Beim Trainingsvolumen scheiden sich bekanntlich die Geister. Auf der einen Seite sind die HIT Befürworter, die fast religiös darauf bestehen, dass es nur einen Satz benötigt, um das Maximum an Muskelwachstumsreiz pro Trainingseinheit herauszuholen. Auf der anderen Seite wiederum sind die Volumen Verfechter, die praktisch gar nicht mehr aufhören wollen zu trainieren und immer mehr und mehr machen möchten. Doch muss es wirklich eines dieser Extreme sein? Eigentlich nicht. Genau genommen haben beide Seiten ein klein wenig Recht, aber eben nicht vollkommen, denn es ist tatsächlich wohl weniger Volumen nötig, um Muskeln aufzubauen, als viele Volumen Freaks glauben mögen. Dennoch ist bis zu einem gewissen Punkt mehr eben doch mehr. Schauen wir uns das genauer an!
Die Frage des Wochenvolumens
Aktuelle Studien weißen darauf hin, dass ein Wochenvolumen von über zehn Sätzen pro Muskelgruppe bezogen auf den Muskelaufbau doppelt so hohe Ergebnisse mit sich bring als unter fünf Sätze pro Woche zu trainieren. Über zehn Sätze pro Woche scheinen auch mehr Muskelaufbau zu bedeuten als fünf bis zehn Sätze pro Woche. Der Unterschied ist aber schon nicht mehr so klar wie der Vergleich von über über zehn Sätzen pro Woche mit unter fünf Sätzen pro Woche. Was erkennen wir also daraus?
Mehr ist besser, aber nicht auf linearer Ebene. Die Effektivität nimmt zwar zunächst einmal mit jedem Satz zu, die Effizienz wird jedoch immer schwächer. Wir können dementsprechend sagen, dass der Volumen Freak absolut Recht hat mit seiner These, dass ein Satz pro Muskelgruppe und Trainingseinheit nicht ausreicht, um Muskelwachstum im effektivsten aller Fälle auszulösen. Trotzdem muss man Low Volume Junkies zugute halten, dass sie in jedem Fall damit recht haben, dass man nicht stundenlang im Gym verbringen muss, um Muskeln aufzubauen.
Je mehr Sätze man also pro Trainingseinheit hinzufügt, desto geringer wird der Benefit sein und irgendwann ist das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag einfach nicht mehr im Gleichgewicht, sprich der Mehreffekt wird von der mangelnden regenerativen Komponente schlichtweg eingeholt. Einfach nur unkontrolliert immer mehr macht keinen Sinn!
Das Trainingsalter spielt eine Rolle
Je erfahrener man im Training ist, desto mehr Volumen muss man am Ende trainieren, um auch nur noch kleine Fortschritte in Sachen Muskelaufbau zu machen. Zumindest wenn es die schnellstmögliche Art des Muskelwachstums sein sollte. Das liegt natürlich mit daran, dass es immer schwieriger wird, neue Muskelschäden und Progression zu erreichen und es auch nicht gerade wahrscheinlicher wird, brutale Peaks in der Muskelproteinsynthese erreichen zu können. Einfach nur immer mehr Intensitätstechniken und Co. an einen Satz anzuhängen, wie beispielsweise beim HIT, ist nicht die Lösung, denn die Aktivität der Muskelproteinsynthese steht in direkter Verbindung mit dem Trainingsvolumen.
Den anabolen Effekt erreicht man also im Normalfall besser mit einem zusätzlichen Satz, der nicht bis zum Muskelversagen trainiert, als mit einem Satz, der so mit Intensitätstechniken beladen ist, dass es praktisch schon zum Versagen des zentralen Nervensystems kommt. Unter dem Strich sind die meisten Intensitätstechniken ohnehin nichts anderes als eine Erhöhung des Workloads und somit die Erhöhung des Volumens. Als Beispiele dienen Forced Reps, Drop Sets und so weiter. Für fortgeschrittene Sportler stellt sich eher die Frage, ob sich eine starke Steigerung des Trainingsvolumens für nur geringe Fortschritte beim Muskelaufbau wirklich lohnt oder ob das besagte Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht mehr im Einklang steht.
Wie schnell musst du am Ziel sein?
Auch das ist eine berechtigte Frage. Sowohl mit Low Volume als auch mit High Volume wirst du an dein Ziel kommen, sofern du regelmäßig optimal überschwellige Reize setzt und über dem Minimum deines Trainingsvolumens für progressive Fortschritte liegst. Der Unterschied liegt nur darin, dass du tendenziell schneller an dein genetisches Limit stößt und dort dann eben länger verweilst oder ob du den langsameren Weg nimmst, aber ebenfalls am Ziel ankommst. Deshalb muss man sich eigentlich nicht die Frage stellen, was besser ist, sondern was schneller ist und wie viel Einsatz man bereit ist zu geben.
Man kann sich das also wie bei einem Navigationssystem vorstellen. Entweder man nimmt die schnellste Route oder die ökonomischste. Bei der schnellsten Route wirst du gegebenenfalls mehr Benzin benötigen und dein Motor läuft permanent im roten Bereich. Bei der ökonomischsten Route hingegen gehst du effizienter mit deinen Ressourcen um. Du kannst auf diese Weise – um zurück zum Training zu kommen – mit weniger Training und mehr Zeit für andere Dinge das Gleiche erreichen, nur eben mit unterschiedlichem Zeitaufwand!