Schaut man sich Artikel in Hausfrauenzeitschriften oder auf Seiten an, die vorgeben, interessante Fakten und nützliches Wissen zu teilen, stößt man immer wieder auf die Behauptung, es gebe Lebensmittel, die allein beim Essen und während des Prozesses der Verdauung mehr Kalorien verbrennen würden, als sie dem Körper zuführen. Nahrungsmittel mit negativen Kalorien sollen so wenige Kalorien liefern und dennoch so viel Energie im Verdauungstrakt verbrauchen, dass man bei ihrem Verzehr automatisch abnimmt. Klingt zu schön, um wahr zu sein. Also kann das wirklich stimmen?
Eine kurze Einführung in Sachen Verdauung
Um zu verstehen, ob Nahrungsmittel mit negativen Kalorien existieren oder nicht, müssen wir uns zunächst alle auf einen Wissensstand bringen, was die grundsätzliche Verdauung angeht. Wenn wir Nahrung zu uns nehmen, kann nur ein Teil der Kalorien des Lebensmittels vom Körper verdaut und absorbiert werden. Erst durch die Aufspaltung der Nährstoffe können diese über die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf aufgenommen werden. Nur Nährstoffe, die dorthin gelangen, können zur Energiegewinnung verbrannt oder in körpereigener Masse gespeichert werden.
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Glücklicherweise ist unser Körper recht effizient dabei, Nahrung zu verdauen. Nicht nur das Kauen der Nahrung sorgt für diese Aufspaltung, sondern im Wesentlichen eine Vielzahl von Enzymen, die Proteine, Fette und Kohlenhydrate in ihre kleinsten Einheiten zerlegen, sodass sie über Transportmoleküle in der Darmwand in das Blut gelangen. Ja nach Beschaffenheit der Lebensmittel und dem damit verbundenen Aufwand, den Magen und Darm leisten müssen, werden im Schnitt rund 80 Prozent der Kalorien aus der Nahrung aufgenommen [1, 2]. Lebensmittel, die hoch verarbeitet sind und zum Großteil aus leicht verdaulichen Bestandteilen wie Zucker und einfachen Kohlenhydraten bestehen, können leichter verdaut werden als ballaststoffreiches Gemüse oder komplexe Proteine.
Im Blutkreislauf angekommen, müssen Aminosäuren, Peptide, Zucker und Fettsäuren, also die kleinsten Einheiten der Makronährstoffe, die über die Darmschleimhaut gelangen, jedoch weiter verarbeitet werden, bevor sie Energie oder Baustoff für den Körper liefern können. Zu diesem Prozess benötigt es Energie, die wir als thermischen Effekt der Nahrung (TEF) bezeichnen. Sein Anteil an unserem Gesamtumsatz beträgt unter normalen Umständen in etwa fünf bis 15 Prozent, was bedeutet, dass im Schnitt jede zehnte Kalorie, die du aufnimmst, dazu verwendet wird, die Nahrung zu verarbeiten [3].
Bezüglich der Makronährstoffe ergeben sich folgende Werte:
- Protein: 20 bis 35 Prozent
- Kohlenhydrate: 5 bis 15 Prozent
- Fette: 0 bis 10 Prozent
Was sind Nahrungsmittel mit negativen Kalorien?
Die Annahme hinter Nahrungsmitteln mit negativen Kalorien ist, dass einige Lebensmittel bei der Verdauung und Verarbeitung mehr Kalorien benötigen, als am Ende für den Körper übrig bleiben. In der Theorie würde das bedeuten, dass der Körper Energie aus den Reserven dafür verwenden muss, um mit diesem Lebensmittel umzugehen. Da wir wissen, dass eine negative Energiebilanz zum Gewichtsverlust führt, sollten Nahrungsmitteln mit negativen Kalorien demnach automatisch zu einer Gewichtsabnahme führen und in unbegrenzter Menge gegessen werden können.
Leider gibt es diesbezüglich nicht besonders viele Hinweise, die für diese Theorie sprechen. Eine kleine Studie untersuchte diesen Effekt anhand von Sellerie, dem Lebensmittel, das als Paradebeispiel für Nahrungsmitteln mit negativen Kalorien in Zeitschriften und Instagram-Seiten angeführt wird. Sellerie liefert bezogen auf 100 Gramm gerade einmal 16 Kilokalorien. In der Untersuchung analysierte man die Stoffwechselrate von 15 jungen Frauen, bevor und nachdem sie 100 Gramm des Gemüses gegessen hatten [4]. Von den 16 Kilokalorien blieben nach der Verdauung noch rund 2,4 Kilokalorien übrig.
