Die richtige Trainingszeit wird immer wieder heiß diskutiert und von allen Seiten hört man die zum Teil unterschiedlichsten Meinungen. Wir schauen uns in diesem Artikel den sogenannten circadianen Rhythmus einmal etwas genauer an. Zumindest den Teil, der für unsere Probleme mit dem Training am Abend sorgen kann. Um im Groben zu verstehen, was hier konkret vor sich geht, müssen wir uns zunächst unsere zwei dominanten Nervenstränge, die uns entweder „aktivieren oder deaktivieren“, im Detail ansehen.
Der Sympathikus und der Parasympathikus
Sympathikus und Parasympathikus arbeiten antagonistisch gegeneinander. Der Sympathikus führt dazu, dass wir in voller Leistungsbereitschaft sind. Hier spielen auch Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol eine wichtige Rolle. Wann immer die Stresshormonausschüttung hoch ist, sind wir voll da. Fokussiert, konzentriert. Denke in diesem Zusammenhang einfach an einen ordentlichen Pre Workout Booster. Die enthaltenen Stimulanzien resultieren beispielsweise in einer starken Ausschüttung von Adrenalin und das bringt uns sofort in Leistungsbereitschaft. Training selbst wirkt in ähnlicher Weise auf unsere Adrenalinfreisetzung und auch Cortisol mobilisiert unsere Energiereserven, sodass wir voll leistungsfähig sind.
Der Parasympathikus macht das exakte Gegenteil: Er bringt uns herunter. Wir werden müde und kommen in den Regenerationsmodus. Das wiederum hat mit Serotonin und GABA zu tun.
Es ist klar, dass wir fürs Training eine hohe Aktivität des Sympathikus‘ wünschen und diese durch das Training selbst auch provozieren und triggern. Genau hier haben wir das Problem…
Der natürliche Cortisolspiegel
Cortisol ist nichts Böses. Oftmals herrscht noch immer der Irrglaube in der Bodybuildingwelt, dass Cortisol generell schlecht sei, weil es Muskeln abbauen würde. Doch das ist absoluter Quatsch. Jedenfalls bei einer kurzfristig akuten Ausschüttung. Ein chronisch erhöhter Cortisolspiegel bringt weitaus dramatischere Probleme für die Gesundheit mit sich als den Abbau von Muskelsubstanz bei einem Bodybuilder.
Die höchsten Cortisol-Level haben wir jedoch am Vormittag. Über den Tagesverlauf nimmt unser Cortisolspiegel natürlicherweise ab. Bei einem hohem Cortisolspiegel bringen wir uns in Leistungsbereitschaft. Das ist gut am Morgen. Schließlich haben wir den ganzen Tag vor uns. Personen mit einer Nebennierenschwäche produzieren zu wenig Cortisol. Das trägt dazu bei, dass sie permanent müde sind, Antriebslosigkeit am Morgen verspüren und sich nie wirklich fit fühlen.
Sinkt der Cortisolspiegel im Laufe des Tages, switchen wir von einem dominanten Zustand des Sympathikus‘ in einen dominanten, parasympathischen Zustand. Der Körper bereitet sich also auf Regeneration vor, um sich von einem anstrengenden Tag zu erholen. Das führt dann auch dazu, dass wir am Abend schnell einschlafen und nachts insgesamt gut schlafen, was natürlich wünschenswert ist.
Das Problem mit dem Training am Abend
Du kannst dir wahrscheinlich denken, was nun das Problem ist. Du bist am Abend eigentlich schon in einem parasympathischen Zustand und damit voll im regenerativen Modus. Jetzt kommt das Training, das deinen Sympathikus aktiviert, und reißt dich vollkommen aus diesem natürlichen Zustand heraus. Das ist zwar grundsätzlich nicht weiter schlimm, doch die Wahrscheinlichkeit, dass es bis zu mehreren Stunden andauern kann, bis der Parasympathikus wieder die Oberhand gewinnt, ist hoch. Die mögliche Folge? Ein- und Durchschlafstörungen. Das ist natürlich nicht förderlich für die Regeneration. Ganz davon abgesehen, dass ein sich dadurch aufbauendes Schlafdefizit zu langfristigen Problemen führen kann.
Doch was, wenn du nur am Abend trainieren kannst?
Dann geht es eben nicht anders. Es hilft jedoch, am Abend mit Magnesium zu arbeiten und Kohlenhydrate zu essen. Nach dem Training können die Speicher demnach aufgeladen werden. Doch auch hier ist in gewisser Weise Vorsicht geboten. Mit einem zu vollen Bauch schläft es sich ebenso nicht wirklich gut.
Es gibt aber selbstverständlich auch Sportler, bei denen der Wechsel von Sympathikus zu Parasympathikus gar kein Problem darstellt. Trotz mörderischen Trainingseinheiten am Abend können sie bereits ein bis zwei Stunden später hervorragend schlafen. Das ist reine Glückssache und der Körper hat sich entsprechend adaptiert.
Der sicherste Weg ist die Eigenbeobachtung. Kannst du auch nach harten Trainingseinheiten am Abend gut schlafen, musst du im Grunde genommen gar nichts verändern. Bist du hingegen aufgekratzt und aufgedreht nach einem solchen Training und es fällt dir schwer einzuschlafen, dann solltest du die Tipps mit dem Magnesium und den Kohlenhydraten ernst nehmen. Hilft auch das nicht, bleibt dir nichts anderes übrig, als zu überlegen, ob du dein Training zeitlich nicht doch verschieben kannst.