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Ist ein fester Trainingsplan nötig oder müssen wir den Muskel „schocken“?

Zu Beginn der Trainingskarriere orientieren sich die meisten Athleten zunächst an einem festen Trainingsplan, der die einzelnen Übungen sowie deren Reihenfolge für jede Trainingseinheit vorgibt. Mit zunehmender Erfahrung und womöglich auch aus Langeweile fangen die meisten ab einem gewissen Punkt an, die Auswahl und Reihenfolge der Übungen in ihren Trainingseinheiten zu variieren. Mit dem Begriff „Muscle Confusion“, beziehungsweise der „Verwirrung“ oder des „Schockens“ der Muskulatur rechtfertigt man dann, dass dieses Prinzip zu neuen Trainingsreizen führen würde. Eine neue Studie stellte diese Frage auf den Prüfstand und klärte, ob ein fester Trainingsplan oder mehr Variation zu besseren Resultaten führt.

Die Forscher um Baz-Valle und niemand Geringeren als Dr. Brad Schoenfeld verglichen zwei Gruppen trainierter Probanden miteinander, die beide nach einem Push-Pull Programm trainierten [1]. In der Interventionsgruppe wurden die Übungen für jede Trainingseinheit zufällig durch eine App verteilt, wohingegen der Plan für die Kontrollgruppe während des gesamten achtwöchigen Studienzeitraumes gleich bleib. Beide Gruppen der insgesamt 21 Teilnehmer führten je drei Sätze von sechs Übungen pro Einheit aus und trainierten innerhalb des Wiederholungsbereiches von sechs bis zwölf bis zum Muskelversagen.

Wie beeinflusst die Reihenfolge der Übungen unseren Muskelaufbau?

Eigentlich immer besteht eine Trainingseinheit aus mehreren Übungen. Aus diesem Grund müssen wir bei der Erstellung unseres Trainingsplanes entscheiden, in welcher Reihenfolge wir sie ausführen wollen. Instinktiv entscheiden sich der Großteil dafür, die Übungen zu Beginn des Workouts einzufügen, die sie am wichtigsten erachten, wohingegen andere Übungen gegen Ende eingebaut werden. Grund dafür ist, dass […]

Um die Ergebnisse vorwegzunehmen: Nach acht Wochen konnte kein signifikanter Unterschied bezüglich des Muskelwachstums, der Körperzusammensetzung oder der Kraftentwicklung festgestellt werden. Die Gruppe, die nach zufälliger Übungsauswahl trainierte, erfuhr dagegen eine signifikant gesteigerte intrinsische Trainingsmotivation. Man könnte nun schlussfolgern, dass das Variieren der Übungen gegenüber eines festen Trainingsplans deutlich mehr Spaß macht und keine Nachteile entfaltet.

Allerdings muss man dabei beachten, dass es sich hierbei lediglich um einen achtwöchigen Untersuchungszeitraum handelt und keine statistische Power ermittelt wurde. Das bedeutet, dass sich die Autoren lediglich auf die statistische Signifikanz verlassen, die nicht zwangsweise die Signifikanz in der Praxis widerspiegelt. Tatsächlich ist das in den meisten Trainingsstudien so. Menschen erreichen unterschiedliche Resultate nicht nur aufgrund der verschiedenen Interventionen, sondern auch aufgrund ihrer Genetik, der Ernährung, des Lebensstils und weiterer Rahmenbedingungen. 

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Die Ergebnisse im Detail

Schauen wir uns die Ergebnisse etwas genauer an. Wenn wir uns die absolute Veränderung in beiden Gruppen ansehen, können wir feststellen, dass ein fester Trainingsplan in alle Bereichen zu besseren Ergebnissen geführt hat und das nicht nur ein bisschen. In Prozenten ausgedrückt war das Muskelwachstum des Musculus rectus femoris um 350 Prozent stärker und für die anderen beiden gemessenen Köpfe des Quadrizeps um 50 Prozent. Gemessen am BMI nahmen sie ebenfalls stärker an Gewicht zu, obwohl sie im Durchschnitt sogar etwas Fett verloren. Die Gruppe mit der zufälligen Übungsauswahl schien dagegen in einem etwas größeren Kalorienüberschuss zu sein, denn sie nahmen ein wenig Körperfett zu. Die Gruppe mit dem festen Trainingsplan baute ebenfalls nicht-signifikant mehr Kraft auf, was allerdings keine Überraschung ist, da sie die getesteten Übungen im Training öfter ausführten.
Grafik: The effects of exercise variation in muscle thickness, maximal strength and motivation in resistance trained men
Wenngleich die Ergebnisse keine statistische Signifikanz erreichten, führte ein fester Trainingsplan durch die Bank weg zu besseren Ergebnissen [1].

