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Die Wahrheit über rohe Eier für den Muskelaufbau!

Wir alle kennen die berühmte Szene aus Rocky IV, in der der Protagonist fünf rohe Eier in ein Glas schlägt und es anschließend auf einen Hieb austrinkt, bevor er seine morgendliche Laufrunde antritt. Die meisten von uns können zwar erahnen, warum er dies gemacht hat, doch ist es wirklich sinnvoll, rohe Eier für den Muskelaufbau zu konsumieren? Wusste es Rocky im Jahre 1985 einfach nicht besser und hat deshalb die glibberige Masse hinuntergewürgt, ohne die Eier vorher zu braten oder zu kochen? Diese Frage möchten wir heute klären.

Noch heute hört man des Öfteren von einigen Athleten, sie würden rohe Eier für den Muskelaufbau trinken, da sie auf die ungegarten Kräfte des beliebten Grundnahrungsmittels schwören. Die Rocky-Filme haben sicherlich viele von uns zum Training motiviert und sind bis heute unvergessen, weshalb ihr Einfluss in der Szene auch rund 35 Jahre später noch spürbar ist. Doch manche Dinge sollte man durchaus hinterfragen. Deshalb machte es sich 1998 eine Studie unter Zuhilfenahme der damals modernsten Technik zur Aufgabe, die Verdaulichkeit von rohem Ei gegenüber seinem gegarten Gegenstück zu vergleichen [1].

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Die Studie

Die Forscher rekrutierten fünf Menschen, die abgesehen von einem künstlichen Darmausgang am Ende des Dünndarms (Ileum) gesund waren. Man verabreichte ihnen zwei Mahlzeiten, die beide aus Eigelb und Eiklar bestanden und einen Proteingehalt von 25 Gramm bei identischem Fettgehalt aufwiesen. Der einzige Unterschied lag darin, dass das Ei in einer Mahlzeit roh war und in der anderen gekocht. Dabei wollte man im Wesentlichen zwei für unsere Zwecke interessante Dinge herausfinden:

  1. Die Menge an Stickstoff (als Marker für Protein), die am Ende der Spaltung und Absorption im Dünndarm unverdaut blieb.
  2. Ob das Garen der Eier die Effizienz erhöht, mit der das Ei verdaut und aufgenommen wird.

Jetzt fragt sich der eine oder andere vielleicht, warum man ausgerechnet Patienten mit einem künstlichen Darmausgang dafür untersucht hat. Der Grund ist einfach. Bei der Verdauung von Nahrung findet die Spaltung und Aufnahme der Nährstoffe durch den Körper vor allem im Dünndarm statt, bevor der restliche Speisebrei in den Dickdarm gelangt, wo die Darmflora sitzt. Die sich dort befindenden Bakterien nutzen die Reste, um ihren eigenen Stoffwechsel durchzuführen, wodurch auch Aminosäuren weiter zerlegt und umgewandelt werden. Die Mikrobiota kann also Aminosäuren und Peptide nutzen, die der Mensch selbst nicht aufgenommen hätte.

Der Darm des Menschen
Die menschliche Verdauung findet zum größten Teil im Dünndarm statt. Das Ileum bildet dabei den letzten Abschnitt. Im Dickdarm hingegen werden die Nährstoffe hauptsächlich durch die Darmflora weiter zerlegt. Die Forscher wollten jedoch wissen, wie viel Protein aus dem Ei am Ende des Dünndarms aufgenommen wurde und übrig bliebt. Deshalb untersuchte man Patienten, die an dieser Stelle einen künstlichen Darmausgang besaßen.

Da die Mikrobiota bei jedem Menschen unterschiedlich ist, wollte man wissen, welche Menge der menschliche Körper selbst verdauen und aufnehmen kann. Deshalb musste man den Einfluss des Dickdarms ausschalten. Dies ist eine häufige Vorgehensweise bei der Bestimmung der Proteinqualität. Eine genaue Erläuterung dazu findet ihr in unserem Artikel: „Was ist Proteinqualität und wie wird sie bewertet?“Für diese Versuche mussten die Teilnehmer zu jeder Mahlzeit vollkommen nüchtern erscheinen, was bedeutete, dass sie mindestens zwölf Stunden lang nichts gegessen haben durften. Nach jeder Mahlzeit wurden die Freiwilligen und ihre Ausscheidungen für weitere 24 Stunden beobachtet.

