Eine Vielzahl ambitionierter Kraftsportler setzt auf niedrigere Wiederholungsbereiche und schwere Gewichte. Das ist nicht einmal zwingend auf ein durchdachtes Trainingssystem zurückzuführen. Vielmehr geht es nicht selten darum, die Aufmerksamkeit im lokalen Gym auf sich zu ziehen. Schließlich will auch die Damenwelt unterhalten werden, obwohl sich die meisten Studiobesucherinnen recht wenig darum kümmern dürften, wenn am anderen Ende des Raumes ein vor Testosteron nur so strotzender Pumper während lautem Grunzen und rot anlaufendem Gesicht beim Maximalkraftversuch versagt!
Bei all der verbreiteten Ungewissheit in Bezug auf Gewichte und Wiederholungsbereiche ist es eventuell angebracht, die Wissenschaft einzubeziehen, um geeignete Rep Ranges zu bestimmen – auch wenn diese Vorgehensweise ein wenig aus der Mode gekommen zu sein scheint.
Eine brandaktuelle Studie, die vergangenen Monat im Journal of Strength and Conditioning Research erschien, legt nahe, dass ein Trainingsplan, bei dem der Fokus für den Unterkörper auf Hypertrophie (höhere Wiederholungszahlen) und für den Oberkörper auf Kraft (niedrigere Wiederholungszahlen) liegt, zu einer besseren Kraftentwicklung im Oberkörper führte. Als Vergleich diente ein hoch intensives Training mit niedrigen Rep Ranges für beide Körperteile.
Einfacher ausgedrückt: Bearbeitet man den Unterkörper mit höheren statt mit niedrigeren Wiederholungszahlen, soll sich dies durch besser Kraftzuwächse im Oberkörper bemerkbar machen.
Für ihr Experiment fanden Jeffrey Stout und seine Kollegen insgesamt 20 erfahrene Kraftsportler im Alter zwischen 18 und 35 Jahren. Die Probanden wurden in zwei Gruppen aufgeteilt.
- In der HI Gruppe (High Intensity) verfolgten die Testpersonen ein hoch intensives Programm für Ober- und Unterkörper. Es sollten vier bis fünf Wiederholungen bei 88 bis 80 Prozent ihres 1RM bewegt werden.
- In der MI Gruppe (Mixed High Volume) beschränkte sich das hoch intensive Programm auf den Oberkörper. Für den Unterkörper sollten die Testpersonen auf ein höheres Volumen setzen, um die Hypertrophie anzuregen. Die Vorgabe waren zehn bis zwölf Wiederholungen bei 65 bis 70 Prozent des 1RM.
Vor und nach der sechswöchigen Versuchsphase wurde von den Forschern die Kraft der teilnehmenden Probanden auf die Probe gestellt.
Die Funde der amerikanischen Wissenschaftler waren durchaus überraschend, denn die MI Gruppe, die typisches Hypertrophie Training für den Unterkörper mit einem hoch intensiven Training für den Oberkörper mischte, machte um einiges größeres Fortschritte als die HI Gruppe.
Unter anderem zeigte sich die bessere Progression beim Bankdrücken. Zum einen verbesserte sich das 1RM und zum anderen konnten die Forscher feststellen, dass die Geschwindigkeit, mit der die Wiederholungen ausgeführt wurden, maßgeblich schneller wurde. Darüber hinaus erfuhr die MI Gruppe ein größeres Muskelwachstum im Armbereich und eine größere Fettabnahme.
Ihre Resultate ließen die Wissenschaftler schlussfolgern, dass ein Trainingsprogramm, das den Fokus im Unterkörper auf Hypertrophie und im Oberkörper auf Kraftzuwachs legt, eine bessere Kraftentwicklung im Oberkörper stimulieren könne, wenn man ein hoch intensives Trainingsprogramm für beide Körperteile als Vergleich heranzieht.
Wer sich also damit konfrontiert sieht, einen neuen Trainingsplan erstellen zu müssen, der kann scheinbar dem Muskelwachstum im Oberkörper einen signifikanten Schub verleihen, wenn er den Oberkörper schwer und weniger Wiederholungen und den Unterkörper leichter und mit mehr Wiederholungen trainiert.
Diese Vorgehensweise soll laut der hier thematisierten Studie in mehr Kraft im Bankdrücken, zusätzlichem Armwachstum, erhöhter Fettverbrennung und eventuell auch besserem Muskelaufbau im Unterkörper resultieren.
Wie die Ergebnisse zustande kamen, ist derzeit noch Gegenstand von Spekulation. Es könnte unter Umständen sein, dass die höheren Wiederholungszahlen für den Unterkörper eine größere Ausschüttung von Wachstumshormonen auslöst, wovon dann der gesamte Körper profitiert. Ebenfalls vorstellbar wäre, dass zu intensives Training für den Unterkörper eine systemische Überanstrengung zur Folge hat, durch die zu viele Ressourcen verbrannt werden und der Fortschritt im Oberkörper zum Erliegen kommt.
Die genauen Mechanismen hinter den Funden sind zwar nicht wirklich klar, doch unabhängig davon dürfte das Experimentieren mit einem derartigen Ansatz zumindest ein Versuch wert sein. Stellen sich nämlich die erhofften Erfolge ein, kann man sowohl an mehr Kraft als auch an größerem Muskelwachstum erfreuen. Wer würde dazu schon nein sagen?
Quelle: t-nation.com/training/tip-surprising-new-research-on-rep-ranges
Referenzstudie:
Sandro Bartolomei; Jay R. Hoffman; Jeffrey R. Stout; Franco Merni, „Effect of Lower-Body Resistance Training on Upper-Body Strength Adaptation in Trained Men,“ Journal of Strength and Conditioning Research. 32(1):13–18, Jan 2018.