„Die letzten beiden Wiederholungen sind die wichtigsten.“ – Jeder dürfte diesen Spruch kennen, doch entspricht er der Wahrheit oder handelt es sich eher um eine haltlose Behauptung? Das wollen wir uns im nachfolgenden Artikel näher ansehen. Die Idee, einen Satz so weit zu treiben, dass kaum eine weitere Rep möglich ist und Muskelversagen erreicht wird, ist ein übliches Konzept, das Sinn machen kann. Die meisten Trainierenden reizen die Sätze nämlich nicht lange genug aus, um Hypertrophie zu stimulieren. Der obige Satz verdeutlicht demnach die Wichtigkeit, eine bestimmte Grenze zu überschreiten, wenn man Muskelwachstum erreichen möchte!
Nimmt man es aber wörtlich, müsste man sagen, dass alle Wiederholungen außer den letzten zweien keinen Werte haben, wenn es um Kraftentwicklung und Muskelzuwachs geht. Es könnte fast der Eindruck entstehen, dass man ohne bis zum Muskelversagen zu trainieren seine Zeit verschwendet.
Stimmt das wirklich? Nun, es besteht kein Zweifel daran, dass Muskelversagen ein bewährter Auslöser für Wachstum ist. Schließlich werden viele Muskelfasern ermüdet und zudem häufen sich Metaboliten (Milchsäure, Wasserstoffionen, etc.) an, die damit in Verbindung stehen, lokale Wachstumsfaktoren freizugeben.
Zitate wie das zu Anfang des Artikels sind also teilweise richtig. Die letzten beiden Wiederholungen können die wichtigsten sein, da Muskelversagen eine umfassendere Ermüdung der Muskelfasern und eine Anhäufung von Wachstumsfaktoren begünstigt. Ein solcher Trainingsansatz kann bei Übungen angemessen sein, die neurologisch gesehen weniger anspruchsvoll sind. Wie immer gibt es jedoch auch Gegenargumente!
Was nicht gut ist am Training bis zum Muskelversagen
Zunächst einmal muss man feststellen, dass auch alle anderen Wiederholungen wichtig sind, da sie Nervenaktivierung erhöhen und die Muskelfasern vorermüden. Beides führt zu einer besseren Faserrekrutierung am Ende des Satzes. Ohne die ersten Reps lässt sich schlichtweg kein Zustand der Erschöpfung erreichen. Der Großteil des Satzes, der dich in die Lage bringt, dass du überhaupt Schwierigkeiten bei den letzten Wiederholungen bekommst, ist dementsprechend nicht zu verachten.
Darüber hinaus ist es so, dass die ersten Reps geeigneter für motorisches Lernen sind. Am Anfang des Satzes ist es einfacher, eine perfekte Technik aufrechtzuerhalten oder den Fokus auf die maximale Kontraktion der Muskulatur zu legen. Sobald die Milchsäure sich bemerkbar macht und jede Rep schmerzvoller wird, konzentriert man sich eher darauf, der Qual ertragen und das Gewicht irgendwie zu bewältigen, statt besonderen Wert auf die Ausführung zu legen.
Die einfacheren Wiederholungen sind ein großartiges Werkzeug, um zu lernen, wie man den Zielmuskel richtig kontrahiert und ansprechen kann. Je besser man darin wird, desto mehr Muskelwachstum lässt sich auslösen.
Bei schweren Grundübungen bis ans Limit zu gehen, ist oftmals keine ganz so gute Vorgehensweise, denn zum Zeitpunkt des Muskelversagens sind noch nicht alle involvierten Muskeln komplett erschöpft. Man kann nur einfach im Zusammenspiel nicht mehr so viel Kraft aufbringen, um das Gewicht zu meistern. Hinzukommt, dass bei diesen Übungen ein sehr hoher neuraler Stress produziert wird, der das restliche oder nächste Workout negativ beeinflussen kann. Über eine Woche andauernde Leistungseinbußen sind keine Seltenheit.
Die leidende Ausführung
Bei Grundübungen, vor allem wenn die Haltung eine entscheidende Rolle spielt, wird die Technik schlechter werden, bevor man Muskelversagen erreicht. Das kann sowohl in einem erhöhten Verletzungsrisiko als auch in schlechterem motorischen Lernen resultieren. Als Beispiele dienen unter anderem Kniebeugen und Kreuzheben.
Man sollte immer bedenken, dass Muskelversagen nicht der einzige Reiz ist, den man für weiteres Wachstum setzen kann. Es gibt zahlreiche Athleten, die einen phänomenalen Körper aufgebaut haben, ohne jeden Satz bis ans Limit auszuführen. Via mTOR lässt sich Muskelaufbau beispielsweise auch mit langsamer Negativen begünstigen. Man kann sogar lokale Wachstumsfaktoren über die Ansammlung von Milchsäure stimulieren, ohne den Punkt zu erreichen, keine Wiederholung mehr zu schaffen.
Bis zum Muskelversagen zu gehen stellt zwar sicher, dass du alles gemacht hast, um den Muskel zu ermüden, doch ein unbedingt notwendige Voraussetzung ist dies nicht. Wenn der Kraftaufbau im Vordergrund steht, könnte ein derartiger Ansatz sogar kontraproduktiv sein, da die Technik leidet und die Menge an Volumen, die man eigentlich schaffen würde, sich in schlechtesten Fall verringert.
Kraft ist eine motorische Fähigkeit, nicht nur eine körperliche Kapazität. Je mehr man sie trainiert, desto besser wird man. Hat man es ausschließlich auf den Kraftaufbau abgesehen, können die neurologischen Kosten, die mit einem Trainings bis zum Muskelversagen einhergehen, das Volumen begrenzen und den weiteren Kraftaufbau zunichte machen!
Quelle: t-nation.com/training/tip-pros-and-cons-of-training-to-failure