Die Ergebnisse

Die wahre Verdaulichkeit von Protein aus rohem Ei war im Vergleich deutlich geringer als bei gegartem Ei. Im Durchschnitt wurde nur 51,3 ± 9,8 Prozent des Eiweißes aus rohem Ei aufgenommen gegenüber 90,9 ± 0,8  Prozent aus seinem gegarten Gegenstück. Dadurch erhalten wir zwei interessante Details. Zum einen blieb gut die Hälfte der 25 Gramm Protein im Speisebrei und wurde somit zunächst nicht aufgenommen. Das bedeutet auch, dass wir nur rund 12,5 Gramm Protein aus rohen Eiern für den Muskelaufbau nutzen können im Vergleich zu den 25 Gramm, die wir essen oder im Fall von Rocky in einem Hieb trinken. Zum anderen zeigen uns die Daten, dass die wahre Verdaulichkeit von gegartem Ei bei rund 91 Prozent liegt. Auch wenn dies nach einem hohen Wert klingen mag, sind es nicht 100 Prozent, wie viele Menschen glauben.

Verdaubarkeit von rohem Ei und gekochtem Ei
Die Forscher fanden heraus, dass rohes Ei im Vergleich zu gekochtem Ei eine deutlich geringere Verdaulichkeit aufweist [1]

Was ist der Grund für die Unterschiede?

Die Forscher vermuten, dass die höhere Verdaulichkeit des gegarten Eiproteins durch die Denaturierung zu erklären ist. Genau wie bei anderen Proteinen verändert sich die dreidimensionale Struktur der Aminosäureketten, wodurch das Protein besser von den Verdauungsenzymen des Menschen zerlegt werden kann. Aus einem gegarten Ei kann zwar kein Küken mehr ausgebrütet werden, aber es kann leichter von uns Menschen verdaut werden. Ähnlich verhält es sich bei Fleisch, Fisch und anderen Eiweißquellen. Einen weiteren Grund, den die Forscher zumindest teilweise für die reduzierte Verdaulichkeit vermuten, ist, dass rohes Eiklar Hemmstoffe für das menschliche Verdauungsenzym Trypsin beinhalten. Diese werden durch die Behandlung mit Hitze ebenfalls denaturiert und damit funktionslos gemacht.

Insgesamt war dies eine sehr solide Studie, die jedoch zwei Limitationen aufweist. Zum einen konnte mit fünf Probanden nur eine geringe Zahl an Teilnehmern rekrutiert werden. Zum anderen wurden die rohen und gekochten Eier in Isolation ohne weitere Lebensmittel im Sinne einer Mahlzeit aufgenommen. Besonders dieser zweite Störfaktor gilt allerdings für fast alle Studien, die sich mit der Verdaulichkeit und Qualität von Proteinen beschäftigen. Es sind einfach zu viele Kombinationen möglich, die die Ergebnisse in beide Richtungen beeinflussen können.

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Weitere Nachteile von rohen Eiern

Eier sind ein hervorragendes Lebensmittel, welches nicht nur zahlreiche Vitamine und wertvolle Fettsäuren enthält, sondern auch ein hervorragendes Aminosäurenprofil aufweist. Neben der Verdaulichkeit besitzen rohe Eier für den Muskelaufbau und auch die allgemeine Gesundheit zwei weitere Nachteile, die wir in aller Kürze ansprechen wollen.

Rohes Ei und Salmonellen

Besonders Bio- und Freilandeier sind anfällig für Salmonellen. Der Grund: Die Tiere haben Auslauf und man kann nicht zu 100 Prozent vermeiden, dass Keime aus der Umwelt auf das Federvieh übertragen werden. Eigentlich gehören Salmonellen zu Vögeln wie unsere Hautflora zu uns Menschen. Doch die moderne Landwirtschaft hat es geschafft, die gesundheitsschädlichen Bakterien in der Geflügelhaltung so gut wie auszurotten, solange das System geschlossen bleibt, wie es bei der Bodenhaltung der Fall ist. Haben die Hühner jedoch Zugang zu Freilauf, kann der Landwirt nicht vermeiden, dass andere Vögel ihre Hinterlassenschaften auf dem Gehege zurücklassen und die Legehennen dort wieder mit Salmonellen in Kontakt kommen.

