Durch falsche Auffassungen von der Geschwindigkeit, mit der Muskelzuwachs stattfindet und magere Masse aufgebaut werden kann, müssen Athleten immer wieder erkennen, dass ihre geplante Massephase doch aus dem Ruder gelaufen ist und nicht nur Muskeln, sondern ein großer Teil Fett aufgebaut wurde. Das ist nicht nur negativ für die Optik am Ende der Massephase. Vielmehr wird ein hoher Körperfettanteil automatisch auch eine längere Diät nach sich ziehen und erhöht dadurch die Chance, dass kürzlich aufgebaute Muskelmasse ganz schnell wieder verbrannt wird. Dabei hätte der Körperfettzuwachs minimiert werden können, wenn man seine Fortschritte korrekt gemessen hätte.
Der Fettverlust ist einfach zu messen. Die Protokollierung eines erfolgreichen Muskelaufbaus gestaltet sich hingegen schwieriger. In einer kalorienreduzierten Diät zeigt der Spiegel wöchentlich Fortschritte, während der Muskelzuwachs langsam und kaum zu erkennen erfolgt, wenn man das Anfängerstadium erst einmal verlassen hat. Hier bewegt man sich in Zeitabständen von Wochen und Monaten.
Durch die Ungeduld vieler Athleten führt das zu einem Problem. Natürlich möchte man schnell optische Fortschritte sehen. Weil diese aber nicht über Nacht kommen, ist es schwierig zu bewerten, ob der aktuelle Trainingsansatz auch effektiv ist und wirklich Früchte trägt.
Ohne groß nachzudenken, verlassen sich die meisten Hobbysportler auf die Waage. Das macht im ersten Moment auch Sinn. Wenn man sich im Kalorienüberschuss befindet und das Gewicht bei gleichzeitigem Training steigt, hat man gute Chancen, dass zumindest teilweise Muskeln aufgebaut werden.
Gleichzeitig wird der Körper aber auch Fett aufbauen. Wie kann man also bewerten, ob das Verhältnis von aufgebauter Muskelmasse zu gespeichertem Körperfett akzeptabel ist?
#1 – Die Waage
Die Zahl auf der Waage ist immer noch das Mittel der Wahl, wenn es um die Bewertung des Fortschritts geht, hat aber kein Alleinstellungsmerkmal. Fakt ist, dass wenig bis kein Muskelzuwachs stattfinden wird, wenn das Gewicht nicht steigt.
Um zu verhindern, dass Unmengen an Körperfett aufgebaut werden, macht es Sinn, die Zunahme auf 0,25 bis 0,5 Prozent des aktuellen Körpergewichts pro Woche festzulegen.
Während Anfänger sich am oberen Ende orientieren können, sinkt das Potenzial für fettfreien Muskelzuwachs mit steigender Trainingserfahrung.
Ein komplett fettfreier Aufbau von Muskeln ist nahezu unmöglich, weil im Kalorienüberschuss immer auch Fett gespeichert wird. Das ist aber nicht weiter schlimm, weil der Fettverlust wesentlich schneller erreicht werden kann, wenn nach einer erfolgten Massephase die Kalorien reduziert werden.
Gewichtsmessungen sollten immer unter gleichen Bedingungen erfolgen. Es empfiehlt sich, die gleiche Waage, den gleichen Boden und die gleiche Tageszeit zu wählen, wenn eine Messung durchgeführt wird. Idealerweise findet das Wiegen direkt nach dem Aufstehen auf leeren Magen statt.
#2 – Die relative Kraft
Relative Kraft meint den Fortschritt der einzelnen Kraftwerte in Relation zum aktuellen Körpergewicht. Das Gewicht auf der Stange sollte schneller steigen als das auf der Waage.
Eine Möglichkeit, die relative Kraft zu messen, ist die Analyse der Kraftentwicklung in den großen Verbundübungen. Wiegt man beispielsweise 90 Kilogramm und kann 140 Kilogramm für sechs Wiederholungen beugen, bedeutet das, dass man sein eigenes Körpergewicht ungefähr 1,6 Mal bewegt.
Logischerweise sollte dieses Verhältnis mit steigendem Gewicht auf der Waage identisch bleiben, sich im Idealfall sogar weiter erhöhen. Zwei Kilogramm Gewichtszuwachs auf der Waage sollten also Hand in Hand mit einer Kraftsteigerung von zwölf Kilogramm auf der Hantelstange gehen.
Auch Körpergewichtsübungen geben Aufschluss über den Fortschritt. Nimmt man in der Massephase fünf Kilogramm zu, kann am Ende die gleiche Anzahl an Klimmzügen ausführen, wird man vermutlich Muskeln aufgebaut haben.
#3 – Stärker im Hypertrophie-Wiederholungsbereich
Um den Fortschritt zu überwachen, bietet sich auch der Bereich von sechs bis zwölf Wiederholungen an. Es gibt einen Grund, warum dieser Bereich seit Jahrzehnten die erste Wahl für Bodybuilder ist. Er ist effektiv, wenn es darum geht, mit einer sinnvollen Anzahl an Wiederholungen ausreichend Muskelreize zu setzen.
Kann man sich in diesem Wiederholungsbereich kontinuierlich steigern und wird stärker in den einzelnen Übungen, entsteht automatisch ein höheres Volumen, was am Ende zu einem Muskelzuwachs führt.
