventivmaßnahmen, wie Pre-Workout-Dehneinheiten oder Aufwärmtaktiken – werden keinen Effekt auf die Entwicklung eines Muskelkaters bringen.
Taktiken, die erfahrungsgemäß helfen können
- Curcumin
Dieser Pflanzenextrakt macht Schmerzen und Entzündungen einen Strich durch die Rechnung, indem er eine Vielzahl an Molekülen unterdrückt. Die Liste der dabei unterdrückten chemischen Verbindungen ist beachtlich: Phospolipase, Lipooxygenase, Leukotriene, Thromboxan, Prostaglandin, Interleukin-12 und viele weitere.
Alle tragen ihren Teil zur Entstehung eines Muskelkaters bei und werden durch das Curcumin abgeschwächt. Dabei greift der Pflanzenextrakt jedoch nicht in den Prozess des Muskelwachstums ein.
- Fischöl
Omega-3-Fettsäuren im Fischöl können Interleukin-6 und den Tumornekrosefaktor reduzieren. Diese zwei Verbindungen sind ein Garant dafür, dass die besprochenen Nozizeptoren gereizt und aktiviert werden.
- Koffein
Während die beiden eben besprochenen Taktiken nach dem Training genutzt werden, wenn es bereits schmerzt, kann Koffein schon vorher gegen den Muskelkater eingesetzt werden. Bis zu 450 Milligramm vor einem Workout führen dazu, dass Adenosinrezeptoren geblockt werden und weniger Schmerz entsteht.
Natürlich besteht die beste Taktik um Muskelkater zu vermeiden darin, sich Schritt für Schritt an erfolgende Belastungen im Training heranzutasten. Darauf wird man als motivierter Sportler aber kaum hören wollen. So macht es Sinn, sich intensiver mit der Entstehung des Katers zu beschäftigen und zu erkennen, dass er nicht viel mit einer Anhäufung von Laktat zu tun hat. Viel mehr stecken unzählige Prozesse dahinter, die bis heute nicht genau verstanden werden. Dennoch gibt es einige Taktiken, mit denen man den Kater abwenden und schnell wieder in die nächste Einheit starten kann.
Quelle: t-nation.com/supplements/tip-doms-isnt-caused-by-what-you-think