Übersteigt die Zahl der Bakterien eine gewisse Anzahl, können sie sich stark vermehren und den kompletten Betrieb infizieren. Die Eier tragen dann Salmonellen auf der Schale. Das alles ist kein Problem, solange man die Eier zu Hause erhitzt, denn dadurch werden Bakterien abgetötet. Verwendet man die Eier jedoch roh, so kann es passieren, dass Salmonellen in unseren Verdauungstrakt gelangen und dort Symptome wie Übelkeit und Erbrechen auslösen. Mit diesen Symptomen ist ein effektives Training vorerst undenkbar.

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Avidin in Eiern

Neben den Trypsininhibitoren stellt Avidin einen weiteren Antinährstoff dar, den wir natürlicherweise im Ei finden. Anstatt der Proteinverdauung bindet er allerdings das B-Vitamin Biotin und sorgt somit dafür, dass wir es nicht  oder nur in geringerem Ausmaß aufnehmen können. Temperaturen über 70 Grad Celsius zerstören die biologische Aktivität von Avidin und Studien haben gezeigt, dass das Garen von Eiern den Gehalt senkt [2]. Ein Biotinmangel gehört sicherlich zu den seltensten Mangelerscheinungen beim Menschen und daran wird auch der gelegentliche Verzehr von rohen Eiern nichts ändern. Dennoch ist es ein Fakt, den man zusätzlich zu den genannten im Hinterkopf behalten sollte.

Fazit und Zusammenfassung

Wer im Jahre 2020 immer noch glaubt, rohe Eier für den Muskelaufbau seien das Nonplusultra und würden bessere Zuwächse, mehr Kraft oder Potenz liefern als ein gegartes Ei, der täuscht. Ganz abgesehen davon, dass die vielfältige Zubereitung von Eiern den Genuss deutlich steigert, läuft man zumindest bei frisch aufgeschlagenen und unpasteurisierten Eiern immer Gefahr, sich eine unangenehme Infektion mit Salmonellen zuzuziehen, die dann wiederum das Training beeinträchtigt. Eier sind ein großartiges Lebensmittel und ein super Proteinlieferant für den Muskelaufbau. Die kleinen Kraftpakete roh zu verzehren, bietet jedoch keinerlei Vorteile, sondern nur Nachteile.

https://www.instagram.com/p/CASlpv1gOdm/


Primärquelle: Steve Taylor: „Are Raw Eggs Hurting Your Gains??“, 3dmusclejourney.com

Literaturquellen:

  1. Evenepoel, Pieter, et al. „Digestibility of cooked and raw egg protein in humans as assessed by stable isotope techniques.“ The Journal of nutrition 128.10 (1998): 1716-1722.
  2. Durance, T. D. „Residual avid in activity in cooked egg white assayed with improved sensitivity.“ Journal of food science 56.3 (1991): 707-709.
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2 Kommentare

  1. Interessante Ergebnisse dieser „Mini-Studie“. Die erwähnte Salmonellenvergiftung ereilte auch mich. Ich trank früher jeden Morgen ein paar rohe Eier (mit Eigelb übrigens). Der Geschmack war gar nicht das Problem (daran gewöhnte ich mich schnell). Doch die Bakterien brachten mich davon ab. An einem Tag erlitt ich mehrere Kreislaufzusammenbrüche, Durchfall und Erbrechen. Im Krankenhaus dann nach ein paar Tagen das Laborergebnis: Samlmonellenvergiftung. Seit dem nur noch gekocht oder gebraten :) und nach dem Zubereiten ausgiebiges Händewaschen, denn die Berührung des Eis und der Verpackung kann bereits für Kontamination sorgen.

  2. Sehr guter Beitrag!!
    Eine Frage zum Thema Eier – die „36 Eier Diät“ (https://vincegironda.com/vince-girondas-36-eggs-a-day-diet-is-it-truly-as-good-as-steroids/) mit rohen Eiern, zielt ja mitunter darauf ab, durch das Cholesterin den Testosteronlevel zu beeinflussen. Der Artikel sagt, dass Kochen, das Cholesterin oxidieren lässt – wiederum angeblich nicht gut.
    Nun meine Frage – wenn ich die Eier bei ca. 70 Grad gare, damit das Cholesterin nicht oxidiere, habe ich dann mit diesen „soft boiled eggs“ den gleichen möglichen Effekt wie mit rohen Eiern? (davon abgesehen, dass das Eiweis in gekochten Eiern besser verwertbar ist)
    Wäre super, wenn ihr dazu was sagen könntet.

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