So kann objektiv bewertet werden, wie viel Hypertrophie durch die aktuelle Trainingsgestaltung angeschoben wird. Steigen die Kraftwerte für acht, zehn oder zwölf Wiederholungen konstant, bedeutet dies, dass muskuläre Zuwächse erzielt werden.
#4 – Training mit steigendem Volumen
Ein Zuwachs im Gesamtvolumen ist ein wichtiger Indikator für erfolgreichen Muskelaufbau. Je mehr muskuläre Arbeit absolviert werden kann, während die Fähigkeit zur Regeneration erhalten bleibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass Muskeln aufgebaut werden.
Im fortgeschrittenen Stadium ist es natürlich ab einem gewissen Punkt schwierig, stetig das Gewicht auf der Hantel zu erhöhen.
Dort muss das Volumen über andere Wege angepasst werden:
- Mehr Wiederholungen bei identischem Gewicht
- Mehr Sätze bei identischen Wiederholungen und gleichem Gewicht
- Mehr Übungen für eine bestimmte Muskelgruppe
- Eine höhere Frequenz für eine bestimmte Muskelgruppe
Zusätzlich können auch Intensitätstechniken verwendet werden, um das Volumen zu erhöhen. Hier bietet sich ein Dropsatz am Ende einer Übung an. Nach erfolgtem Arbeitssatz wird das Gewicht auf der Stange reduziert, um weitere Wiederholungen auszuführen.
#5 – Das Maßband
Wenn Messungen der Arme, der Brust, der Oberschenkel und der Waden in die Höhe schießen, ohne dass der Bauch gleichzeitig mit wächst, kann man von einem Muskelzuwachs ausgehen.
Auch hier kann man sich an einem Verhältnis orientieren. Das Arm-Hüft-Verhältnis gibt Aufschluss darüber, ob der Zuwachs zum Großteil aus Muskeln besteht. Angenommen man kann zum Start der Massephase einen 38er Oberarm vorweisen, während der Hüftumfang 76 Zentimeter beträgt, dann liegt ein 2:1 Verhältnis vor.
Mit fortlaufender Zeit im Bulk muss sichergestellt werden, dass dieses Verhältnis weiterhin besteht und sich nicht zu Gunsten eines höheren Hüftumfangs verändert.
#6 – Enger anliegende Kleidung an den richtigen Stellen
Dieses Werkzeug ist eine subjektive Form der Messung mit dem Maßband, die trotzdem ihre Daseinsberechtigung hat.
Stellt man für sich fest, dass man optisch besser aussieht, die Ärmel im T-Shirt enger werden, der Pullover im Brustbereich spannt und die Skinny Jeans plötzlich nicht mehr über die Waden reichen, ist man auf einem guten Weg.
Kann man gleichzeitig erkennen, dass immer noch das gleiche Gürtelloch verwendet wird, stehen die Chancen gut, dass das aktuelle Programm Früchte trägt.
#7 – Fotos
Im Gegensatz zum Spiegel, bei dem viele Athleten ein zu verzerrtes Selbstbild entwickelt haben, sind Fotos ein objektiveres Mittel, um den Fortschritt zu bewerten. Fotos sind gnadenlos und verstecken keine Details.
Die Dokumentation mit Hilfe von Fotos auf wöchentlicher Basis kann genutzt werden, um Vergleichsbilder nebeneinander zu legen und dadurch die Entwicklung zu erkennen. Nutzt man hingegen nur den Spiegel, ist man auf Erinnerungen angewiesen, die mit der Zeit verblassen können.
So ist der Vergleich über Fotos unter gleichbleibenden Bedingungen und identischen Posen dem Blick in den Spiegel vorzuziehen. Natürlich ohne schmeichelnde Instagram-Filter.
#8 – Caliper
Selbstverständlich benötigt man für die genaue Messung mit einem Caliper eine erfahrene Person, die messen und bewerten kann, wie der Körperfettanteil sich entwickelt. Trotzdem kann man auch als Einzelperson zumindest einige Stellen messen und daraus einen Trend ableiten, selbst wenn die Ergebnisse nicht hundertprozentig genau sind.
Am einfachsten ist es, wöchentlich die Stellen zu messen, an denen man tendenziell am meisten Körperfett speichert. Erfahrungsgemäß sind das bei männlichen Athleten der Bauch und die Hüfte. So kann nach einigen Wochen bewertet werden, ob eine Zu- oder Abnahme erfolgt ist.
Bleiben die Werte gleich oder steigen nur langsam im Verhältnis zur Zahl auf der Waage, ist man weiterhin auf dem richtigen Weg.
Möchte man als motivierter Athlet möglichst viel Muskeln bei wenig Fettzuwachs aufbauen, muss man auf eine Vielzahl an Werkzeugen zurückgreifen. Nur so kann man sicher sein, dass eine geplante Massephase nicht in einem überproportional großen Aufbau von Körperfett endet, der eine zukünftige Diät in die Länge zieht und den Erfolg limitiert. Aus diesem Grund sollten möglichst viele Messungen verwendet werden, um auf der sicheren Seite zu sein und das Potenzial des Körpers komplett auszuschöpfen.
Quelle: t-nation.com/training/the-9-metrics-of-muscle-gain