Womöglich kennt jeder das Phänomen, wenn man von einem bestimmten Lebensmittel einfach nicht genug bekommt. Man kann nicht nur eine Handvoll Kartoffelchips essen oder es bei einem Löffel Eis belassen. Manche Lebensmittel scheinen so schmackhaft zu sein, dass man meinen könnte, sie würden regelrecht süchtig machen. Unzählige Male wurde dieses Phänomen in den vergangenen Jahren von der Presse und den Medien angesprochen und für die steigende Rate von Übergewicht und Adipositas verantwortlich gemacht, doch die Forschung schien bisweilen keine klare Definition dafür gefunden zu haben. Das hat sich jetzt geändert.
Während wir wissen, dass Lebensmittel im Gehirn nicht die gleichen Effekte auslösen wie gewisse Drogen und daher nicht „abhängig“ oder „süchtig“ machen, liegt wohl auf der Hand, dass ihr Geschmack und ihre Konsistenz dazu führen, dass man Schwierigkeiten damit hat, sich an ihnen nicht zu überessen. Sie triggern das Belohnungszentrum im Gehirn so stark, dass dieses Signal Mechanismen überstimmen kann, welche uns im Normalfall sagen, dass wir genug gegessen haben. Wissenschaftler bezeichnen diese Lebensmittel auf Englisch als „hyper-palatable“, was übersetzt so viel bedeutet wie „übermäßig schmackhaft“.
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Eine kürzlich veröffentlichte Forschungsarbeit, die ebenfalls auf dem Symposium des Obesity Journals vorgestellt wurde, befasste sich mit den bisherigen Studien über den Einfluss verschiedener Nahrungsmittel und Nährstoffkombinationen auf das Verzehrverhalten von Menschen mit dem Ziel, eine klare Definition der Lebensmittel abzuleiten, von denen wir scheinbar nicht genug bekommen.
Zahlreiche Dokumentationen haben darauf hingedeutet, dass Hersteller von Lebensmitteln ihre Produkte bewusst so kreieren, dass sie besonders wohlschmeckend sind, um so den Verzehr zu fördern, wodurch sie mehr verdienen, beschrieb Tera Fazzino, die Chefautorin des Papers. Bisher gebe es jedoch keine einheitliche Definition, die es ermöglicht, zwischen den verschiedenen Studien zu vergleichen. Stattdessen seien lediglich Begriffe wie „Süßigkeiten“, „Desserts“ und „Fast Food“ verwendet worden. Da diese jedoch nicht auf die Mechanismen eingehen, durch die die Zutaten zum übermäßigen Konsum führen, war es wichtig, einen einheitlichen Fachterminus zu etablieren.
Sind wir süchtig nach Zucker?
Ob Zucker süchtig macht oder nicht, ist in der heutigen Zeit immer öfter Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Fast jeder von uns kennt das Verlangen nach zuckerreichen Lebensmitteln wie Kuchen, Eis oder Schokolade. Bei manchen wird es ausgelöst durch Stress, bei anderen durch Frust, Kummer oder Langeweile. Wenn man einmal damit angefangen hat, wollen die meisten immer […]
Das Team suchte nach allen bestehenden beschreibenden Definitionen der Nahrungsmittel, die in der Literatur beschrieben wurden und gaben sie in ein umfassendes Programm ein, welches die einzelnen Nähr- und Inhaltsstoffe sehr sorgfältig analysierte. Durch die Gemeinsamkeiten der 7.757 Produkte konnte man einen Einblick darüber gewinnen, was ein Lebensmittel „übermäßig schmackhaft“ macht. Dabei ging es besonders um die Synergien zwischen verschiedenen Zutaten, die die Schmackhaftigkeit in Kombination über die der einzelnen Zutat hinaus steigern.