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Man kennt die Sprüche: Genau wie der selbsternannte Hardgainer von sich behauptet, er könne nicht zunehmen, obwohl er schon soo viel esse, jammert die andere Fraktion, meist übergewichtige Frauen, darüber, dass sie bereits so gesund und kohlenhydratarm ernähre und dennoch nicht an Gewicht verliere. Sogar die Begriffe „Hungerstoffwechsel“ oder „kaputter Metabolismus“ fallen oft in diesem […]
Damit ist Sellerie zwar kein Nahrungsmittel mit negativen Kalorien, aber sicherlich eines, dass aufgrund seines hohen Wasser- und Ballaststoffgehaltes extrem wenige Kalorien liefert und damit für wenige Kalorien sehr gut sättigt. Eine zusätzliche Studie trieb es daher noch etwas weiter und verglich eine Ernährung, die auf Nahrungsmitteln mit vermeintlich „negativen“ Kalorien basiert mit einer herkömmlichen kalorienreduzierten Ernährung [5]. Beide Gruppen nahmen in etwa gleich viele Kilokalorien zu sich und wurden einem Sportprogramm unterzogen.
Die Diäten waren wie folgt zusammengesetzt:
- Nahrungsmittel mit „negativen“ Kalorien: 15 % Protein, 75 % Kohlenhydrate, 10 % Fett
- herkömmliche, kalorienreduzierte Ernährung: 15 % Protein, 55 % Kohlenhydrate, 30 % Fett
Am Ende der Untersuchung bestand kein signifikanter Unterschied im Gewichtsverlust der insgesamt 90 übergewichtigen Probanden. Die Autoren schlussfolgerten daraufhin, dass eine Ernährung, die auf Nahrungsmitteln mit „negativen“ Kalorien basiert, keine externe Bedeutung oder Anwendungsberechtigung habe.
Solange die Kalorienaufnahme, gemessen an dem Energiegehalt der Nahrung im Labor und auf der Verpackung der Lebensmittel, gleichbleibend ist, gibt es keine Beweise dafür, dass schwerer verdauliche und gleichzeitig kalorienarme Nahrungsmittel so viel Energie im Stoffwechsel benötigen, dass ein signifikantes Kaloriendefizit besteht. Dennoch können gerade diese ballaststoff- und wasserreichen Lebensmittel einen positiven Effekt auf die Gewichtsabnahme haben. Durch ihr hohes Volumen und ihre lange Verweildauer im Verdauungstrakt sättigen sie besonders gut und liefern vergleichsweise wenige Kalorien. Dadurch sinkt die Kaloriendichte der Ernährung, was wiederum dazu führt, dass wir eventuell weniger essen, um satt zu sein [6].
Fazit und Zusammenfassung
Eines können wir schlussfolgernd festhalten: Das Konzept der Nahrungsmitteln mit negativen Kalorien hat aus wissenschaftlicher Sicht keine Grundlage. Der thermische Effekt der Nahrung ist eng mit der Anzahl der Kalorien verknüpft, die ein Lebensmittel liefert. Da er sich prozentual auf die Anzahl der zu verarbeitenden Nährstoffe bezieht, ist er mit steigendem Kaloriengehalt der Nahrung folglich höher [3]. Egal, wie wenig Kalorien ein Lebensmittel liefert, ist es daher nicht plausibel, dass es mehr Kalorien verbrennt, als wir beim Verzehr aufnehmen. Kalorienarme und ballaststoffreiche Lebensmittel in die Ernährung zu integrieren, ist allerdings nicht nur positiv für die Gesundheit, sondern sorgt auch dafür, dass wir weniger Kalorien aufnehmen müssen, um satt zu sein.
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Primärquelle: Michael Hull: „Can food have negative calories?“, examine.com
Literaturquellen:
- Dhingra, Devinder, et al. „Dietary fibre in foods: a review.“ Journal of food science and technology 49.3 (2012): 255-266.
- Mattes, Richard D., Penny M. Kris-Etherton, and Gary D. Foster. „Impact of peanuts and tree nuts on body weight and healthy weight loss in adults.“ The Journal of nutrition 138.9 (2008): 1741S-1745S.
- de Jonee, Lilian, and George A. Bray. „The thermic effect of food and obesity: a critical review.“ Obesity Research 5.6 (1997): 622-631.
- Clegg, M. E., and C. Cooper. „Exploring the myth: Does eating celery result in a negative energy balance?.“ Proceedings of the Nutrition Society 71.OCE3 (2012).
- Rezaeipour, Mohammadreza, Gennady Leonidovich Apanasenko, and Vladimir Ivanovich Nychyporuk. „Investigating the effects of negative-calorie diet compared with low-calorie diet under exercise conditions on weight loss and lipid profile in overweight/obese middle-aged and older men.“ Turkish journal of medical sciences 44.5 (2014): 792-798.
- Holt, Susanne HA, et al. „A satiety index of common foods.“ European journal of clinical nutrition 49.9 (1995): 675-690.