Mit all den Debatten und Diskussionen rund um das optimale Trainingsvolumen und die optimale Trainingsfrequenz vergessen wir oft, dass die progressive Steigerung den Schlüssel dafür darstellt, langfristig bedeutsame Mengen an Muskelmasse aufzubauen. Zwar können diese Fortschritte von einem auf das andere Training auch durch eine bessere Technik oder bis zu einem gewissen Grad auch durch mehr Wiederholungen erreicht werden, doch irgendwann kommen wir nicht darum herum, die Gewichte zu erhöhen, mit denen wir trainieren. Aus der Praxis wissen wir allerdings, dass wir diese Steigerungen nicht immer von einer auf die andere Einheit passieren.
Es gibt drei verschiedene Szenarien, die dazu führen können, dass wir keine Fortschritte von einem auf andere das Training in Sachen Gewicht auf der Hantel oder bezüglich der Anzahl der Wiederholungen machen können. Gehen wir sie nun Schritt für Schritt durch und klären anschließend, was das für uns in der Praxis bedeutet.
Grund 1: Inadäquater Stimulus
Ein inadäquater oder unzureichender Stimulus tritt dann auf, wenn das vorherige Training nicht ausreichend war, um einen Reiz auszulösen, der dazu führt, dass der Muskel signifikante Fortschritte von einem auf das andere Training erreicht. Die motorischen Einheiten mit hoher Reizschwelle werden nicht in ausreichendem Umfang oder gar nicht aktiviert und daher wird die Rate der Muskelproteinsynthese nicht lange und stark genug angehoben. Deshalb treten keine nennenswerten Anpassungen im Muskel selbst oder dem zentralen Nervensystem auf, die zu einer Kraftsteigerung führen könnten.
Wenn du mehr über das Prinzip der motorischen Einheiten erfahren willst, lies dir zum vollkommenen Verständnis unseren Artikel über die Mechanismen des Muskelaufbaus durch:
Hypertrophie ist der Begriff für die Steigerung des Muskelvolumens oder -masse. Da es nur wenige Beweise dafür gibt, dass sich die Muskeln eines ausgewachsenen Menschen aufgrund einer Steigerung der Anzahl von Muskelfasern (Hyperplasie) vergrößern, gilt die Volumenzunahme der einzelnen Fasern an sich als der Hauptweg auf dem der Muskelaufbau stattfindet. Was stimuliert also die Muskelfasern […]
Wie funktioniert Muskelaufbau?
Wenn wir dann im darauf folgenden Workout genau das gleiche Training wiederholen, ist es unwahrscheinlich, dass wir dadurch andere, geschweige denn bessere Zuwächse bis zur nächsten Einheit erzielen. Theoretisch könnten wir dieses Training bis in die Unendlichkeit fortführen und würden keine Fortschritte von einem auf andere das Training machen.
Grund 2: Unvollständige Regeneration
Wenn in einer Trainingseinheit motorische Einheiten mit hoher Reizschwelle über einen adäquaten Umfang rekrutiert werden, wird ein Reiz ausgelöst, der theoretisch ausreicht, um einen Anpassungsreiz auszulösen. Aber so ein Training geht in der Regel auch mit einer substanziellen Menge an Muskelschäden einher. Diese Schäden führen dazu, dass der Muskel so lange nicht mehr in der Lage ist, seine maximale Kraft aufzubringen, bis er die Blessuren vollständig repariert hat. Die Muskelschäden können ebenfalls zu einer Ermüdung des zentralen Nervensystems führen, müssen es aber nicht.
Diese zentralnervöse Ermüdung reduziert ebenfalls die Kraft, die aufgebracht werden kann. Sie tritt besonders dann auf, wenn das Trainingsvolumen sehr hoch ist [1]. Wenn das zentrale Nervensystem ermüdet ist, können die motorischen Einheiten mit hoher Reizschwelle nicht mehr ausreichend rekrutiert werden, selbst wenn wir bis zum Muskelversagen trainieren. Deshalb können wir so lange keinen ausreichenden Reiz setzen, bis die zentralnervöse Ermüdung abgeklungen ist.
