Der Mr. Olympia 2006 blieb den meisten Fans wohl als das Jahr in Erinnerung, in dem Ronnie Coleman nach acht Titeln in Folge durch Jay Cutler vom Thron gestoßen wurde. Die beiden lieferten sich seit dem spektakulären Auftritt von Cutler beim Mr. Olympia 2001, bei dem viele Jay als Sieger gesehen haben, ein enges Kopf-an-Kopf-Duell um die Sandow Trophäe. Doch kurz vor dem eigentlichen Wettkampf fand im besagten Jahr abseits der Bühne noch ein ganz anderes, denkwürdiges Duell statt.
Als der 1,73 Meter große Athlet Melvin Anthony, der seiner Zeit als begnadeter Poser bekannt war, bei der Pressekonferenz vor dem Wettkampf danach gefragt wurde, wen er in diesem Jahr schlagen werde, antwortete der damals 36-Jährige, dass all jene, die im Jahr zuvor einen „Kinnhaken“ von ihm einstecken mussten, auch in diesem Jahr einen weiteren Kinnhaken hinnehmen werden, inklusive Markus Rühl.
Bezüglich der Statur und der Präsentation waren sich die beiden IFBB Pros allerdings nicht besonders ähnlich. Tatsächlich könnten zwei Schwergewichtsbodybuilder kaum unterschiedlicher sein. Während Markus Rühl mit seinen 130 Kilo auf 1,78 Meter ein wahres Massemonster war, brachte der fünf Zentimeter kleinere Anthony ganze 18 Kilo weniger auf die Bühne. Im Gegensatz zum „German Giant“ war Melvin Anthony jedoch besonders für seine filigrane Bühnenpräsentation bekannt. Nicht zuletzt durch sie konnte er sich in den Jahren zuvor stets die eine oder andere Top-Platzierung ergattern.
Als der Moderator und ehemalige Mr. Olympia Teilnehmer Bob Cicherillo daraufhin Markus Rühl nach seiner Meinung fragte, entgegnete er: „Never ever, vielleicht letztes Jahr, aber nicht in diesem. Du bist einfach zu dünn neben mir, Melvin.“ Mit dieser klaren Antwort sicherte sich Rühl den Beifall und das Gelächter des Publikums. Seiner Zeit gehörte der deutsche Bodybuilder zu den beliebtesten Athleten auf der Bühne. Neben seiner beeindruckenden Masse war es genau diese offene und teils amüsante Ausdrucksweise, die dem gelernten KFZ-Mechaniker den Zuspruch vieler Fans sicherte.
Leider konnte Markus Rühl nicht ganz halten, was er an diesem Abend versprach. Als die Vergleiche durch waren und die Ergebnisse verkündet wurden, landete Anthony auf dem fünften Rang, wohingegen sich Markus Rühl mit Platz Nummer acht zufriedengeben musste. Dennoch war diese Pressekonferenz ein denkwürdiger Moment in der Geschichte des Bodybuildings und wird vielen Fans noch lange in Erinnerung bleiben. Heutzutage wird im Anschluss an dieses Aufeinandertreffen der Athleten vor dem Wettkampf meist kritisiert, man würde nicht mehr aggressiv genug an die Sache herangehen, wodurch es mit den Jahren immer langweiliger wurde. Von Langeweile war 2006 unter anderem Dank Markus Rühl jedoch keine Spur.