Viele derjenigen, die bereits ein paar Jahre länger am Eisen sind, werden das Problem kennen, gerade am Anfang ihrer Trainingskarriere einiges falsch gemacht und beispielsweise zu großen Wert auf kleine, unwichtigere Übungen gelegt zu haben. Bevor es nämlich Fitness YouTuber gab und guten Coaches in den Medien ein Sprachrohr verschafft wurde, zählten Bodybuilding Magazine und die breiten Jungs im Studio zu den einzigen Informationsquellen. Das bedeutete, man hat als Anfänger sozusagen den typischen IFBB Pro imitiert. Das ist nicht grundsätzlich als schlecht zu bezeichnen, denn Tipps aus erster Hand können durchaus auch gut sein, aber es besteht dabei die Gefahr, auf Dauer etwas kurzsichtig zu werden und offensichtliche Fehler nicht mehr erkennen zu können!
Es gibt zum Beispiel ein Bodybuilding Buch von Bob Paris, einem IFBB Pro, der seine größten Erfolge in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verzeichnete. Im besagten Werk werden sogenannte „Tibia Raises“ empfohlen, wobei es sich eigentlich um nichts anderes handelt als um umgekehrtes Wadenheben. Die Ferse bleibt stehen, während man die Zehen anhebt. Man könnte nun als unerfahrener Kraftsportler davon ausgehen, dass man seinen Körper ungleichmäßig formt, sofern man genau diese Muskelgruppe nicht trainiert.
Das Problem dabei? Oftmals werden dann „Tibia Raises“ ausgeführt, aber deutlich wichtigere Übungen wie Kreuzheben oder Klimmzüge einfach nicht bedacht. Das ist ungefähr damit vergleichbar, die Felgen seines Autos zu putzen, aber nicht mehr zu tanken und auch keinen Ölwechsel vorzunehmen.
Heutzutage kann man bedauerlicherweise noch immer Ähnliches beobachten: Zu viele Trainierende wenden zu viel Zeit dafür auf, sich auf die kleinen Dinge zu konzentrieren. Übermäßig korrekte Übungsausführung, stundenlanges Dehnen und der Aufbau eines ausgeglichenen Körpers werden von Beginn an angestrebt, obwohl es eigentlich das anfängliche Ziel war, schlichtweg etwas Muskulatur aufzubauen und den Körperfettanteil nach unten zu schrauben.
Es ist natürlich ebenso wichtig, auf die Technik zu achten, mobil zu bleiben und keine Dysbalancen entstehen zu lassen, aber man sollte dabei auch nicht aus den Augen verlieren, regelmäßig schwere Gewichte zu bewegen. Anstrengung, Schweiß und Muskelkater sind eventuell nicht jedermanns Sache, doch ohne diese Dinge wird man im Kraftsport nur überschaubare Erfolge erzielen.
Genau damit wären wir auch schon beim Kernproblem angelangt: Die kleineren Dinge sind einfach, weshalb man sich für gewöhnlich von ihnen anziehen lässt. Dadurch wird der Körper allerdings nicht zu Anpassung und Veränderung gezwungen. „Einfach“ macht dich nicht stark und im Freibad gut in Badehose aussehen lässt es dich ebenfalls nicht.
Man sollte sich aus diesem Grund primär die folgenden Fragen in den Kopf rufen:
- Verschwende ich einen Großteil meiner Zeit dafür, die „innere Brust“ zu verbessern, obwohl ich noch nicht einmal einen ordnungsgemäßen Dip ausführen kann? Spiele ich mit Übungen wie dem „unilateralen Latzug“ herum, ohne auch nur einen Klimmzug zu schaffen?
- Ist mein Fokus in letzter Zeit eher in Richtung von ausgefallenen Mobility Drills abgeschweift? Habe ich im Zuge dessen die schweren Gewichte aus den Augen verloren? Könnte der eigentlich Grund hierfür sein, dass ein paar Dehnübungen im direkten Vergleich um einiges leichter zu bewerkstelligen sind, als ein unerbittlicher Satz Kniebeugen.
Es ist auf keinen Fall einfach, so selbstkritisch zu sein, doch es ist leider notwendig, um wirklichen Fortschritt zu erzielen. Konzentriere dich deshalb stets aufs Wesentliche, solange du noch keine passable Basis aufgebaut hast, die es verlangen würde, gezielt mit kleinen Übungen einzelnen Schwachstellen zu bearbeiten. Ansonsten bist du selbst, ohne es zu merken, eventuell genau die Person, die deiner Progression im Weg steht!
Quelle: t-nation.com/training/tip-focus-on-the-big-stuff