Im Grunde genommen ist Kraftsport nicht sonderlich kompliziert. Möchte man Erfolge erzielen, sollte man insbesondere darauf achten, in regelmäßigen Abständen und bei gleichbleibend guter Übungsausführung stärker zu werden. Dennoch werden diverse Dinge immer wieder infrage gestellt und hitzig diskutiert. Das Dehnen beispielsweise wird von vielen Studiogängern als überflüssig bezeichnet, während andere wiederum darauf schwören, um beweglicher zu werden und dadurch unter anderem das Verletzungsrisiko zu senken. In der Wissenschaft gibt es allerdings Hinweise darauf, dass Stretching im direkten Vergleich mit Krafttraining scheinbar keinerlei Vorteil zu bieten hat, wenn es um die Verbesserung der Mobilität geht!
Jeder von uns wird im Gym schon einmal einer der selbstgefälligen Personen begegnet sein, die wohl nichts anderes machen, als sich zu dehnen und dabei unnötig viel Platz in Anspruch nehmen. Sozusagen wie ein großer Hund, den wir als besten Freund des Menschen natürlich alle gern haben, obwohl wir in aller Regelmäßigkeit über ihn stolpern und uns dabei fast das Genick brechen.
Nicht schlecht ist auch der ungläubige Blick, der einem von diesem Typus Studiogänger zugeworfen wird, wenn man von der Umkleidekabine direkt zum Squat Rack läuft und mit den Kniebeugen startet. Und das ohne sich zuvor wie ein Schlangenmensch auf dem Boden geräkelt zu haben. Ihre Blicke verraten, was sie denken, wenn man statt sich zu dehnen einfach mit der leeren Langhantel seine Übung beginnt.
Auch wenn Dehnübungen und Blackrolls sicherlich ihre Berechtigung haben, die wir in keinster Weise verkennen möchten, so gibt es in diesem Bereich logischerweise ebenfalls Forschung, die Stretching, verglichen mit Krafttraining, keinen Benefit einräumt. Dr. James Whitehead von der University of North Dakota präsentierte hierzu beim jährlichen Treffen des American College of Sports Medicine 2010 eine wissenschaftliche Arbeit!
Der amerikanische Professor rekrutierte für sein Experiment insgesamt 37 Studenten, wovon 25 per Zufallsprinzip in eine von zwei Gruppen eingeteilt wurden. Die eine absolvierte ein Krafttraining und die andere konzentrierte sich auf Dehnübungen für Beinbizeps, Hüfte und Schulter. Zwölf Studenten machten gar nichts und fungierten somit als Kontrollgruppe.
Nach fünf Wochen zeigten Kraft- und Beweglichkeitstests folgendes:
- Beinbizeps: Die beiden Versuchsgruppen erzielten in etwa dieselben Ergebnisse und waren beide logischerweise besser als die Kontrollgruppe.
- Hüftmobilität: Das Dehnen brachte nichts, Krafttraining schon.
- Schulterbeweglichkeit: Krafttraining war genauso erfolgreich wie Stretching.
Wie Dr. Whitehead zwar zugab, sei seine vorläufige Studie klein gewesen und man müsse die Ergebnisse selbstverständlich in größerem Rahmen wiederholen. Sollte dies allerdings gelingen, brauche man sich zukünftig keine Gedanken bezüglich Dehnübungen machen, sofern man im Kraftsport aktiv ist.
Die Untersuchung hilft bei der von vielen Experten aufgestellten These, dass über den vollen Bewegungsumfang ausgeführte Übungen generell nichts anderes sind, als erzwungenes Dehnen. Ein Kraftsportler ist in den meisten Fällen ohnehin schon deutlich mobiler als ein Otto Normal Mensch oder ein Athlet, der nicht mit Gewichten trainiert.
Laut der Studie von Dr. Whitehead ist Krafttraining also zur Verbesserung der Beweglichkeit ausreichend oder dem traditionellen Stretching sogar zum Teil überlegen, da man unter dem Strich eigentlich auch nichts anderes macht, als sich dynamisch zu dehnen. Das bedeutet allerdings nicht, dass man auf das Dehnen oder die Blackroll verzichten sollte.
Das subjektive Empfinden darf auf keinen Fall vergessen werden, denn wenn es einem durch diverse Dehnübungen besser geht, sollte man keineswegs aufhören, sie auszuführen. Zudem lässt sich damit auch die Regeneration positiv beeinflussen. Die hier thematisierte Studie legt lediglich nahe, dass Stretching zur Verbesserung der Mobilität keine dringende Notwendigkeit zu sein scheint!
Quelle: t-nation.com/training/tip-no-need-to-stretch-if-you-do-this
Referenz:
From a paper presented to the American College of Sports Medicine’s 57th Annual Meeting, Baltimore, June 1-5, 2010. James R. Whitehead, EdD, University of North Dakota, Grand Forks.