Man unterteilte diese Synergien dann in drei Kategorien:
- Die Kombination aus Fett und Natrium (Salz), beispielsweise Würstchen oder Speck
- Die Kombination aus Fett und Zucker, beispielsweise Eiscreme und Gebäck
- Die Kombination aus Kohlenhydraten und Natrium (Salz), beispielsweise Cracker, Popcorn und Brezeln
Nachdem die Forscher diese Kategorien aufgestellt hatten, wandten sie diese Definitionen auf die Lebensmittel in der Datenbank für Ernährungsforschung des Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten an und fanden heraus, dass ganze 62 Prozent aller Lebensmittel in den USA in mindestens eine dieser drei Kategorien einzuordnen sind. 70 Prozent dieser Produkte waren reich an Fett und Salz, beispielsweise Produkte aus Fleisch, Milch und Eiern wie Omelettes, Käsesaucen oder Würstchen. 25 Prozent der übermäßig schmackhaften Nahrungsmittel besaßen einen hohen Fett- und Zuckergehalt und 16 Prozent ordneten sich in die Gruppe der kohlenhydrat- und salzreichen Lebensmittel ein.
Interessanterweise machten Lebensmittel, die als fettreduziert, fettfrei, zuckerarm, salzarm oder kalorienarm deklariert wurden, fünf Prozent aller Lebensmittel auf der Liste der Wissenschaftler aus. Viel schockierender war allerdings, dass ganze 49 Prozent aller Produkte, die als arm oder reduziert an Fett, Salz und/oder Zucker deklariert wurden, in eine der genannten Kategorien für übermäßig schmackhafte Lebensmittel einzuordnen waren. Nur weil etwas beispielsweise fettarm ist, kann es durch einen hohen Kohlenhydrat- und Salzgehalt den Verzehr trotzdem steigern.
Am Ende sind es die Kombinationen der Nährstoffe, die dazu führen, unser Belohnungszentrum so überzustimulieren, dass unsere natürlichen Sättigungsmechanismen übertönt werden. Naturbelassene Nahrungsmittel enthalten nur in seltenen Fällen eine der genannten Kombinationen in signifikanter Menge. Erst die Verarbeitung fügt Fett, Salz, Zucker und Kohlenhydrate in dem Maße zusammen, in dem wir von ihnen mehr aufnehmen, als nötig ist, um unseren Energiebedarf zu decken. Ein Überschuss an Kalorien wiederum führt unweigerlich zu einer Gewichtszunahme.
In vielen Ländern wird derzeit eine Nährwert-Ampel diskutiert, die kritische Werte der einzelnen Nährstoffe anzeigen soll. Beispielsweise würden Nüsse oder Öle beim Fett eine rote Markierung bekommen, um den Verbraucher zu warnen, genau wie Gebäck oder Chips. Honig dagegen würde beim Zucker ausschlagen, genau wie Süßigkeiten. Dieses System missachtet jedoch, dass die Synergie zwischen den Nährstoffen das obesogene – umgangssprachlich ausgedrückt „das „dickmachende“ – Potenzial von Nahrungsmitteln fördert.
Die aktuelle Studie könnte in Zukunft eine Richtlinie für Ernährungsgesellschaften darstellen, den Verbraucher vor übermäßig schmackhaften Nahrungsmitteln zu warnen und so die Epidemie des Übergewichtes effektiver zu bekämpfen. Die Forscher schlussfolgern, dass mehr Daten notwendig seien, um herauszufinden, welchen Mechanismen diese Kombinationen zugrunde liegen, um sinnvolle Strategien, über die Warnung hinaus, zu finden. Bis dahin bleibt uns zu sagen, dass das Wissen um diese Synergien uns als Verbrauchern helfen könnte, einen geeigneten Umgang in der eigenen Ernährung zu finden.
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Primärquelle:
University of Kansas. „Data-driven definition of unhealthy yet pervasive ‚hyper-palatable‘ foods.“ ScienceDaily. ScienceDaily, 5 November 2019.
Literaturquelle:
Tera L. Fazzino, Kaitlyn Rohde, Debra K. Sullivan. Hyper‐Palatable Foods: Development of a Quantitative Definition and Application to the US Food System Database. Obesity, 2019; 27 (11): 1761