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Aber auch unabhängig des zentralen Nervensystems reduzieren Muskelschäden durch ein intensives und hochvolumiges Training die Kraft, die jede einzelne Muskelfaser produzieren kann, selbst wenn wir weiterhin dazu in der Lage sind, motorische Einheiten mit hoher Reizschwelle zu rekrutieren. Somit sind wir trotz Muskelschäden dazu fähig, die Fasern zum Wachsen zu bringen, die von diesen motorischen Einheiten gesteuert werden und das größte Potenzial für Wachstum besitzen. Die zentralnervöse Ermüdung stellt also den limitierenden Faktor dar.
Grund 3: Inadäquater Stimulus und unvollständige Regeneration
Wenn das vorherige Training nicht intensiv genug war, um einen ausreichenden Stimulus auf die motorischen Einheiten mit hoher Reizschwelle zu produzieren, aber dennoch eine substanzielle Menge an Muskelschäden durch ein zu hohes Volumen auftritt, dann finden wir uns in beiden Szenarien gleichzeitig. Das klingt zwar ungewöhnlich, ist aber tatsächlich recht häufig bei ernsthaft trainierenden Athleten anzutreffen.
Tatsächlich gehen wir das Risiko für dieses Szenario immer ein, wenn wir eine zentralnervöse Ermüdung erzeugen, die bis zur darauf folgenden Trainingseinheit anhält. Wenn wir glauben, dass wir es nicht geschafft haben, einen ausreichenden Stimulus gesetzt zu haben, um Fortschritte von einem auf das andere Training machen können und dabei vernachlässigen, dass es sich ebenfalls um eine unzureichende Regeneration handeln könnte, werden wir in der nächsten Einheit das Trainingsvolumen erhöhen und eventuell Intensitätstechniken verwenden. Dies könnte allerdings ein Trugschluss sein, denn wenn der Grund für die fehlenden Fortschritte der Mangel an Regeneration war, werden wir bedingt durch die zentralnervöse Ermüdung im folgenden Training keinen ausreichenden Reiz setzen können und stattdessen nur noch mehr Muskelschäden und Ermüdung provozieren.
Wie viele Sätze pro Muskelgruppe und Woche sind optimal für das Muskelwachstum?
Das Thema Trainingsvolumen ist im Moment ein heiß debattiertes Feld, nicht nur unter Trainierenden, sondern tatsächlich auch in der aktuellen Trainingswissenschaft. Die Anzahl der Sätze pro Muskelgruppe und Woche wird als die wichtigste Variable in jedem Trainingsprogramm angesehen. Ihr Stellenwert ist vergleichbar mit der Kalorienzufuhr in einem Ernährungsplan, also fundamental wichtig. Doch bisher gibt es […]
Was bedeutet das für uns in der Praxis?
Für unser eigenes Training bedeutet das, dass es neben den drei Szenarien für das Ausbleiben der Fortschritte auch zwei mögliche Szenarien gibt, in denen wir Fortschritte von einem auf das andere Training machen können:
- Wenn wir unser Trainingsgewicht und/oder die Anzahl der Wiederholungen progressiv steigern.
- Wenn keine progressive Steigerung aufgrund von Muskelschäden stattfindet, aber auch keine zentralnervöse Ermüdung besteht.
Demnach ist es zwar möglich, Muskeln aufzubauen, ohne eine progressive Steigerung der Gewichte und/oder Wiederholungszahlen zu erreichen, doch ist die einfachste Möglichkeit, die Hypertrophie zu garantieren, dass man versucht, messbare Fortschritte von einem auf das andere Training in Form von Zahlen anzustreben. Alles andere ist ein Glücksspiel, was sich vielleicht auszahlt, vielleicht aber auch nicht.
Wie sich Muskeln auch mit leichten Gewichten aufbauen lassen!