Interpretation der Ergebnisse

Eine zu starke Variation der Übungen könnte durch den neuen Stimulus in jedem Training zu einem erhöhten Grad an Muskelschäden führen. Dies resultiert in einem erhöhten Proteinabbau und einer verlängerten Regenerationszeit. Es gibt jedoch zwei weitere Gründe, weshalb sich ein fester Trainingsplan in der Praxis als besser erweisen könnte.

Zunächst einmal trainierte die Muscle Confusion Gruppe in dieser Studie bei jedem Training in einem anderen Wiederholungsbereich innerhalb von sechs bis zwölf Wiederholungen. Man bezeichnet das als tägliche „hügelartige“ Periodisierung oder auf Englisch „daily undulating periodization“. Die festgelegte Übungsauswahl in der Gruppe mit dem festen Trainingsplan erlaubte den Teilnehmern dagegen eine lineare Periodisierung, wobei sie mit einem Gewicht begannen, welches sie für zwölf Wiederholungen bewegen konnten. Die Last wurde jede zwei Wochen erhöht, bis sie bei sechs Wiederholungen angelangt waren.

Trotz der Tatsache, dass die meisten Studien keinen Unterschied zwischen verschiedenen Periodisierungsmodellen hinsichtlich des Muskelwachstums fanden, zeigt die tägliche hügelartige Periodisierung bessere Ergebnisse in der Kraftentwicklung und einige Untersuchungen deuten ebenfalls darauf hin, dass die Abwechslung von Wiederholungsbereichen zu einem besseren Muskelwachstum führt [2].

Der zweite Grund ist, dass der feste Trainingsplan in dieser Studie keine Anweisungen über die schnellstmögliche progressive Steigerung der Gewichte beinhaltete. Die Forscher schrieben: „Die Kontrollgruppe führte an jedem Tag der Woche die gleiche Anzahl von Wiederholungen bis zum Muskelversagen pro Satz aus“. Das ist ein etwas merkwürdiger Satz, da man nicht garantieren kann, dass die Probanden immer die gleiche Anzahl an Wiederholungen bewältigen können, wenn sie bis zum Muskelversagen trainieren. Viel wichtiger ist jedoch, dass die gleiche Anzahl von Wiederholungen an jedem Tag der Woche impliziert, dass sie nicht darauf bedacht waren, besser zu werden.

Wenn dies der Anspruch der Athleten gewesen wäre, hätten sie eventuell sogar noch bessere Fortschritte erzielt. Die progressive Überlastung ist wahrscheinlich der größte Vorteil eines festen Trainingsplans. Man kann dabei die Fortschritte besser überwachen und versuchen, von Einheit zu Einheit stärker zu werden. Dies fördert nicht nur den Muskelaufbau, sondern langfristig auch die Motivation und den inneren Antrieb zum Training. Nichts motiviert so stark wie gute Resultate.

Fazit und Zusammenfassung

Insgesamt unterstützt diese Studie die Ergebnisse aus früheren Studien, dass „Muscle Confusion“ Broscience ist. Zwar fördert die stetige Veränderung der Übungen die Trainingsmotivation, allerdings nur, wenn man nicht mit dem Anspruch an die stetige Steigerung der Gewichte trainiert. Ein fester Trainingsplan ermöglicht dagegen das Prinzip der progressiven Überlastung der Muskulatur, da jede Übung regelmäßig ausgeführt wird und die Fortschritte anhand der Trainingsgewichte so besser beobachtet werden können. Dennoch sollte der Plan natürlich nach einer gewissen Zeit, beziehungsweise beim Ausbleiben von Fortschritten verändert werden. Die Übungen jedoch nur aus dem Grund zu variieren, den Muskel zu „verwirren“ oder zu „schocken“ ist dagegen wenig hilfreich.


Primärquelle:

Menno Henselmanns: „Fixed or varied exercise selection: which is better? New study review“, mennohenselmans.com

Literaturquellen:

  1. Baz-Valle E, Schoenfeld BJ, Torres-Unda J, Santos-Concejero J, Balsalobre-Fernández C, „The effects of exercise variation in muscle thickness, maximal strength and motivation in resistance trained men“. PLoS ONE (2019): 14(12): e0226989.
  2. Schoenfeld, Brad J., et al. „Effects of varied versus constant loading zones on muscular adaptations in trained men.“ International journal of sports medicine 37.06 (2016): 442-447.
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