Ein Großteil der Trainingsanfänger entscheidet sich erst im späten Jugendalter dazu, aktiv an sich und der körperlichen Entwicklung zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt kann man davon ausgehen, dass die angehenden Kraftsportler vollständig ausgewachsen sind und wenig Gegenwind durch ihr soziales Umfeld erhalten. Dann gibt es aber auch Frischlinge, die sich bereits in einem sehr jungen Alter für Muskeln interessieren und gerne mit dem Bodybuilding starten würden. Oft ist das der Fall, wenn Mama oder Papa selbst aktiv im Kraftsport sind und man sie stolz machen möchte. Oder es wird ein verstaubtes Heft im Keller gefunden, auf dem ein Bodybuilder mit riesigen Muskelbergen posiert.
Wenn die Leidenschaft einmal geweckt ist, wird es schwierig werden, diese auf ein anderes Ziel zu lenken. Warum sollte man das aber überhaupt machen? Weil das Krafttraining die Entwicklung von Kindern negativ beeinflusst und das Wachstum stoppt – so zumindest die allgemeine Auffassung!
Schnell gehen die Alarmglocken an, wenn ein Jugendlicher oder gar ein Kind sich gerne mit dem Krafttraining auseinandersetzen möchte.
Während Vereinssportarten, wie beispielsweise Fußball oder Handball, allgemein akzeptiert sind und sich dabei keine Gedanken um mögliche Verletzungen des jungen Sportlers gemacht wird, kommt es beim Bodybuilding im Jugendalter oft zu einem Konflikt zwischen Eltern und Kind.
Aus den Medien oder über den Buschfunk wurde irgendwann einmal aufgeschnappt, dass ein Training mit Gewichten dazu führt, dass der Körper sein Wachstum vorzeitig einstellt und das Kind unausgewachsen durch sein zukünftiges Leben schreiten muss.
Woher kommt die Annahme?
In den 1960er Jahren wird von japanischen Forschern festgestellt, dass Kinder, die täglich mit schweren Gewichten arbeiten, eine kleinere Statur aufweisen als gleichaltrige Kinder, die zu diesem Zeitpunkt nicht arbeiten müssen.
Sie schlussfolgern, dass die offensichtlichen Unterschiede in der Körperstatur dadurch entstehen, dass die Kinder immer wieder schweren, von außen auf sie einwirkenden Kräften ausgesetzt sind.
Ihrer Annahme nach richten extreme Lasten, die auf den Körper wirken, Schäden an, die die Wachstumsfugen betreffen. Dadurch, so die Hypothese, schließen sich die Enden der Knochen vorzeitig und die Größe bleibt unterentwickelt.
Eine logische Erklärung, könnte man denken.
Wo liegt der Fehler?
Wie so oft in der Deutung bestimmter Ereignisse, werden hier auch wieder Korrelation und Kausalität durcheinander geworfen.
Nur, weil die Kinder schwer arbeiteten, muss das noch lange nicht bedeuten, dass die schwere Arbeit der Auslöser für die Körperstatur ist.
Vielmehr scheint es aus heutiger Sicht wahrscheinlicher zu sein, dass die Kinder nicht nur überarbeitet, sondern auch unterernährt waren. Denkt man nur an den Einfluss der Ernährung auf das Muskelwachstum, wird schnell deutlich, dass eine Unterernährung auch auf das Längenwachstum negativ wirkt.
Wissenschaft
Widerlegt werden kann die Hypothese heutzutage mit einer breit aufgestellten Studienlage.
So zeigt ein Manuskript aus dem Jahr 2014 auf, dass ein korrekt ausgeführtes Krafttraining entgegen der japanischen Hypothese nicht nur keinen negativen Einfluss auf die Wachstumsfugen hat. Vielmehr wird bemerkt, dass das Training mit Gewichten der Knochenbildung und dem Wachstum behilflich sein kann.
Unterstützt wird diese Erkenntnis auch aus biologischer Betrachtung und einer Studie aus dem Jahr 2006, in der die Wissenschaftler attestieren, dass Übungen unter Spannung, die Stress auf den Knochen auswirken, biochemische Mechanismen triggern, die eine Knochenneubildung fördern.
Die generelle Annahme, dass die Wachstumsfugen Schaden nehmen, wenn mit schweren Gewichten trainiert wird, ist heutzutage widerlegt. Nichtsdestotrotz hält sich das Gerücht hartnäckig und veranlasst noch viele dazu, Kindern und Jugendlichen das Krafttraining zu verbieten. Damit wird den jungen Menschen nicht nur die Möglichkeit genommen, ihre körperlichen Ziele zu verfolgen. Völlig unbeachtet dabei bleibt, dass man ihnen die Chance nimmt, ihre Knochen zu stärken und das Wachstum sogar zu fördern. Nach den aktuellen Erkenntnissen fördert Krafttraining nämlich die Knochengesundheit, schützt vor Verletzungen und verbessert die allgemeine Stärke. Bedenkt man jetzt noch, dass Kinder, die früh mit dem Krafttraining anfangen, eher eine Routine dafür entwickeln und so auch im Erwachsenenalter den Sport betreiben, gibt es keinen Grund, warum man ihnen den Zugang verwehren sollte.
Quellen:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24055781
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16796394
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3483033/