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Welche Bedeutung hat das für das Übertraining und Overreaching?
Funktionelles und nicht-funktionelles Übertraining und Overreaching sind Begriffe, die oft verwechselt werden. Sie beschreiben aber alle etwas Unterschiedliches.
- Funktionelles Overreaching beschreibt eine kurzzeitige Reduktion der Leistung, die nach einer Phase der reduzierten Belastung zu einer Steigerung der Leistung führt. Dafür ist das sogenannte „Fitness-Fatique-Modell“ verantwortlich, welches unten dargestellt ist.
- Nicht-funktionelles Overreaching beschreibt eine kurzzeitige Reduktion der Leistung, die nach einer anhaltenden Pause vollständig regeneriert werden kann, aber zu keiner Steigerung der Leistung führt.
- Übertraining beschreibt eine langfristige Reduktion der Leistung, die erst nach einer Pause von zwei Monaten oder länger vollständig regeneriert werden kann.
Funktionelles und nicht-funktionelles Overreaching werden nicht als krankhafte Zustände wahrgenommen, wohingegen ein echtes Übertraining eine medizinische Diagnose darstellt. Die meisten Athleten, die den Begriff Übertraining verwenden, meinen daher in der Regel das nicht-funktionelle Overreaching. Sowohl beim funktionellen als auch nicht-funktionellen Overreaching werden vorübergehend keine Steigerungen der Gewichte und somit keine messbaren Fortschritte von einem auf das andere Training stattfinden.
Daher ist es möglich, dass bei einem Training in einem Zustand der unvollständigen Regeneration ein funktionelles Overreaching stattfindet, sodass zwar Muskelschäden bestehen, ihr Grad jedoch nicht so hoch ist, dass das zentrale Nervensystem signifikant in Mitleidenschaft gezogen wird. Somit sind wir auch ohne eine progressive Steigerung der Gewichte in der Lage, Fortschritte von einem auf das andere Training zu machen. Beim nicht-funktionellen Overreaching ist der Grad der Muskelschäden jedoch so hoch, dass eine Ermüdung des zentralen Nervensystems stattfindet. Somit können keine motorischen Einheiten mit hoher Reizschwelle rekrutiert werden und folglich auch nicht zum Wachstum angeregt werden.
Fazit und Zusammenfassung
Wenn in einer Trainingseinheit keine messbaren Steigerungen der Gewichte oder Anzahl der Wiederholungen stattfinden, dann war entweder der Stimulus, die Regeneration oder beides nicht ausreichend, um Fortschritte von einem auf andere das Training zu machen, vorausgesetzt die Übungsausführung ist gleichbleibend. Wenn die Regenerationszeit nicht lang genug oder nicht effektiv genug ist, führen bestehende Muskelschäden oder Muskelschäden in Kombination mit einem ermüdeten zentralen Nervensystem zum Ausbleiben der Steigerungen. Solange das zentrale Nervensystem erschöpft ist, bleibt ebenfalls der Muskelaufbau aus.
Während es theoretisch möglich ist Muskeln aufzubauen, ohne die Trainingsgewichte von Einheit zu Einheit zu steigern, ist die progressive Steigerung der Lasten und/oder Wiederholungen ein Garant dafür, dass eine Hypertrophie stattfindet. Daher sollten Intensität, Volumen und Frequenz des Trainings so gewählt werden, dass messbare Fortschritte stattfinden. Zudem spielt die Qualität und Quantität der Regeneration eine maßgebliche Rolle.
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Primärquelle:
Chris Beardsley: „Why does progress not always happen from one workout to the next?“, 2019, www.medium.com/@SandCResearch
Literaturquellen:
- Izquierdo, M., et al. „Neuromuscular fatigue after resistance training.“ International Journal of Sports Medicine 30.08 (2009): 614-623.
- Chiu, Loren ZF, and Jacque L. Barnes. „The fitness-fatigue model revisited: Implications for planning short-and long-term training.“ Strength & Conditioning Journal 25.6 (2003): 42-51.